Meine sehr geehrten Damen und Herren, kulturelle Bildung befähigt uns zu einem selbstbestimmten Leben. Um den Zugang zur kulturellen Bildung zu erreichen, ist die
Kostenfreiheit bei den Landesmuseen und auch den Staatstheatern natürlich ein Teil. Er ist notwendig, aber er ist nicht hinreichend.Auch darüber haben wir heute in der Debatte schon vieles gehört.
Er ist nicht hinreichend, weil wir eine aktive Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur benötigen. Deswegen müssen wir nicht nur darüber reden, dass wir den Zugang zu Bildung so öffnen, dass alle kulturelle Einrichtungen besuchen können, sondern wir müssen auch darüber reden, dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass am Ende alle Kinder und Jugendlichen diese Einrichtungen auch besuchen wollen.
Ich denke, da kann man der Fraktion DIE LINKE durchaus dankbar sein, dass sie diesen Antrag eingebracht hat, der es uns zumindest ermöglicht, im Ausschuss über ein Gesamtpaket zu diskutieren. Ich denke auch – das haben einige der Vorredner schon deutlich gemacht –, dass ein Gesamtpaket notwendig ist. Wir können dieses Thema nicht aus einer rein ökonomisierten Betrachtungsweise heraus beurteilen. Hier greift der Antrag noch zu kurz, da es nicht nur um die anfallenden Kosten geht. Wir brauchen mehr kulturelle Bildung, auch in den Schulen. Der Stellenwert in den Schulen, was Museums- und Theaterbesuche angeht, muss entsprechend erhöht werden.
Wir müssen uns aber auch darüber Gedanken machen, wie wir nicht nur die Kinder und Jugendlichen in die Museen, sondern die kulturelle Bildung auch in die Schulen bekommen, und das unter dem Aspekt, dass viele Kinder und Jugendliche in Hessen im ländlichen Raum und eben nicht im Ballungsraum leben. Dann kommen noch die Fahrtkosten hinzu. Deshalb müssen wir uns überlegen: Wie können wir Museumspädagogen an die Schulen holen? Wie können wir es erreichen, dass mehr Schauspieler Zeit haben, Schulen zu besuchen? Denn es wird sicherlich notwendig sein, dass die Kultur zu den Menschen gebracht wird und nicht nur die Menschen zur Kultur.Auch diesen Aspekt dürfen wir in der Auseinandersetzung nicht vernachlässigen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesem Antrag, den wir als SPD-Fraktion unterstützen, können wir – davon sind wir überzeugt – einen notwendigen Beitrag dazu leisten. Wir benötigen aber auch noch eine Diskussion im Ausschuss. Deswegen kann der Antrag als ein erster Schritt hin zu einem anderen Verständnis von Kultur und Bildung gesehen werden, das sich am Menschen orientiert, dem sich die ökonomische Verwertbarkeit unterzuordnen hat, das die geistige Unabhängigkeit und Selbstbestimmung des Einzelnen wieder in den Blick nimmt. – Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht bei diesem Antrag um ein wichtiges Thema, nämlich die Förderung kultureller Bildung
von Kindern und Jugendlichen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass alle Fraktionen sehr differenziert darüber diskutiert haben; denn es gibt in der Tat keine einfache Lösung. Es ist nicht damit getan, einfach keinen Eintritt zu nehmen, sondern es gehört viel mehr dazu, Kindern eine kulturelle Bildung zu ermöglichen.
Frau Sorge hat eben schon ausgeführt – was vollkommen richtig ist –, dass es im kulturellen, musischen, Tanz- und Theaterbereich auch viele Privatinitiativen gibt. Herr Dr. Müller hat darauf hingewiesen, dass die einzelnen kulturellen Angebote durch diese Differenzierung besser wahrgenommen werden können.
Zunächst einmal möchte ich darstellen, dass es bei den Einrichtungen des Landes Hessen durchaus unterschiedliche Auffassungen zu dem Thema gibt. Die Museumslandschaft Hessen Kassel ist bereits genannt worden. Seit 2007 ist der Eintritt für Kinder und Jugendliche frei. 45.000 Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres haben allein im letzten Jahr die Ausstellungen der Museumslandschaft Hessen Kassel bei freiem Eintritt besucht. In Darmstadt ist es etwas anders. Dort besteht bis zum vollendeten 6. Lebensjahr freier Eintritt. Da wir eben über die Schulen geredet haben: Schulklassen haben generell freien Eintritt in die hauseigenen Ausstellungen aller hessischen Landesmuseen. Es gibt also die Möglichkeit, dorthin zu gehen.
