Protocol of the Session on March 4, 2010

Eigene Verfehlungen werden abgestritten; andere Leute werden beschimpft. Das ist doch geradezu abenteuerlich. Auch noch die richterliche Unabhängigkeit zu bemühen, wenn man sich aus der Verantwortung für das eigene Verhalten stehlen will, disqualifiziert sie ein weiteres Mal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN – Günter Rudolph (SPD): Das ist dreist! – Axel Wintermeyer (CDU): Mein lieber Mann!)

Niemand hätte Frau Wolski 2004 in den Staatsgerichtshof gewählt,wenn man damals schon gewusst hätte,was heute bekannt ist. Niemand in Hessen versteht, warum Frau Wolski nicht längst die notwendigen Konsequenzen gezogen hat. Lesen Sie Zeitung, sprechen Sie mit Journalisten, und fragen Sie die Menschen auf der Straße: Niemand versteht das. Ich bin sicher, auch diejenigen, die sie in diesem Haus noch wortreich verteidigen, verstehen nicht, dass sie nicht längst die Konsequenzen gezogen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Die einzige Möglichkeit, weiteren Schaden vom Staatsgerichtshof abzuwenden, ist der Rückzug einer untragbar gewordenen Richterin. Frau Wolski sollte zumindest so viel Anstand aufbringen, das endlich einzusehen und die Konsequenzen zu ziehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Jürgens. – Das Wort hat Herr Abg. Honka, CDU-Fraktion.

(Günter Rudolph (SPD): Er muss das jetzt vertreten! – Weitere Zurufe von der SPD)

Frau Fuhrmann, ich sitze in der dritten Reihe, nicht in der vierten. Es ist relativ einfach, die Reihen zu zählen – wenn man zählen kann.

(Fortgesetzte Zurufe von der SPD)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere drei staatlichen Gewalten, nämlich die Legislative, die Exekutive und die Judikative, sind für einen funktionierenden Rechtsstaat unabdingbar. So, wie sich jeder Abgeordnete nicht nur von Verfassungs wegen jeglichen Einfluss auf seine Entscheidungen verbitten darf – die hessische SPD hat besondere Erfahrungen in diesem Zusammenhang –,

(Beifall bei der CDU und der FDP)

haben auch jeder Richter und jeder Staatsanwalt in unserem Land eine solche Unabhängigkeit. Auch wenn die Staatsanwälte Beamte sind – dieser Vorwurf wird immer gleich erhoben –, genießen sie nach unserer Rechtsauffassung zumindest eine richterliche Unabhängigkeit. Seitens unserer Landesregierung wird kein Einfluss auf die Staatsanwaltschaften in diesem Land ausgeübt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Bis auf einen haben das alle Justizminister in diesem Land genauso gesehen. Diesen einen Justizminister habe ich zum Glück nicht mehr miterlebt.Das war im Jahr 1997 der Kollege von Plottnitz – diejenigen, die damals schon anwesend waren, erinnern sich sicherlich daran –, heute Mitglied des Staatsgerichtshofs und immer noch Mitglied der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich aus einem Artikel in der „Welt“ vom 24. November 1997:

Jüngster Auslöser für die geharnischte Schelte der Opposition ist die Anordnung des Ministers...

(Unruhe)

Einen Moment bitte, meine Damen und Herren. Lassen Sie doch den Kollegen Honka ausreden, bevor Sie ihn beschimpfen. Dann bekommen Sie mit, warum Sie ihn beschimpfen wollen. – Herr Kollege Honka, bitte.

Ich lese gern noch einmal das komplette Zitat vor, damit jeder in voller Breite mitbekommen kann, was damals los war:

Jüngster Auslöser für die geharnischte Schelte der Opposition ist die Anordnung des Ministers, den gegen den hessischen Finanzminister Karl Starzacher... wegen Strafvereitelung im Amt ermittelnden Staatsanwalt von der weiteren Bearbeitung des Verfahrens zu entbinden.

(Zurufe von der CDU: Hört, hört!)

Das hat nicht nur bei der Opposition zu heftiger Kritik geführt, sondern auch in den eigenen Regierungsreihen Verwunderung und Irritation ausgelöst.

Umso mehr verwundert mich Ihre Reaktion im Moment.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich darf weiter zitieren:

So habe z. B. der hessische Generalstaatsanwalt Schaefer in einer Sondersitzung des Rechtsausschusses des Landtags dargelegt, dass die Entbindung Grehts unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar sei,...

So viel zu dem Thema „Unabhängigkeit der Justiz in diesem Lande“, so viel zu der Art und Weise, wie Sie damit umgehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Tarek Al-Wa- zir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was hat Herr von Plottnitz denn gemacht, Herr Honka? Er hat seine Fehler korrigiert!)

Vergessen wir dabei nicht, dass Herr von Plottnitz Partner einer Rechtsanwaltskanzlei ist, die im Zusammenhang mit den Verfahren, auf die Sie hier rekurrieren, regelmäßig im Gespräch ist. Man darf nicht vergessen, was alles zusammengehört.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das finde ich aber sehr interessant!)

Meine Damen und Herren von der Opposition, während Sie es auf unerträgliche Art und Weise für selbstverständlich halten, in die richterliche Unabhängigkeit in diesem Lande einzugreifen, muss ein Mitglied des Staatsgerichtshofs jederzeit selbst einschätzen, ob es im Gesamtzusammenhang die weitere Ausübung seines Amtes für vertretbar hält.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So ist es! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Große Not, Herr Honka!)

Ich kann für meine Fraktion eindeutig feststellen, dass wir die Gewaltenteilung in unserem Staat achten. Wir achten sie nicht nur, sondern wir verteidigen sie auch dort, wo es notwendig ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie groß die Not ist, hört man an den Zwischenrufen. Das fällt mir gerade auf. – Sie von der Opposition versuchen dagegen seit Wochen, Einfluss auf die richterliche Unabhängigkeit zu nehmen. Dies ist schäbig und eines Landtags nicht würdig.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Seit der Konstituierung dieses Landtags vor gut einem Jahr haben wir im Rechts- und Integrationsausschuss immer wieder erlebt, dass Sie versucht haben,

Einfluss auf die dritte Gewalt zu nehmen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Richtig!)

Die Beantragung dieser Aktuellen Stunde ist der Höhepunkt. Überlegen Sie sich gut, ob Sie damit unserem Rechtsstaat einen Gefallen tun.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch wenn Ihre Redezeit zu diesem Thema für heute erschöpft ist – ich sage: zum Glück –, können Sie doch Ihr Verhalten in der Zukunft ändern, um, ganz im Sinne des Titels Ihrer Aktuellen Stunde, „weiteren Schaden für das Ansehen des Hessischen Staatsgerichtshofs“ – und unseres Rechtsstaats, wie ich ergänzen möchte – „abzuwenden“. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende dieser Aktuellen Stunde. Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

(Günter Rudolph (SPD): Die Regierung schweigt! Das ist unglaublich! Jetzt kommt Herr Koch dran! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit ist diese Aktuelle Stunde beendet. – Ich rufe Tagesordnungspunkt 53 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Nachtfahrverbot, Durch- fahrverbot, Anliegerverbot – Posch in Not) – Drucks. 18/1978 –

Das Wort hat Frau Kollegin Karin Müller, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute eine Aktuelle Stunde beantragt, deren Titel auch „Die unendliche Geschichte des planlosen Agierens des Verkehrsministeriums“ sein könnte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)