Protocol of the Session on March 4, 2009

Ich möchte eine weitere Bemerkung machen, Frau Ministerin, denn auch das haben Sie angesprochen. Ich glaube, dass das die falsche Perspektive ist. Ich will das wiederholen und auch als Replik auf den Kollegen Bauer sagen, weil er die Pressemeldung des geschätzten Exkollegen Turgut Yüksel – für mich ist er immer noch ein Kollege – angesprochen hat. Turgut Yüksel und ich sind in dieser Frage unterschiedlicher Auffassung, weil wir unterschiedliche Perspektiven einnehmen. Das haben wir ausgetragen. Das werden wir auch weiterhin ganz ruhig und ganz solidarisch tun. Auch wir sind bei diesen Fragen in der Lage, Mehrheiten zu bilden und Entscheidungen zu fällen.

Ich glaube aber – das will ich noch einmal sagen –, dass es ein Fehler ist, zu einem Dreh- und Angelpunkt der Diskussion zu machen, ob es uns mit der Einführung eines islamischen Religionsunterrichts an unseren Schulen gelingt oder gelingen soll, den Koranschulen das Wasser abzugraben. Ich will einmal eine Analogie nehmen. Der christliche Bekenntnisunterricht an unseren Schulen wird auch nicht deswegen durchgeführt, um den Konfirmations- oder den Kommunionunterricht oder den Jeschiwaschulen das Wasser abzugraben, sondern die eigenverantwortliche religiöse Unterweisung ihrer Angehörigen

(Zuruf des Abg.Alexander Bauer (CDU))

im Rahmen der geltenden Gesetze, natürlich; ja was denn sonst, für was halten Sie uns denn? – im Rahmen der geltenden Gesetze ist das selbstverständliche, das verfassungsrechtlich garantierte Recht der Religionsgemeinschaften auf Regelung ihrer internen Verhältnisse. Ich glaube, dass es im Praktischen ein Beitrag dazu sein wird. Ich sage nur, die Zielsetzung so zu formulieren, halte ich aus diesen Gründen für problematisch.

Jetzt möchte ich noch einen letzten Satz zu dem sagen, was Sie angesprochen haben, Herr Kollege Bauer. Ich habe in keiner Presseerklärung bestritten, dass es Parallelgesellschaften gibt. Das war Ihre Interpretation in der Presseerklärung von CDU und FDP. Was ich gesagt habe und wozu ich stehe, ist, dass der Begriff der Parallelgesellschaften mehr verdeckt, als er offenlegt, und dass nicht jede Unterhaltung in Türkisch auf einem Schulhof Ausdruck von Parallelgesellschaft ist,

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

sondern dass wir genau hinschauen müssen, welche problematischen Erscheinungen es gibt, auch in dem muslimischen Teil unserer Gesellschaft – nicht nur dort, aber auch dort –, was sich dort konkret abspielt, um das präzise Mittel für die Behebung eines gegebenenfalls bestehenden Missstandes zu finden.

Das ist das, was ich gesagt habe. Das ist insbesondere auch das, was ich gemeint habe. Alles andere ist böswillige Interpretation. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Merz.

Bevor ich Herrn Wagner das Wort erteile, darf ich einer großen Ehre nachkommen. Ich begrüße sehr herzlich auf der Zuschauertribüne Seine Exzellenz, den rumänischen Außenminister Cristian Diaconescu. Er ist Gast im Hessi

schen Landtag, an seiner Seite Herr Präsident Kartmann. Seien Sie uns herzlich willkommen, gute Gespräche für Sie und viel Erfolg für Ihre Reise.

(Allgemeiner Beifall)

Dann geht es in der Tagesordnung weiter. Herr Wagner, Sie haben das Wort. Fünf Minuten Redezeit.

(Zuruf der Ministerin Dorothea Henzler)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Frau Ministerin rief mir gerade zu: nur freundliche Sachen! – Frau Ministerin, daran will ich mich Ihnen gegenüber halten. Wir unterstützen Sie heute mit unserem Antrag.

Ich will drei Anmerkungen machen.Wenn wir heute über die Einführung eines islamkundlichen oder eines Religionsunterrichts in Islam an Schulen reden, muss man auch über das Verhältnis von Kirche und Staat reden und darüber, wie sich Religionsunterricht zur Trennung von Kirche und Staat in unserem Land verhält. Das ist eine Debatte, die in allen Parteien geführt wird, wozu es sehr differenzierte Positionen in allen Parteien gibt, so auch in meiner Partei.

Allerdings muss man feststellen, diese Frage ist bis auf Weiteres entschieden – es hilft ein Blick in das Grundgesetz, es hilft ein Blick auf das Konkordat –, sodass sich diese Frage in dieser aktuellen Debatte des Landtags nicht stellt. Die Frage, die sich stellt, ist die nach Gleichbehandlung der Religionsgemeinschaften.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Wenn es so ist, dass wir evangelischen und katholischen Religionsunterricht an unseren Schulen haben, dann ist es ein Gebot der Gleichbehandlung und der Glaubensfreiheit, dass es auch Islamunterricht an unseren Schulen in Hessen gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt wird es spannend: Wie kommen wir dorthin? Es wurde vonseiten der Ministerin und von CDU und FDP gesagt:Wir brauchen einen Ansprechpartner, mit dem wir eine vergleichbare Vereinbarung wie mit den christlichen Kirchen zur Einführung eines islamischen Religionsunterrichts treffen können.

