Zweitens. Frau Schott, der dritte Punkt in Ihrem Antrag sagt, wir sollen doch bitte die Stadt Kassel dazu anhalten, verfassungsmäßigem Recht und Gesetz gerecht zu werden.
Dazu nochmals: Dieser Punkt hat sich erledigt. Denn die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Kassel hat beschlossen: Der Magistrat wird aufgefordert, zu prüfen, ob die derzeitige Praxis der Bewilligung von Unterkunftskosten und Leistungen zum Heizen mit diesem Gerichtsurteil in Einklang steht. Diese Prüfung soll schnellstmöglich erfolgen, sobald die Entscheidungsgründe für dieses Urteil vorliegen. Das war im Dezember 2009, also vor rund fünf Wochen.
Diesem Antrag der Stadtverordnetenversammlung hat die Mehrheit des Stadtparlaments zugestimmt – und DIE LINKE.
Jetzt kann man fragen: Sie haben doch eine solch zentralistische Organisation – hat sie hier vielleicht nicht so gut funktioniert?
Aber von unten hätte es doch funktionieren können – das hätte Ihnen ja einmal jemand aus Kassel herauffunken können.
Haben Sie jemanden aus Kassel oder aus Nordhessen bei sich in der Fraktion? Dann hätte man Ihnen von der LINKEN, Kassel, sagen können, dass es bereits unter Zustimmung der LINKEN, Kassel, einen solchen Stadtverordnetenbeschluss gibt.
Der Magistrat ist aufgefordert – der Beschluss geht weiter, wenn ich das so sagen darf –: Sollte die Prüfung zu dem Ergebnis kommen, dass die Praxis der Stadt Kassel nicht im Einklang steht, soll sie das Anerkannte verändern.
bei dem der zweite Punkt falsch ist und sich der dritte erledigt hat.Was machen wir hier denn eigentlich? So kann man es doch auch nicht machen, sobald das Wort Hartz fällt, sozusagen immer und immer wieder die Hartz-Reflexe zu aktivieren und zu sagen:Wir beißen mal, wir beißen mal. – Mittlerweile muss man ja fürchten, dass Sie bei sich in der Fraktion ein Parteiausschlussverfahren bekommen, wenn Sie einen Harzer Käse kaufen.
Wenn es Ihnen um die Sache geht, dann setzen wir uns auseinander.Willi van Ooyen, du bist schon lange auf der Piste, wenn es um die Frage geht: Wie gehen wir mit der Pauschalierung gerecht um? Wir sind beide schon lange dabei und wissen, wie diese Frage in den sozialpolitischen Kreisen diskutiert wurde.In der alten Sozialhilfegesetzgebung haben wir lange dafür gekämpft, dass dieses entwürdigende Einzelverfahren abgeschafft wird, wo man Wintermäntel, Küchenstühle und alles einzeln beantragen musste.Wir haben dafür gekämpft, dass wir eine Pauschalierung bekommen, beispielsweise bei den ALG-II-Sätzen. Wir stellen nun fest: Die sind zu niedrig. Die muss man anheben, das ist keine Frage.
Wir sind in diesem Zusammenhang natürlich dafür, dass es im Wesentlichen eine Pauschalierung gibt. Bei den Wohngeldkosten, der Unterkunft und der Heizung muss doch klar sein, dass den armen Menschen tatsächlich entstehende Kosten ersetzt werden müssen.
Richtig. – Da hat eine Pauschalierung natürlich eine gewisse Ungenauigkeit. Ich gebe Ihnen gerne ein Beispiel: Sie bekommen als Alleinstehender eine Pauschale von 200 c für Ihre Wohnung.Wenn sie aber 220 c kostet,dann sind Sie der Gekniffene.Dann müssen Sie die 20 c von Ihrem ALG-II-Satz abziehen. Kostet Ihre Wohnung aber
nur 180 c, dann haben Sie 20 c zusätzlich bekommen. Insofern ist eine Pauschalierung ungenau. Die Erstattung der real anfallenden Kosten ist präziser.Sie geben den Bescheid darüber ab, wie viel Ihre Wohnung kostet, wie hoch Ihre Heizkosten sind, und bekommen das erstattet. In diese Richtung laufen im Kern auch – dieses Feld ist kompliziert genug – die Urteile des Bundessozialgerichts. Wir GRÜNE sagen auch: Wir wollen, dass die Hartz-IV-, die ALG-II-Empfänger auch tatsächlich ihre Kosten erstattet bekommen. Sie dürfen nicht darunter leiden. Das ist zweifelsfrei richtig.
