Protocol of the Session on March 29, 2010

Statt des Solarpapstes kam die Atom-Silke. Es bleibt dabei: Hessen ist Schlusslicht bei erneuerbaren Energien. Die Landesregierung stellt immer wieder unter Beweis, dass sie wirklich alles tut, um diesen Platz zu verteidigen. Wem das nützt, hat Herr Jürgen Großmann, Vorstandsvorsitzender von RWE, letzte Woche noch einmal, wie ich finde, in einfachen Worten erklärt: Der Konzern peilt für 2010 ein neues Rekordergebnis an. Allein dieser eine Energieriese hat 2008 über 7 Milliarden c Gewinn gemacht. In den kommenden Jahren soll dieses Ergebnis stetig um je 5 % erhöht werden.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Hauptfaktor bei der Gewinnsteigerung ist das Atomkraftwerk Biblis. Die beiden Blöcke waren 2009 nur drei Monate lang am Netz – zum Einsparen von Restlaufzeiten. Im laufenden Jahr soll das anders werden.Dann sollen die Blöcke wieder voll laufen. Dann soll eben auch eine satte Gewinnsteigerung drin sein. Es ist klar, dass ein Umstieg auf umweltschonende Energieträger für RWE & Co. eher ungelegen käme, wenn sie doch mit Kraftwerken wie Biblis pro Tag 1 Million c verdienen können. Konkurrenz von Windkraft und Sonne wirkt da hinderlich, denn die Stromproduktion ist eine der profitabelsten Branchen in Deutschland. Mit zentralisierter Erzeugung wird sichergestellt, dass die üppigen Profite auch in den Truhen der großen Vier landen. Deshalb halten die Energiekonzerne und ihre Fürsprecher im parlamentarischen Außendienst so eisern an Atom und Kohle fest.

Meine Damen und Herren, das ist nicht nur politisch ein Armutszeugnis für diese Regierung und die Unternehmen, die Sie stützen, sondern Sie bürden mit Ihrer Blockadepolitik den zukünftigen Generationen die riesige

Last auf, eines Tages den Umstieg im Hauruckverfahren hinbekommen zu müssen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Denn – das ist unbestritten – der Umstieg selbst ist unvermeidbar. Die bisherige Energiepolitik ist langfristig nicht finanzierbar; denn die Preise für fossile Energieträger werden explodieren,

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So ist es!)

bis die Vorräte an Kohle und Uran endgültig erschöpft sind. Ihre ganze Rhetorik, mit der Sie im Namen der Generationengerechtigkeit die Renten kürzen und die Budgets der Hochschulen zusammenstreichen,und ebenso Ihr ganzes Gerede von der Sicherheit, mit der Sie Nacktscanner, Videoüberwachung und Lauschangriff verteidigen, wird mit dem schwarz-gelben Katastrophenkurs in der Atompolitik wirklich ad absurdum geführt.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU: Eieiei!)

Atomenergie birgt das Risiko eines atomaren Unfalls, denn es gibt keine sicheren Reaktoren, und es gibt vor allem kein Endlager für atomare Abfälle. Ein Wassereinbruch in einem der sogenannten Endlager und ein massives Austreten von Radioaktivität aus Atommüllfässern hätten fatale Folgen. Nun hat auch der Bundestag einen Untersuchungsausschuss zu Gorleben eingerichtet. Meine Damen und Herren, wo ein Untersuchungsausschuss ist, da ist die Hessen-CDU nicht weit, in dem Fall vermutlich in der Gestalt von Heinz Riesenhuber.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Klima vergiften und Schaden anrichten, das ist Ihre Form der Nachhaltigkeit. Ihre Landesregierung stellt wirklich täglich unter Beweis, dass sie bereit ist, gegen Mehrheiten in der Bevölkerung zu agieren.Aber in der Energiefrage, in einer so entscheidenden Frage für die nächsten Jahre und Jahrzehnte, da berufen Sie sich auf angebliche Stimmungen in der Bevölkerung, die Sie mit Ihren Kampagnen gegen die sogenannten Windkraftmonster schüren – Herr Stephan, als ob sich Kühltürme so unheimlich schön in die Landschaft einfügen würden.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Meine Damen und Herren, das wirklich Erfreuliche ist, dass Ihre Desinformationskampagnen mittlerweile ziemlich ohne Erfolg bleiben. Erst letzten Sonntag hat eine Bürgerbefragung in Freiensteinau ein klares Ergebnis gebracht: Fast zwei Drittel der Befragten stimmten für den Bau neuer Windkraftanlagen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Gerade heute geht der erste Hochseewindpark vor der Insel Borkum in Betrieb. Anstatt solche Vorstöße zu unterstützen, ziehen Sie sich auf Ihre klägliche Nachhaltigkeitsstrategie zurück und suchen jetzt – ich habe das nachgeschaut – Bürgerinnen und Bürger mit einem CO2-armen Lebensstil, die sich in einer virtuellen „CO2mmunity“ zusammenschließen. Auf einer Homepage kann