Das ist es aber nicht allein. Am Ende müssen die Maßnahmen, um gerade Kinder aus bildungsfernen Schichten mit speziellen Angeboten in die Museen zu holen, auch bezahlt werden. Das heißt, aus der Museumspädagogik und den Etats der Landesmuseen werden Theatereinrichtungen bezahlt, die in den Museen dafür sorgen, dass der Zugang für jeden möglich ist. Dieses Angebot nehmen auch viele Schulen aus benachteiligten Stadtteilen gerne in Anspruch. Es handelt sich dabei um diejenigen Kinder, die zum ersten Mal in ihrem Leben die Schwelle zu einem Museum übertreten und danach ihren Eltern sagen: Dahin wollen wir wieder gehen.– Sie werden die zukünftigen Besucher sein, die am Ende sagen: Es war schön, im Museum zu sein; dort gibt es jedes Mal etwas Neues zu sehen.
Genau dasselbe gilt für die Theater. Ich will darauf hinweisen, dass nicht nur die Gruppe der Kinder und Jugendlichen angesprochen werden muss, sondern es gibt auch noch die Studierenden.Das Staatstheater Darmstadt hat eine besondere Kooperation mit den beiden Hochschulen in der Stadt geschlossen. Die Studierenden und der AStA haben über eine besondere vertragliche Vereinbarung für einen günstigen Eintritt für Studierende in das Staatstheater gesorgt. Die Eröffnungs- und Begrüßungsveranstaltungen finden dort statt. Das ist ein Weg, damit Studierende, die neu in einer Stadt sind, zum ersten Mal die Schwelle zum Theater übertreten. Sie sind am Ende die Nutzer der Veranstaltungen dort.Dabei gibt es großen Zuwachs. Dieses Modell findet bundesweit Beachtung und Nachahmung. Man kann nur sagen: Es ist toll gelungen, so die Studierenden, bei denen die kulturelle Bildung für die Zukunft auch gelingen muss, in die Theater zu führen.
Es gibt viele Initiativen. Ich will darauf hinweisen, dass sich der Hessische Museumsverband, der heute schon genannt worden ist, sehr differenziert dazu geäußert hat, was den freien Eintritt angeht. Es gibt nämlich viele Heimatmuseen – Herr Dr. Müller hat es ausgeführt – und örtliche Museen mit relativ hohen Besucherzahlen. Der Zu
gang zu Einrichtungen und Museen erfolgt nicht zuerst über die großen Einrichtungen, sondern das geschieht über die Heimatmuseen und örtlichen Museen.
Frau Kollegin Gnadl, selbstverständlich ist der Zugang in den meisten Fällen auch für Schulklassen zu erreichen, ohne dass man weite Strecken in Kauf nehmen muss.Vor Ort gibt es genügend Einrichtungen. Diese privat betriebenen Museen sind dringend auf die Einnahmen angewiesen. Für sie sind 50 Cent oder 1 c wichtig, um ein Museum in der Größe weiter betreiben zu können. Daher sind sie dagegen, von staatlicher Seite aus einen freien Eintritt festzulegen. Der Hessische Museumsverband ist da etwas differenzierter unterwegs und sagt: Wir müssen andere Angebote machen und es den kleinen Museen selbst überlassen.
Ich will ein Beispiel nennen, das Sie alle kennen: das Mathematikum der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Hier werden 4 c ermäßigter Eintritt von Kindern und Jugendlichen erhoben. Von diesen Eintrittsgeldern werden besondere Angebote für Kinder und Jugendliche gemacht. Die Besucherzahlen sind enorm. Sie sehen Schlangen vor dem Museum in Gießen. Die Frage ist, ob man von dem Geld, das dort erhoben wird, ein solches kulturelles Angebot machen kann, das am Ende der richtige Weg ist – für dieses Museum hat es sich jedenfalls so herausgestellt –, um die kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen nach vorne zu bringen.
Es gibt keine alleinige Lösung. Ich finde es wichtig, weiter darüber zu diskutieren, wie man Kinder und Jugendliche an kulturelle Bildung heranführt. Das geht nur mit Begleitung und Differenzierung. Ich bin gerne bereit, im Ausschuss mit den Fraktionen darüber zu reden, welche Vorschläge es noch gibt, um das voranzutreiben. Die theater- und museumspädagogische Arbeit der Einrichtungen ist dazu sicher geeignet. Ich würde mir wünschen, mit solchen Maßnahmen auch mehr Privatinitiativen zu unterstützen, damit Kinder und Jugendliche am Ende die zukünftigen Nutzer der kulturellen Szene sind.
