Vielen Dank, Herr Rock. – Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Schott gemeldet. Bitte schön, Frau Schott.
Selbstverständlich schaue ich auch bei Google. Ich nehme an, Sie tun das auch, aber selbstverständlich nicht ausschließlich. Ich finde, das war eine ziemlich dumme Anmerkung.
(René Rock (FDP): Sie haben es gesagt! Sie haben gesagt: „Ich habe einmal gegoogelt!“ – Clemens Reif (CDU): So geht es nicht! Sie wollen uns auch noch belehren! Nicht einmal Ihre eigene Fraktion hört Ihnen zu!)
Dieser Antrag bezieht sich unter anderem auf die Stadt Kassel, aber ist stellvertretend für andere Orte. Das habe ich mehrfach gesagt. Es geht hier nicht nur um die Stadt Kassel. Deswegen spielen wir hier nicht Stadt Kassel – das wäre tatsächlich unangemessen –, sondern es geht darum,
zu schauen: Werden in hessischen Landkreisen und Gemeinden die Leistungen an die Bürger, die ihnen zustehen, korrekt ausgezahlt?
Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum sich irgendjemand in diesem Hause darüber aufregt, wenn es die Forderung gibt, zu schauen, ob korrekt gezahlt wird. Das finde ich vollständig legitim. Die Aufregung hier im Haus kann ich nicht verstehen. Außer der Stadt Kassel zahlen einige andere Gemeinden nicht nach den derzeit geltenden Sätzen. Das ist so.
(René Rock (FDP): Dann benennen Sie die! – Minister Karlheinz Weimar:Fürs Protokoll! Sie soll ins Protokoll sagen, welche Gemeinden das sind! – Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Wo denn? – Judith Lannert (CDU): Nennen Sie Ross und Reiter!)
Da werden Heizspiegel nach Willkür berechnet.Es ist völlig klar, dass es einen bundesweiten Heizspiegel gibt. Der wird nicht beachtet, sondern – nein, ich bringe das jetzt bitte zu Ende – es werden irgendwelche Zahlen genommen, in Kassel beispielsweise diese 3.000 Haushalte, die alle Hartz-IV-Bezieher sind. Ich schaue mir einmal an, was das in Kassel konkret bedeutet.Von rund 10.000 Einund Zweipersonenhaushalten – das ist der Geschäftsbericht –
können nur genau 3.216, damit ich nicht falsch zitiert werde,ihre Heizkosten tatsächlich mit ihrer Pauschale bezahlen. Das heißt, wir haben hier eine Pauschale, bei der fast 70 % der Menschen drauflegen. Das kann nicht der Sinn der Sache sein.
(Wolfgang Decker (SPD): Das stimmt doch gar nicht! Falsche Zahlen! – Minister Karlheinz Weimar: Sagen Sie einmal, welche Gemeinden falsch auszahlen!)
Das ist ein Zitat aus dem Geschäftsbericht der AFK. Es kann doch nicht sein, dass Sie der Meinung sind, dass Pauschalen, bei denen mehr als die Hälfte der Menschen drauflegen, in Ordnung sind.
(Minister Karlheinz Weimar: Welche Gemeinden zahlen falsch aus? – Judith Lannert (CDU): Sie bleiben doch die Antworten schuldig! – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Pauschaliert! – Clemens Reif (CDU): Nennen Sie Ross und Reiter! Immer diese Pauschalierung! Einfach nur etwas sagen, damit es gesagt ist, und andere Leute hier für dumm verkaufen! Es ist doch klar, was hier vorgeht!)
Wenn sich hier wieder alles beruhigt hat, kann Herr Seyffardt für die CDU-Fraktion vortragen. – Bitte schön, Herr Seyffardt.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Schott, nach den sehr umfangreichen und sachbezogenen Ausführungen meiner Vorredner stellt sich für mich wirklich die Frage, ob Sie diesen Antrag hier nicht besser zurückziehen.
Diese Gelegenheit hätten Sie in diesem Moment noch. Denn gerade nach Ihrer Darstellung bei der letzten Zwischenrede glaube ich, dass hier sehr viel Unkenntnis mitbehaftet ist.