man dann per Mausklick eine Selbstverpflichtung eingehen. Dort verspricht man unter anderem: „Wo immer möglich, bewege ich mich klimafreundlich zu Fuß, mit dem Fahrrad, in Fahrgemeinschaft oder mit Bus und Bahn.“ Es ist nur schade, dass die Landesregierung alles dafür tut, dass das an vielen Orten eben nicht möglich ist.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Dann verspricht man noch, eher zu duschen als zu baden, um so Wasser einzusparen, und seinen Urlaub bevorzugt an nahe gelegenen Zielen zu verbringen, um dadurch Flugreisen zu vermeiden.

(Peter Stephan (CDU): Urlaub in Hessen!)

Meine Damen und Herren, da ist die Landesregierung ganz besonders glaubhaft, wo sie dem Flughafenbetreiber noch eine Auszeichnung für Nachhaltigkeit verliehen hat. Erst den Flughafen ausbauen und dann die Leute anhalten,weniger zu fliegen,das ist wirklich eine tolle Strategie.

(Beifall bei der LINKEN)

Für diese Verpflichtung wollen Sie 10.000 Menschen gewinnen, wohlgemerkt: von 6 Millionen Hessinnen und Hessen. Das sind ganze 0,17 %. Aber beim Klimaschutz sind Ambitionen Ihre Sache nicht.

(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Das zeigt auch Ihr halbherziges Vorhaben, bis zum Jahr 2020 einen Anteil von 20 % erneuerbaren Energien zu erreichen, ohne Verkehr versteht sich, weil Sie sich sonst mit der Automobilindustrie und dem Flughafenbetreiber anlegen müssten. Wie Sie diese wenig ehrgeizigen 20 % erreichen wollen, bleibt Ihr Geheimnis.

Ihre Kampagne zur Gewinnung von 100 hessischen Unternehmen beschränkt sich darauf, Firmen zu finden, die ohnehin schon aus wirtschaftlichen Gründen versuchen, Energie einzusparen. Denen wollen Sie im Nachhinein eine Nachhaltigkeitsurkunde umhängen. Frau Ministerin, ich kann nur feststellen: Außer zugegebenermaßen sehr aufwendigen Homepages produzieren Sie in der Klimafrage das, was wir am wenigsten brauchen, nämlich vor allem viel heiße Luft.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Meine Damen und Herren, wir brauchen eindeutigen Vorrang für erneuerbare Energien.Deshalb sollte sich die Landesregierung auf der Bundesebene für eine Förderung nicht nur von Solarenergie, sondern auch für Windenergie und Geothermie einsetzen. Dieser Vorrang muss auch gegen die Interessen anderer durchgesetzt werden. Durch Gesetze müssen Immobilienbesitzern Auflagen zur energetischen Sanierung erteilt werden und in der Raumplanung eindeutige Vorgaben gemacht werden. Vorrang für erneuerbare Energien heißt auch: Vorrang für dezentrale Energiegewinnung gegenüber Großkraftwerken.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So ist es!)

