Protocol of the Session on March 29, 2010

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sagen Sie doch etwas zu den Subventionen in der Atomwirtschaft!)

Ich kann mich erinnern, dass wir unglaublich stark dagegen gekämpft haben, dass wir einen Arbeitsplatz im Kohlebergbau mit 150.000 DM subventionieren,und da waren alle sehr dafür, dass man diesen Unsinn sein lässt. Also müssen wir auch an der Ecke, wenn Sie schon so ideologisch sind, über Fakten und Werte reden, um dann zu sagen, wenn wir das ausgewertet haben, was wir eigentlich an erneuerbaren Energien weiter machen können. Sie sind aus ideologischen Gründen nicht bereit, diese klare Untersuchung vorzunehmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf von der SPD: Oh!)

An dieser Stelle muss aber auch einmal gesagt sein: Bei der Tatsache, dass die Bedeutung der erneuerbaren Energien sehr groß ist, dass wir diese ausbauen müssen und dass wir alles dafür tun müssen, dass wir auch Energieeinsparungen schaffen,sind wir doch alle einer Meinung.Nur der Weg dahin ist von Ihnen geprägt durch Staatsdirigismus und dem Gängeln von Eigentümern, die ihr Häusle bauen wollen. Das ist genau der Unterschied:Wir wollen das nicht machen.

(Beifall bei der FDP – Manfred Görig (SPD): Ich weiß nicht, was Sie wollen, Herr Kollege!)

Diese Bevormundung können Sie gern machen, aber Sie verkennen immer, dass Sie den Kommunen und Bürgern auf der einen Seite die Freiheit nehmen, zu entscheiden, wie sie bauen wollen, mit Passivhausstandard und Ähnlichem. Auf der anderen Seite wollen Sie den Kommunen die Freiheit geben, Bebauungspläne zu gestalten, indem sie gewisse Energieanschlüsse zwangsmäßig vorschreiben

können; ob das das Fernwärmenetz ist oder ob andere Heizenergiearten vorgeschrieben werden, sei einmal dahingestellt. Sie verkennen dabei, dass Sie dem Bürger im selben Moment die Freiheit nehmen, zu bauen, wie er möchte. Das verkennen Sie dabei immer: Wenn Sie den Kommunen auf der einen Seite diese Freiheit geben, nehmen Sie auf der anderen Seite beim Bürger Freiheit weg. Das ist mit uns als Liberalen nicht zu machen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Manfred Gö- rig (SPD): So ein Quatsch! Das ist falsch!)

Deswegen ist es auch unseriös – das muss ich den GRÜNEN auch sagen –, immer zu behaupten, es sei nur ein Eckpunktepapier,da sei überhaupt nichts Konkretes drin. Daher will ich Ihnen noch einmal sagen, damit es auch die Öffentlichkeit weiß: Wir wissen, dass wir, nachdem wir Energieeffizienz organisiert haben, bei 20 % erneuerbaren Energien vom gesamten Energieverbrauch 21 TWh pro Jahr brauchen. Davon sind nach unseren Vorstellungen 9,5 TWh Biomasse, 7 TWh Windenergie, 3 TWh Solarenergie, 1 TWh Geothermie und 0,5 TWh – nur noch wenig – Wasserkraft. Das ergibt zusammengerechnet, damit Sie es nicht nachrechnen müssen, 21 TWh. Was daran nicht konkret sein soll, müssen Sie mir bitte einmal erklären.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Timon Grem- mels (SPD):Wie wollen Sie das denn erreichen?)

Wenn wir Gesetze machen, werden wir also darauf achten müssen, dass wir wirklich nur das regulieren, was in so ein Gesetz reingehört.

(Manfred Görig (SPD):Wo ist die Windenergie?)

Herr Kollege Görig, wenn Sie – Sie haben das Gesetz mit verfasst – in den Zweck der Raumordnung reinschreiben: „Die Landwirtschaft soll im Hinblick auf die energetische Verwertung von Reststoffen und des nachhaltigen Anbaus von Energiepflanzen fortentwickelt werden“, wollen Sie dann auch noch reinschreiben, wie die Einkommensverhältnisse der Landwirte sein sollen, wie hoch die Milchpreise sind, oder sonst irgendetwas? Das hat, verdammt noch mal, überhaupt nichts mit Raumplanung zu tun. Das ist eine Sache, warum wir so etwas überhaupt nicht unterstützen können. Das ist doch wirklich Unsinn, was Sie da reinschreiben.Entschuldigen Sie bitte,aber das muss auch einmal deutlich gesagt werden.

(Beifall bei der FDP)

Was richtig ist, und diese Ansätze werden wir aufgreifen, ist die Beratung in der Fläche.Wir müssen selbstverständlich die Leute beraten,die weit vor 1978 gebaut haben.Sie müssen wissen,95 % des gesamten Gebäudebestands,den wir in Hessen haben, wurden nicht nach der Wärmeschutzverordnung von 1995 gebaut. Sie stoßen im Moment, wenn man das umrechnet, 14,5 Millionen t CO2 aus. Wir müssen also ganz dringend an die Sanierung und an die energetische Sanierung des Altbestands ran. Dazu brauchen wir eine flächige Beratung, und dann können wir auch beraten, welche alternativen Energien reinkommen.