Große Anfrage der Abg. Cárdenas, Schaus (DIE LINKE) und Fraktion betreffend Abschiebungen im Jahr 2008 – Drucks. 18/1818 zu Drucks. 18/1117 –
Ich hole nur etwas. Das letzte Mal habe ich vergessen, das Kärtchen abzugeben, jetzt habe ich meine Rede vergessen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz etwas zum Hintergrund unserer Großen An
frage erläutern.Wir alle wissen, welche menschlichen Tragödien sich bei manch einer Abschiebung abspielen. Wir wissen auch, dass Abschiebungen möglicherweise rechtens sind, dennoch nicht gerecht sein müssen. Wir wissen, dass seit der faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl 1993 ein Asylbewerber geradezu vom Himmel fallen muss, um eine Chance auf Aufnahme zu haben.
Auch das Zuwanderungsgesetz 2005 ist von Flüchtlingsabwehr und Integrationsverhinderung geprägt. DIE LINKE dagegen fordert, wieder ein grundlegendes Asylrecht im Grundgesetz herzustellen.
Ebenso fordern wir, dass die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention uneingeschränkt gelten und die UN-Kinderrechtskonvention vollständig umgesetzt wird.
Vor genau diesem Hintergrund stellt DIE LINKE im Bundestag und in den Länderparlamenten jedes Jahr Anfragen nach den aktuellen Zahlen und Verfahren zur Abschiebung. Diese fallen in dieser Antwort zu Hessen recht dürftig aus, weil immer wieder auf Bundesdaten verwiesen werden muss.
Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen aus der Beantwortung unserer Großen Anfrage nennen. Aus ihnen geht hervor, dass 2008 auf dem Land- oder Luftweg 8.394 Menschen aus Deutschland abgeschoben wurden. Der leichte Rückgang der Zahl der Abschiebungen gegenüber 2007 ist ein Ergebnis der gesamteuropäischen Abschottungspolitik. Die Abschiebungen auf dem Luftweg fanden 2008 in großem Umfang nach Griechenland und in das Kosovo statt: 116 nach Griechenland, 274 in das Kosovo. Auf die Abschiebepraxis in diese beiden Länder möchte ich gleich eingehen, da seitens des Innenministeriums in der Antwort unser Vorwurf einer inhumanen Abschiebepraxis zurückgewiesen wird.
Ich frage Sie: Wie human ist es, kranke Menschen abzuschieben, die die notwendigen Medikamente nicht werden bezahlen können? Die Landesregierung konnte sich im Unterschied zur Regierung in Rheinland-Pfalz bisher noch nicht einmal zu einem Erlass durchringen, der den Betroffenen die Auszahlung eines einmaligen Handgeldes für Verpflegung und Fahrtticket gewährt. 64 Personen wurden von hessischen Ausländerbehörden in Begleitung von medizinischem Personal abgeschoben. Das heißt, diese Menschen waren krank. Aber es lag eine Flugtauglichkeitsbescheinigung vor, in der eventuell die dringend benötigten Medikamente erwähnt wurden.
Ein Abschiebehindernis seien Erkrankungen jedoch nicht, denn sie könnten auch im Herkunftsland behandelt werden – so schildert es der zweite Jahresbericht der Abschiebebeobachtung des Evangelischen Regionalverbandes am Flughafen Frankfurt.Dazu ist zu sagen:Falls es die nötigen Medikamente dort überhaupt gibt, sind sie teuer und auch von den Abgeschobenen nicht zu bezahlen, schon gar nicht als Dauermedikation.
Es kommt auch zur Abschiebung von Menschen mit posttraumatischem Belastungssyndrom. Oft bricht die Krankheit erst aus, wenn der Druck einer Abschiebung und die Angst vor der Begegnung mit dem Ort und möglicherweise mit den Tätern einer Menschenrechtsverletzung akut werden. Therapien gibt es im Kosovo für viele Krankheiten überhaupt nicht, schon gar nicht für Roma. Dennoch wird abgeschoben. Das meinen wir, wenn wir von inhumaner Abschiebepraxis sprechen.