Nun zur Pauschalierung und zur Frage, wie es weitergeht. Die Kasseler Stadtverordnetenversammlung hat selbst gesagt:Wenn es so ist und wenn wir keine andere Wahl haben, dann werden wir das ändern. – So, jetzt verstehe ich das ganze Gejammer nicht mehr.Wir sagen: Die Pauschalierungsdebatte ist eine sehr komplexe. Sie hat Vor- und Nachteile. Wir sind grundsätzlich der Meinung, dass man mit Pauschalierungen Verwaltungsabläufe vereinfachen kann. Man kann mit Spitz-auf-Knopf-Abrechnungen auch andere Ergebnisse erzielen.
In Frankfurt, in Offenbach und in Darmstadt wird Spitz auf Knopf abgerechnet. Wir können uns gern darüber unterhalten, wie die Zukunft der Pauschalierung aussieht. Das können wir gern fachspezifisch diskutieren. Die Sozialpolitische Offensive Frankfurt diskutiert pro Pauschalierung. Die Liga der Wohlfahrtsverbände will auch eher eine Pauschalierung. Es gibt GRÜNE, die sagen: „Wir brauchen es eher genau“, und es gibt GRÜNE, die sagen, Pauschalierung macht Sinn. Selbst Sie fordern z. B. ein Grundeinkommen, egal wie hoch es ist. Das ist am Ende auch eine Pauschalierung.
Deswegen ist dies eine Fachdebatte, die man abkoppeln sollte. Diese sollte man in Ruhe genießen, und man sollte sich auch externen Sachverstand hineinholen. Worin wir uns aber einig sein sollten, ist, dass Kassel erstens ganz offensichtlich seine Praxis überprüfen und ändern will und dass es zweitens in Hessen keine weiteren Kommunen oder Landkreise gibt, die das tun. Deswegen bitten wir Sie: Ziehen Sie Ihren Antrag zurück. Wir jedenfalls werden dagegen stimmen. Wer in wesentlichen Teilen seines Antrags so falsch liegt, dem kann man keine Zustimmung erteilen. – Danke schön.
Schönen Dank, Herr Bocklet. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Rock das Wort. Bitte schön, Herr Rock.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Schott – wo ist sie denn?, ach, da vorne –, dieser Antrag ist aus unserer Sicht völlig überflüssig. Er fängt schon mit einer Überschrift an, die falsch ist. Hier geht es nicht um das Arbeitslosengeld II,hier geht es um die Kosten der Unterkunft. Genau dort ist eben ein unterschiedliches Verfahren angewendet worden.
Ich möchte noch einmal kurz auf Ihren Redebeitrag eingehen.Wenn Sie ein Problem mit Bescheiden haben,dann ist festzustellen, dass es einen Rechtsstaat gibt, und dann können Sie diese angreifen. Das ist doch ganz einfach. Ich weiß überhaupt nicht, woher Ihre Verwirrung rührt. Viel
leicht, weil es um den Rechtsstaat geht. Das kann ja sein. Es wäre bei Ihnen aber auch nichts Neues.
Wenn Sie dann im Landtag ausführen, Sie hätten zu diesem Antrag recherchiert, stelle ich fest: Sie haben es einmal in Google eingegeben und beglücken uns dann mit der Erkenntnis, die Sie hieraus haben.
Wenn das der wissenschaftliche Dienst der LINKEN ist, dass er einmal etwas bei Google eingibt und Sie uns dann damit beglücken, dann bitte ich doch darum, das künftig nicht mehr zu tun, sondern sich ein bisschen sachkundiger zu machen.
Dann wäre Ihnen nämlich schon bei der Überschrift aufgefallen, dass es eben um ein ganz anderes Thema geht. Wie wir heute schon beim Arbeitslosengeld II gehört haben, war man sich sehr einig, dass man pauschalieren will. Es ist ein ganz wichtiger Punkt, der gerade von den Sozialverbänden kam, die gesagt haben, man wolle den Menschen die Selbstbestimmtheit zurückgeben. Das ist aus unserer Sicht ein ganz wichtiger Punkt, dass man eben versucht, sein Leben auch weiterhin freier gestalten zu können. Dass dies immer problematisch ist und dass man bei den Pauschalierungen immer versuchen muss,den Anreiz auch richtig zu setzen und den Betrag richtig zu treffen, das diskutieren wir. Das diskutieren wir vor Gerichten, und das diskutieren wir politisch.Aus meiner Sicht ist aber die Überlegung, die Selbstbestimmtheit der Menschen zu fördern und weiterhin aufrechtzuerhalten, ein ganz wichtiger Punkt. Daher bin ich ein Freund von Pauschalierungen – genau diese finden Sie im Arbeitslosengeld II, und das ist genau das Gesetz. Von daher fängt es bei der Überschrift Ihres Antrags schon an, und das zieht sich durch diesen ganzen Antrag durch.