Wir haben im Land Hessen eine hervorragende Beratungsinstitution. Das ist die Firma HeRo. Ich sage schon „Firma“,weil die so gut aufgestellt sind,mit einer ganz hohen Beratungskapazität und auch -qualität. Die müssen wir in die Fläche bringen.Dazu brauchen wir ein Kataster, eine Erfassung, welche Beratungsstellen es gibt. Da können wir dann HeRo andocken und intensiv für den Bestand beraten, und dann sind wir auf einem Weg, wo wir

mit den Bürgern freiheitlich sehen, dass wir solche Dinge vernünftig umsetzen und nicht dirigistisch. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Eieiei!)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Frau Abg.Schott das Wort. Zwei Minuten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich hier zu Wort gemeldet, weil das Wort „Staatsdirigismus“ an dieser Stelle einfach nicht mehr zu ertragen ist.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So etwas Verstrahltes!)

Wenn wir ein Haus bauen wollen, dann brauchen wir dafür eine Baugenehmigung. Wir brauchen einen Statiker, wir brauchen einen Prüfstatiker, und es gibt Regeln, wie dicht es zum Nachbargrundstück stehen muss.Wir müssen unser Abwasser an die Kanalisation anschließen. Jedes Jahr kommt der Schornsteinfeger einmal und überprüft, ob das alles seine Ordnung hat. Das finden wir alles in Ordnung. Niemand baut deswegen nicht.

Wir haben in vielen anderen Bereichen klare Vorschriften. Wir brauchen am Auto Katalysatoren; wir brauchen beim Motorradfahren einen Helm, und wir alle finden das vernünftig, gut und richtig. Ich möchte in keinem Haus wohnen, das morgen einstürzt. Ich möchte nicht, dass jemand ohne Helm Motorrad fährt.

An dieser Stelle müssen wir auch den Mut haben, ein paar andere Dinge im Sinne der Umwelt zu regeln. Hier also von „Staatsdirigismus“ zu reden ist einfach nur lächerlich und vollkommen unangemessen;denn der Gegenpol dazu wäre, überhaupt nichts mehr zu regeln, sondern es den Menschen zu überlassen, wo, wie und wann sie etwas machen wollen.

(Demonstrativer Beifall bei der FDP)

Das ist sehr libertär. Aber wenn die ersten Häuser einstürzen, weil Menschen der Meinung sind, sie bauen sie auf irgendwelche lustigen Balken und ohne eine berechnete Statik,wenn die Menschen wieder massenweise ohne Helm Motorrad fahren, weil es viel mehr Spaß macht, und wenn wir uns im Auto alle nicht mehr anschnallen, weiß ich nicht, ob Sie das dann immer noch beklatschen werden. Da Sie eben so heftig Beifall geklatscht haben, ist das offensichtlich Ihre politische Idee. Ich weiß nicht, wo wir da hinkommen, wenn wir das machen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Lothar Quanz (SPD) – Zuruf von der FDP)

Meine Damen und Herren, damit gibt es parlamentarischerseits keine Wortmeldung mehr. – Frau Ministerin Lautenschläger, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! An den Diskussionen zu dem Gesetzentwurf der SPD wird schon wieder sehr deutlich, dass nicht jedes Gesetz automatisch auch ein gutes Gesetz ist, das mehr für erneuerbare Energien bringt – auch wenn Sie in der Überschrift diesen Titel wählen. Denn Sie suggerieren mit diesem Gesetz natürlich erstmals – und auch in den Ausführungen, die Sie hier gemacht haben –, dass nur mit Ihrem Gesetz die erneuerbaren Energien überhaupt noch in die Netze kommen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wo ist denn Ihr Gesetz?)

Herr Görig hat vorhin gesagt,dass es ganz wichtig sei,dass das passiert, oder so ähnlich. In Wirklichkeit ist auf Bundesebene der Vorrang der Einspeisung erneuerbarer Energien längst geregelt, und das ist auch völlig richtig so. Dazu brauche ich kein hessisches Gesetz, sondern wir wollen in Hessen Rahmenbedingungen verbessern, um bei den erneuerbaren Energien insgesamt voranzukommen.

(Beifall bei der CDU – Manfred Görig (SPD): Darum geht es!)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie mit diesem Gesetzentwurf die Rahmenbedingungen verbessern wollen, dann müssen Sie hinter viele Punkte erst einmal drei Fragezeichen machen; denn es ist tatsächlich so, dass mit vielen Ihrer Punkte ein hoher bürokratischer Aufwand gemacht würde, im Landesentwicklungsplan und an anderen Stellen.