Der Vorteil von Sonne, Wind und Wasser ist, dass sie fast überall vorhanden sind. Damit sparen wir lange Transportwege, bei denen viel Energie verloren geht. Energieversorgung ist ein Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Deshalb gehört sie in die öffentliche Hand, unter demokratische Kontrolle. Deswegen müssen wir darüber nach

denken, wie wir den Kommunen die Möglichkeit geben können, ihre Stadtwerke zu rekommunalisieren.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schluss.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich komme zum Schluss. – Wir werden den Gesetzentwurf der SPD unterstützen, genauso wie wir die kommenden Mobilisierungen gegen eine rückwärtsgewandte und von Konzernen gesponserte Politik unterstützen werden. Die Umzingelung des Kernkraftwerks Biblis am letzten Samstag war ein richtiger Schritt und hat gezeigt, dass die Menschen sehr wohl wissen, dass eine zukunftsorientierte Energiepolitik ganz anders aussieht als das, was Schwarz-Gelb hier betreibt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) und Horst Klee (CDU))

Das Wort hat Herr Abg. Sürmann für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Wissler, an Polemik und Ideologie lassen Sie überhaupt nichts mehr aus. Bloß weiß inzwischen überhaupt keiner mehr, worüber wir hier reden. Der Gesetzentwurf der SPD beschäftigt sich zum einen mit der Änderung der Raumplanung, mit dem Landesplanungsgesetz, zum Zweiten mit dem Energiegesetz und zum Dritten mit der Hessischen Bauordnung, in die Sie etwas einfügen wollen, mit dem wir uns nicht so ganz einverstanden erklären können.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Görig, aber auch Sie haben in einer recht ideologischen Art und Weise hier Ihren Vortrag gehalten, ohne beim Thema zu bleiben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei der SPD)

Herr Kollege Görig,Sie tun mit Ihrem Gesetzentwurf und auch in Ihren Ausführungen so, und Sie vermitteln dies auch der gesamten Bevölkerung – dass Frau Kollegin Wissler das tut, bin ich gewöhnt, aber dass Sie das tun, bin ich eigentlich nicht gewöhnt –, als ob erneuerbare Energien keinen Vorrang in der Planung hätten. Das ist, gelinde gesagt, Quatsch.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD): Haben Sie sich mit Herrn Stephan abgestimmt? Herr Stephan hat das Gegenteil gesagt!)

Wir haben eine bundesrechtliche Regelung, nämlich das Bundesbaugesetz, und da gibt es für das Bauen im Außenbereich einen § 35. Dort wird enumerativ aufgezählt, wel

che erneuerbaren Energien wie Windkraft und ähnliche Dinge im Außenbereich tatsächlich privilegiert sind. Wenn wir über Landesplanung reden, dann reden wir über Vorrangplanung, damit wir die Windkraft eben nicht überall dort haben, wo wir sie vielleicht nicht haben wollen,nämlich vielleicht gerade nicht,wie es Frau Hammann ausgeführt hat, im Nationalpark Kellerwald oder auf der Bergstraßenkette im Odenwald. Dort wollen wir sie dann nicht haben. Dafür brauchen wir eine Landesplanung.Alles andere, was Sie dort hineingeschrieben haben, ist – Entschuldigung – eine Überregulierung und passt nicht zum Thema.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Echte Experten!)

Da kommt nämlich tatsächlich die Ideologie von Hermann Scheer heraus, Ihrem designierten Umweltminister unter einer Eventualregierung Ypsilanti.

Ich darf einmal aus der „FAZ“ vom 15.04. zitieren. Dort gibt es einen netten Kommentar. Dieser nennt sich in der Überschrift „Scheers Imperium“,geschrieben von Günter Ederer, der immerhin ein bekannter Wirtschaftspublizist und Filmproduzent ist.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meistens bezahlt von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft!)

Zu dem Thema Sonnenenergie und zu dem was Herr Scheer mit seiner Eurosolar so macht, schreibt er: „Dass die Verbraucher heute schon mit mehr als 80 Milliarden c die Solarenergiebesitzer finanzieren müssen, ist ihm egal. Genauso wie die 150.000 c, mit denen ein Arbeitsplatz in der Solarwirtschaft subventioniert wird.“

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sagen Sie doch etwas zu den Subventionen in der Atomwirtschaft!)