Wenn die Stadt Kassel jetzt sagt: „Wir pauschalieren eben genau an der Stelle“, dann kann man da auch politisch dahinterstehen.Dann kann es auch politisch vernünftig sein, wenn man den Sozialstaatsgedanken, wie wir ihn im ALG II finden, auch dorthin transportiert hat. Und es kann sogar ökologisch sinnvoll sein, weil es nicht unbedingt darum geht, zu fragen, was denn jetzt der Quadratmeterpreis sei, sondern es geht z. B. um die Heizkosten. Man kann sich auch überlegen, wenn man weiß, dass man die Heizkosten spitz abgerechnet bekommt, ob es sinnvoll ist, vernünftig mit der Frage des Energieverbrauchs umzugehen, oder nicht. Aus meiner Sicht ist eine Pauschalierung sicher eine Sache, über die man reden kann.
Da gibt es natürlich auch eine Gefahr. Man kann dann auch sagen: Mit dieser Möglichkeit lässt sich natürlich auch immer gut Geld sparen. Es lässt sich aber damit auf jeden Fall in der Verwaltung Geld sparen. Ich denke, dass das auch nicht unerheblich ist. Die Debatte der Pauschalierung wird sicherlich auch an dieser Stelle aufkommen.
Was mich an dem Antrag aber ganz besonders geärgert hat, ist, dass wir hier heute das Stadtparlament Kassel spielen. Viele von uns haben ein kommunales Mandat. Wir können uns mit diesem Thema auch gern bei uns auseinandersetzen, aber ich muss hier nicht unbedingt die Aufgabe von Stadtverordneten der Stadt Kassel übernehmen. Ich möchte auch Sie bitten, dies künftig nicht mehr zu tun.
Was mich an dieser Stelle am meisten ärgert, ist, dass in der 38. Sitzung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Kassel am 07.12.2009 ein Antrag beschlossen wurde. Dieser Antrag erledigt dieses Thema, und das ist das Unerträgliche an diesem Antrag.
Frau Schott, wenn Sie hierher kommen und die altbekannte Leier loslassen wollen:„Wir sind gegen Hartz IV“, dann schreiben Sie einen Antrag; dann machen Sie das so platt wie immer bei diesen Themen. Schreiben Sie: Ich bin dagegen. Ich bin gegen Hartz IV, weil das alles doof ist. Und ich will zurück in die Vergangenheit.
Dann können wir hier auf „Bild“-Zeitungs-Niveau diskutieren und können ein wenig Grundsätze austauschen. Das können wir uns aber auch per E-Mail oder per Pressemitteilung schreiben. Dafür müssen Sie unsere Zeit hier nicht verschwenden.
Liebe Kollegen von den LINKEN, Sie tun immer so, als wüssten Sie im Sozialbereich Bescheid. Das, was Sie hier vorgelegt haben – es tut mir sehr leid –, können Sie von mir aus im Stadtparlament in Kassel machen, aber verschonen Sie künftig uns mit diesen Themen.Wenn ich mir Ihr Abstimmungsverhalten in der Stadt Kassel anschaue, dann verstehe ich die Welt nicht mehr. Denn Sie stimmen teilweise dem Antrag von Rot-Grün zu, nämlich der Frage, ob Sie es prüfen oder nicht. Dem zweiten Teil, in dem steht, dass es umgesetzt und die Pauschalierung aufgegeben wird, stimmen Sie nicht zu. Aber es passt wahrscheinlich zu Ihrem politischen Stil, dass Sie vorne nicht wissen, was Sie hinten wollen, und dass Sie auch keine Inhalte konsequent durchhalten, außer vielleicht: „Ich bin gegen Hartz IV.“ Das ist an dieser Stelle aber nicht unser Thema. Ihr Antrag verdient einfach nur eine Ablehnung, und diese bekommen Sie von uns auch. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Rock. – Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Schott gemeldet. Bitte schön, Frau Schott.