Sie schreiben vorsichtshalber selbst in Ihren Ausführungen, dass, weil man die ökonomischen und die ökologischen Folgen noch nicht richtig abschätzen kann, nach kurzer Zeit eine Evaluierung eintreten sollte – nicht nach fünf Jahren, sondern in einem wesentlich kürzeren Zeitraum –, um das abschätzen zu können, was man normalerweise vorher macht, bevor man ein Gesetz erstmals in Kraft setzt.

(Zuruf des Abg.Timon Gremmels (SPD))

Herr Kollege Gremmels, ich beobachte schon die ganze Zeit: Ihr Kopf wird etwas rot, Sie schreien sehr laut nach Gesetzen.Aber ich versuche gerne, Ihnen nochmals zu erläutern, dass nicht jedes Gesetz den erneuerbaren Energien hilft und bei der Umsetzung etwas ausmacht.

Vielleicht machen Sie sich die Mühe, Ihren eigenen Gesetzentwurf zu studieren. Herr Kollege Sürmann hat gerade auch schon darauf hingewiesen:Was Sie dort mit der Landesplanung machen, ist eine extreme Einengung. Auf der einen Seite wollen Sie selbstverständlich Landesfläche für erneuerbare Energien ausweiten – ich akzeptiere, dass das Ihr Ziel ist –, aber wir haben auch gesagt, das machen die Regionalen Planungsversammlungen in den Schritten, die vorgesehen sind. Nordhessen hat den ersten Plan gemacht, in Mittelhessen steht das kurz bevor, und in Südhessen wird noch eine weitere Runde gedreht.

(Zuruf von der SPD)

Zweitens reden wir über einen Zeitraum bis 2020. Das heißt, in dieser Zeit haben wir gleichzeitig den Landesentwicklungsplan vorliegen, in den selbstverständlich noch Maßnahmen einfließen werden, aber nicht so – das haben wir als Landesregierung immer deutlich gemacht –, dass wir den Regionalen Planungsversammlungen jegli

che Spielräume nehmen. Denn wir sind nicht der Auffassung, dass jedes einzelne Windkraftrad oder jede einzelne Solaranlage oder was auch immer in Wiesbaden am Tisch geplant werden soll, sondern dass sich diejenigen, die in die Planungsversammlungen gewählt worden sind, damit beschäftigen müssen und an dieser Stelle die Vorranggebiete ausweisen sollen, zum Wohle von Natur und Mensch.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das halten wir auch weiterhin für einen ganz wichtigen Grundsatz, der nicht dadurch durchbrochen werden soll, dass Sie kommunal in die Regionalen Planungsversammlungen eingreifen. Das ist der zweite Schritt, den Sie machen wollen. Sie wollen es nicht nur über die Landesplanung, sondern auch über die kommunale Ebene machen, also nicht über die Regionale Planungsversammlung, sondern direkt über Möglichkeiten der kommunalen Ebene, die Sie aufgezeigt haben.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schäfer-Gümbel?

Ich will das noch zu Ende führen, dann kann er gerne eine Zwischenfrage stellen.

Das sind die konkreten Punkte, die man sich anschauen muss. Durch Ihren Gesetzentwurf und all das, was dort zum Landesplanungsrecht steht, soll ganz viel Bürokratie aufgebaut werden. Gleichzeitig wird kein Wort zu den Themen verloren, die entscheidend sein werden, um die erneuerbaren Energien in Zukunft voranzubringen.

(Gerhard Merz (SPD): Bis jetzt verhindert die Bürokratie alles!)

Ob Sie es glauben oder nicht: Es geht nicht nur um Gesetze, sondern auch um die spannende Frage der Speicherung von erneuerbaren Energien. Genauso erwähnen Sie die Frage der Energieeffizienz mit keinem Wort. Für Sie spielt es anscheinend überhaupt keine Rolle, das Thema Energieeffizienz voranzubringen, sich zusätzlich zu den erneuerbaren Energien damit zu beschäftigen, wie z. B. Gasdampfkraftwerke mit verbesserten Wirkungsgraden eine Rolle spielen können, sondern Sie richten den Blick nur auf die erneuerbaren Energien.

Das ist auch der Rückfall in die Zeiten – darauf mögen Sie vielleicht stolz sein; wir als Landesregierung wollen das sicherlich nicht – von Hermann Scheer, der meinte, in fünf Jahren 90 % der Stromerzeugung in Hessen aus erneuerbaren Energien erreichen zu können, wobei er alles andere ausgeblendet hat. Er hat weder den Speicher vorgesehen, noch hat er ein realistisches Szenario aufgenommen. Denn sein Szenario ist weit entfernt von dem, was der Bundesverband Erneuerbare Energie für 2020 für Deutschland vorausgesagt hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Jetzt können wir gerne die Zwischenfrage aufrufen.

Frau Ministerin, Sie kündigen seit über einem Jahr an, dass etwas passieren wird. Sie haben ein Energiekonzept und ein Eckpunktepapier vorgelegt. Ich will eigentlich nur wissen: Wann werden Sie in die Umsetzung dieses Eckpunktepapiers eintreten und dem Landtag etwas Verhandlungsfähiges vorlegen? Wann?