Wenn wir statistische Werte erheben, fragen wir nicht 100 % der Betroffenen, sondern es wird statistisch ausgewertet, wie viel Prozent befragt werden. Wenn 30 % der Haushalte gefragt werden, dann ist das bereits sehr viel – nur zu Ihrer Kenntnisnahme. Dann kann man schon darauf schließen, was insgesamt verbraucht wird, was sich im Heizspiegel der betreffenden Kommunen ablesen lässt. Das ist eine Grundlage, die auch hier angewendet wird.
Wir wissen, nahezu wöchentlich werden bundesweit höchstrichterliche Entscheidungen in welcher Form auch immer getroffen, die auf die Sachbearbeitung und die Umsetzung von SGB II Auswirkungen haben.Die geringe Konstanz der Entscheidungen der Sozialgerichtsbarkeit ist hier wenig hilfreich.
Ich möchte hier verdeutlichen, dass ich nicht die Gerichte als die Verursacher sehe, sondern das Fehlen von klaren Regeln in den sogenannten Hartz-IV-Gesetzen.Sie haben uns zugestimmt, dass auch Sie hier eine Veränderung bevorzugen würden. So sehen auch wir das als CDU-Fraktion.
Ihr Antrag ist eine unsachliche Verallgemeinerung und unterstellt den Grundsicherungsträgern eine rechtswidrige Praxis.
Das ist eine Generalisierung, die wir so nicht teilen. Hier soll suggeriert werden, dass die Stadt Kassel bewusst Hilfebedürftige in ihren Rechten verletzt und die Leistungen für Unterkunft und Heizung aus finanziellen Erwägungen unzulässigerweise kürzt. Frau Schott, Ihre Aussage, dass hier bewusst falsche Bescheide verschickt werden, ist wirklich sehr grenzwertig. Das muss ich sagen. Sie können den Behörden nicht unterstellen, dass sie dies tun.
Herr Decker hat bereits ausgeführt: Die Stadt Kassel argumentiert, dass gerade eine Budgetierung bei den Leistungen für Unterkunft und Heizung die Selbstständigkeit der erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen in ihrer eigenverantwortlichen Lebensführung unterstützt. Es steht außer Frage – auch das will ich an dieser Stelle betonen –, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen sind, so die momentane Rechtsprechung. Unabhängig von dieser Frage obliegt die Umsetzung von SGB II, hier die Kosten für Unterkunft und Heizung, beim ALG II den Landkreisen und den kreisfreien Städten und nicht dem Land Hessen.
Bezüglich der Praxis der Pauschalierung ist festzuhalten, dass das SGB II bei Kosten der Unterkunft kein ausdrückliches Verbot der Pauschalierung beinhaltet. Auch nach § 22 sind Abweichungen von den tatsächlichen Unterkunftskosten möglich,sofern diese die Kosten überschreiten, die angemessen wären. Das muss man auch dazu sagen.
In vergleichbaren Rechtskreisen, z. B. dem SGB XII, ist die Pauschalierung im Übrigen ausdrücklich zugelassen.
Wenn die Stadt Kassel im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung von diesen Möglichkeiten Gebrauch macht,so liegt auch dies in ihrer Zuständigkeit.Das SGB II sagt, dass Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit dies angemessen ist. Was angemessen ist, darüber streiten sich die Beteiligten vor den Sozialgerichten. Hier fehlen klare Richtlinien, die z. B. festlegen, wie Mietspiegel und Heizkosten rechtssicher ermittelt werden können.
Das zitierte Urteil verweist z. B. auf den bundesweiten Heizspiegel.Bei der Bemessung von Heiz- und Warmwasserkosten liegt, bedingt durch die Sozialgerichtsbarkeit, die Nachweispflicht regelmäßig beim Grundsicherungsträger und nicht beim Kunden. Das ist uns allen bekannt. Wenn eine Person oder Familie aufgefordert wird, sich in einem Zeitraum von sechs Monaten einen neuen angemessenen Wohnraum anzumieten, muss der Grundsicherungsträger nachweisen,dass dieser Wohnraum zur Verfügung gestanden hat. Die Anforderungen an die detaillierte Nachweispflicht der Verwaltung steigen von Jahr zu Jahr. Durch die Erstellung von Miet- und Heizspiegeln versuchen die zuständigen Behörden, die große Zahl der gestellten Anträge effizienter zu bearbeiten. Hier wird in erheblichem Maß Personal eingespart.