Über das Verbot der Abschiebung steht in § 60 des Aufenthaltsgesetzes: „Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter... unterworfen zu werden.“ – Diesem Grundsatz müssen wir im Umgang mit Flüchtlingen gerecht werden. Die Bundesländer haben dabei die Entscheidung, ob sie in Folterstaaten wie Togo oder Iran abschieben. Im Januar-Plenum – Sie erinnern sich – unterstützten wir von der LINKEN den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nach einem Abschiebestopp für Iran.Auch andere Bundesländer, wie SchleswigHolstein, Rheinland-Pfalz und Hamburg, sprachen sich dafür aus, auf Abschiebungen in den Iran zu verzichten. Leider verfügte der hessische Innenminister keine Aussetzung der Abschiebung von Flüchtlingen in den Iran aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen. Genau das ist unserer Erachtens Ausdruck einer inhumanen Abschiebungspraxis.
Ich komme zu den Abschiebungen auf dem Luftweg nach Griechenland im Jahr 2008. Sowohl Flüchtlingsverbände als auch DIE LINKE lehnen Abschiebungen nach Griechenland nach der Dublin-II-Verordnung ab, da dort zurzeit kein faires Asylverfahren gewährleistet werden kann. Einstweilen verhindern auch bundesweit zahlreiche verwaltungsgerichtliche Entscheidungen den Vollzug von Rückführungen dorthin, z. B. die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main, das im Juli 2009 das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verpflichtete, ein Asylverfahren für einen aus Griechenland kommenden iranischen Asylbewerber durchzuführen. Gegen Griechenland-Rückführungen kann man also klagen – vorausgesetzt, die Betroffenen sind anwaltlich gut vertreten und müssen nicht mit gegebenenfalls nächtlicher unangekündigter Abschiebung rechnen. Ein Abschiebestopp nach Griechenland wäre konsequent, wird aber weiterhin vom Innenministerium verweigert. Das nennen wir eine inhumane Abschiebungspraxis.
Schleswig-Holsteins Justizministerium hat im Februar einen Erlass zu Griechenland herausgegeben. Darin steht, dass den von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen Betroffenen der geplante Rückschiebungstermin künftig mindestens sieben Tage vorher anzuzeigen ist.Dieses Verfahren soll ausdrücklich dazu dienen, dass Betroffene bzw. ihre Anwälte rechtzeitig Rechtsschutz bei Verwaltungsgerichten in Schleswig-Holstein beantragen können. Ich halte das zwar nicht für eine Lösung des Problems, aber es ist zumindest ein erster Schritt.
Ich möchte noch auf die Abschiebung in den Kosovo eingehen, mit dem die Bundesrepublik ein Rückübernahmeabkommen geschlossen hat. Im Kosovo werden die Menschenrechte fundamental verletzt, zumindest für kosovarische Staatsangehörige, die zur Volksgruppe der Roma oder zu anderen Minderheiten gehören. Für sie liegen die Duldungsvoraussetzungen nun nicht mehr vor, und sie können abgeschoben werden. Roma-Familien, die trotz langjährigen Aufenthalts nicht unter die Bleiberechtsregelung fallen,gibt es viele.In Deutschland leben ca.23.000 Menschen seit zehn Jahren und länger hier.In Hessen lebten im letzten Jahr 283 ausreisepflichtige Roma. 97 davon waren unter 18 Jahre alt.
Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl und Amnesty International sind einhellig der Meinung, dass die
Menschenrechtslage im Kosovo für die Roma-Minderheit nach wie vor äußerst problematisch ist. Auch die soziale Situation ist insgesamt gesehen erbärmlich. Die meisten leben von weniger als 1 US-Dollar pro Tag, also in purer Armut. Vom sozialen Sicherungssystem und vom Gesundheitssystem sind die Roma ebenfalls ausgeschlossen. Selbst wenn sie sich registrieren lassen könnten, könnten sie sich die Medikamente nicht leisten. Das untermauert auch die Rechtsberaterkonferenz der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die mit den Wohlfahrtsverbänden und dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen zusammenarbeitet. Ich zitiere aus ihrer Resolution vom Mai 2009:
Auch nach der Unabhängigkeit des Kosovo gibt es dort für Rückkehrer aus der Volksgruppe der Roma keine soziale Infrastruktur, die ein Überleben unter menschenwürdigen Bedingungen sicherstellen könnte. Ein Arbeitsmarkt, der ein Erwerbseinkommen ermöglichen würde, existiert nicht. Humanitäre Mindeststandards hinsichtlich Wohnen, Bildung und Gesundheitsversorgung sind für die jetzt noch im Kosovo lebende Roma-Bevölkerung durchweg nicht gesichert.