Meine Damen und Herren, das ist ausdrücklich richtig. Die Frage ist nur, mit welchem Ziel man dieses Argument benutzt. Benutzt man dieses Argument im ehrlichen Willen, zu einer Lösung zu kommen, im ehrlichen Willen, einen islamischen Religionsunterricht an unseren Schulen einzuführen, oder benutzt man dieses Argument weiter, um die Linie von Herrn Irmer und der damaligen Kultusministerin, Frau Wolff, fortzusetzen, dass man nichts tun muss?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Florian Rentsch (FDP): Na, na, na!)

Das ist die entscheidende Frage. Es spricht auch Bände, dass Herr Irmer an dieser Debatte überhaupt nicht teilnimmt, seit sie begonnen hat.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Kleinstes Karo! – Florian Rentsch (FDP):Unkollegial! – Weitere Zurufe von der CDU)

Das ist die entscheidende Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Benutzt man das Argument, weil man etwas erreichen will, oder benutzt man es, weil man nichts tun will?

(Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Bellino, was machen wir, wenn es uns nicht gelingt, einen solchen Ansprechpartner zu finden? Da ist die ganz klare Position: Dann brauchen wir einen islamkundlichen Unterricht an unseren Schulen – genau in dieser Reihenfolge.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das sagen wir doch!)

Herr Kollege Wagner, wenn Sie dazwischenrufen: „Das sagen wir doch!“ – für diesen Zwischenruf bin ich Ihnen sehr dankbar –,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Im Koalitionsvertrag! Sagen Sie etwas Neues!)

wenn das so eindeutig ist, dann bitte ich Sie, dem folgenden Antrag meiner Fraktion zuzustimmen. Er hat den folgenden Wortlaut: „Der Landtag begrüßt nachdrücklich das Vorhaben der Landesregierung, islamischen Religionsunterricht bzw. islamische Religionskunde als Unterrichtsfach an den Schulen einzuführen.“ Wenn Sie so eindeutig in Ihrer Position sind,dann können Sie einem Antrag einer Oppositionsfraktion,der die Regierung lobt, zustimmen. Mehr Zustimmung können Sie von uns nicht erwarten. Mehr wird es auch nicht geben. Der nächste Schritt ist, dass wir die Regierung selbst stellen.

(Lachen bei der CDU und der FDP – Axel Winter- meyer (CDU): Die Hoffnung stirbt zuletzt!)

Aber mehr als das, dass eine Oppositionsfraktion sagt, sie unterstützt die Landesregierung, kann es nicht geben. Wenn Sie wirklich inhaltlich kein Problem damit haben, dann können Sie jetzt bei der folgenden Abstimmung zeigen, dass auch Sie Frau Kultusministerin Henzler auf diesem Weg unterstützen.Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tun es.Frau Ministerin,viel Erfolg.Setzen Sie diesen Weg durch. Setzen Sie es um. Unsere Unterstützung haben Sie. Wir helfen gern, sollte es Probleme in der Koalition geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren,es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Zur Geschäftsordnung hat Herr Wintermeyer das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben einen Entschließungsantrag und drei normale Anträge vorliegen. Ich darf durchaus noch einmal die Antragsteller des Entschließungsantrages bitten, dass wir den Entschließungsantrag mit den anderen Anträgen zur weiteren Beratung in den Ausschuss geben. Wenn diese Mög

lichkeit nicht gegeben ist, würde ich jetzt schon beantragen,dass wir über alle Anträge hier und heute abstimmen.

Hintergrund ist, dass „der Landtag begrüßt“, „der Landtag begrüßt“, „der Landtag beauftragt, zu prüfen“, „der Landtag bittet, zu lösen“ – so heißt es in den Anträgen am Anfang. Dann können wir auch gleich alle Anträge abstimmen. Meine Bitte, die grüne Fraktion kann sich dazu äußern, ansonsten stimmen wir alle gleich hier ab.

Herr Wagner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Ich habe mich zum Geschäftsordnungsantrag von Herrn Kollegen Wintermeyer zu Wort gemeldet. Herr Kollege Wintermeyer, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass nach unserer Geschäftsordnung ein Entschließungsantrag nicht gegen den Willen der Fraktionen an den Ausschuss überwiesen werden kann. Meine Fraktion will, dass dieser Entschließungsantrag heute hier abgestimmt wird.

Herr Kollege Wintermeyer, zum zweiten Teil Ihres Antrages, dass Sie auch die anderen Anträge sofort abstimmen wollen, haben Sie, was Ihren Antrag angeht, selbstverständlich jedes Recht dieser Welt.

(Axel Wintermeyer (CDU):Vielen Dank!)

Ich weise nur darauf hin, dass Sie auch für einen Antrag der Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie sprechen und dass es in diesem Haus absolut unüblich ist, gegen den Willen einer antragstellenden Fraktion einen Antrag sofort abzustimmen. Herr Kollege Wintermeyer, das alles zeigt, dass Sie keinen souveränen Umgang mit diesem Thema haben. Wenn Sie mit Mehrheit die sofortige Abstimmung aller Anträge durchsetzen,dann kündige ich hiermit an – damit Sie den Kollegen Irmer informieren können –, dass wir für Ihren Antrag die namentliche Abstimmung beantragen werden. Ich gehe davon aus, dass Kollege Irmer zur namentlichen Abstimmung dann auch anwesend sein wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Ich sage das aus kollegialen Gründen jetzt, damit Sie sich darauf vorbereiten können.

Unser Antrag soll sofort abgestimmt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Danke, Herr Wagner. – Zur Geschäftsordnung, Herr Rudolph.