Ich verweise auf die Koalitionsverträge von CDU, CSU und FDP auf Bundesebene.Hier wird ausdrücklich darauf hingewiesen,dass angestrebt wird,die Kosten für Energie, die Nebenkosten und Unterkunftskosten zu pauschalieren. Dabei sind regionale Besonderheiten zu berücksichtigen.Ziel ist eine sach- und sozial gerechte Lösung für die Grundsicherungsträger und Kunden, die gleichzeitig Anreize für einen sparsamen Energieverbrauch setzt.
In ihrem Antrag argumentiert DIE LINKE für die ungeprüfte Übernahme der Kosten für Heizung und Unterkunft. Wir hingegen wollen eine leistungsgerechte und sachbezogene Lösung,die beiden Seiten gerecht wird.Wie bereits aus der gestrigen Debatte zu Hartz IV hervorgegangen ist, ist es dringend geboten, die entsprechenden Sozialgesetze zu modifizieren und einer sachgerechten Lösung zuzuführen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Schönen Dank,Herr Seyffardt.– Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Banzer das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem desaströsen Verlauf dieser Beratung darf ein Sozialminister nicht noch das Messer in der Wunde herumdrehen.
Deswegen schließe ich mich den jeweils zutreffenden Aussagen an.Ich will nur noch auf zwei Punkte hinweisen. Es gibt so viele Argumente gegen diesen Antrag vorzubringen, dass gar nicht alles vorgetragen wurde. Deswegen nur der Vollständigkeit halber.
Erster Punkt. Ich schlage vor, dass Sie Ihren Umgang mit Gerichtsurteilen überprüfen; denn Art. 20 Abs. 2 Satz 2
Grundgesetz sieht die Gewaltenteilung vor. Aus dem Aspekt der Gewaltenteilung folgt, dass man sich nicht Rechtsauffassungen von Gerichten anschließt, sondern dass man Urteile als Setzungen akzeptiert und dass man sein Handeln danach ausrichtet.
Der zweite Aspekt ist die Rechtsaufsicht. Das sage ich jetzt auch einmal vorsorglich vielleicht für andere Fragestellungen. Ich interpretiere die Rechtsaufsicht des Ministeriums für Arbeit, Familie und Gesundheit nicht so, dass ich mich wie ein Hofhund verhalte, der nur auf die Gelegenheit wartet,
auf irgendeinen vorbeigehenden Passanten, der sich irgendwie falsch verhält, sprich: sich vermeintlich nicht ganz rechtmäßig verhält, sofort mit dem schweren Büttel der Rechtsaufsicht loszuschießen, sondern ich glaube, dass wir Art. 28 des Grundgesetzes, die kommunale Selbstverwaltung, hochhalten sollten.
Es zeigt sich hier auch, dass Kassel zu diesem Punkt eine vernünftige Entscheidung getroffen hat. So geht man mit solchen Entscheidungen um. Ich glaube auch, dass man nicht gleich die ganze Idee der Pauschalierung über den Haufen werfen, sondern sie einmal unter dem Aspekt überprüfen sollte, dass Hartz IV aktivierend sein soll. Ich muss immer wieder sagen: Es geht darum, dass die Menschen möglichst Selbstständigkeit behalten sollen und nicht alle Risiken und Lasten – –
Herr Minister, Sie haben einen sehr interessanten Punkt angesprochen, der uns seit mindestens fünf Jahren beschäftigt, die Rechtsaufsicht. Deswegen möchte ich Sie fragen. Sie haben jetzt beschrieben, wann Sie nicht eingreifen und die Rechtsaufsicht bemühen wollen. Wann würden Sie denn die Rechtsaufsicht bemühen und einschreiten?