Meine Damen und Herren, dazu haben wir ein Beispiel, wenn wir uns den jüngst in den USA vereitelten Flugzeuganschlag anschauen. Das hat gezeigt: Es gibt ausreichend Daten, diese liegen vor. Es stellt sich nur die Frage, ob sie auch von kompetenten Personen ausgewertet werden und ob die Behörden ausreichend vernetzt sind. Tun Sie von daher nicht so,als ob die Datensammlerei eine höhere Sicherheit bringen würde.
Ich glaube, wir brauchen auch nicht sehr viel Fantasie, um heute feststellen zu können, dass Sie sich bei der nächsten Statistik wieder hierhin stellen und sagen werden: Die Einschränkungen zulasten der Freiheit haben mehr Sicherheit gebracht. – Wir können heute ganz genau prognostizieren, dass dem so sein wird. Wir lassen uns trotzdem überraschen. Vielleicht fällt Ihnen einmal etwas Neues ein.
Bis dahin möchte ich mich bei den fleißigen Polizistinnen und Polizisten des Landes Hessen recht herzlich bedanken und hoffe, dass sie bald bessere Arbeitsbedingungen haben werden.
Sie haben wahrscheinlich keinen Zweifel daran, dass wir diesem Entschließungsantrag keinesfalls zustimmen werden. Die vollständigen Zahlen liegen nicht vor. Die sollen erst einmal kommen. Diese möchten wir als Parlamentarier bewerten. Dann können wir noch einmal darüber reden. – Herzlichen Dank.
(Günter Rudolph (SPD): Für einen Setzpunkt der CDU ist die CDU stark vertreten! Vielleicht bin ich heute Morgen zu kleinlich! – Gegenruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU) – Holger Bellino (CDU): Bei euch ist gerade einmal der Fraktionsvorstand da!)
Seid ihr fertig? – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man diese Diskussion zum Setzpunkt der CDU verfolgt, dann stellt man sich die Frage: Worum geht es hier? Geht es hier um eine Statistik, oder geht es hier um die Sicherheit der Bevölkerung, oder geht es vielleicht auch um die Arbeit und die Arbeitsbedingungen der Polizeibeamtinnen und -beamten? – Nein, eines wird klar. Wer den vorliegenden Entschließungsantrag von CDU und FDP liest, der bekommt schnell den Eindruck, dass es hier gar nicht um die Qualität und die Realität im Polizeidienst in Hessen geht, sondern nur und ausschließlich um das Eigenlob der Regierungsfraktionen.
(Günter Rudolph (SPD): Klar! – Wolfgang Greilich (FDP): Wahrheit muss Wahrheit bleiben! – Holger Bellino (CDU): Die Zahlen sind doch eindeutig!)
Schon gar nicht geht es im Entschließungsantrag um eine kritische Auseinandersetzung mit den Problemen der Beschäftigten, von denen in den letzten Wochen viel Bedenkliches zu hören und zu lesen war. DIE LINKE stellt deshalb die Frage, wie berechtigt die Selbstbeweihräucherung von CDU und FDP wirklich ist. Denn die Beschäftigten im Landesdienst sehen die Verdienste der Landesregierung offensichtlich als weit geringer an.Sie üben teils heftige Kritik. Offensichtlich schmücken sich CDU und FDP also nicht nur mit fremden Federn. Sie sind auch gegenüber der Kritik aus den Reihen der Beschäftigten taub. Da der Volksmund sagt: „Eigenlob stinkt“, und: „Der Fisch stinkt vom Kopfe her“, sollten wir der Frage nachgehen, warum CDU und FDP die Unzufriedenheit der Beschäftigten mit ihrer Arbeitssituation und dem Arbeitsklima so geflissentlich übergehen.
Wir sagen: Für die Arbeit der Polizei muss man dankbar sein, weil sie trotz der Landesregierung einen guten Job macht. Die brenzlige Zukunftsfrage ist:Wie lange werden die Beschäftigten die Bedingungen noch mitmachen, und wie lange lässt sich das gegenwärtige Niveau überhaupt noch halten? – Dass es dabei nicht nur um mehr Personal und Geld geht, sondern auch um ein Betriebsklima, in dem Beschäftigte nicht zu obrigkeitsstaatlichen Befehlsempfängern degradiert werden, will ich gleich zeigen.
Lassen Sie mich aber zunächst auf zwei Probleme hinweisen, die sich aus der dem Entschließungsantrag zugrunde liegenden Statistik ergeben, die aber bei den Regierungsfraktionen komplett unter den Tisch fallen, weil sie so nicht ins Schema passen.
Erstens. Jede Statistik ist mit Vorsicht zu genießen, weil interpretierbar. Der Anstieg der sogenannten Rohheitsdelikte, also der Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten, wird auch in allen anderen Bundesländern mit Sorge festgestellt und ist für Hessen ebenfalls ausgewiesen. Herr Bellino, es ist sehr merkwürdig, dass Sie in Ihrem Jubelantrag dieses für die Polizei große Problem nicht erwähnen. Das passt nicht in die Systematik dieses Antrags. Das ist doch klar.
Zweitens. Jede Statistik ist mit Vorsicht zu genießen, weil interpretierbar. Das gilt besonders für den ausgewiesenen Rückgang der Wirtschaftskriminalität um sagenhafte 37 %. Ich bitte den Herrn Innenminister, hierauf einzugehen; denn ich frage: Könnte dieser sagenhafte Rückgang nicht dadurch zustande kommen, dass, wie in anderen Bereichen, die Kapazitäten bei den Ermittlern abgebaut wurden?
In der vorliegenden Eigenloburkunde steht nichts zum Thema Arbeitszeit, welches die Beschäftigten im öffentlichen Dienst umtreibt, so auch die Polizei. Nicht nur, dass für die Beamtinnen und Beamten in Hessen die längste Wochenarbeitszeit in Deutschland festgelegt ist. In der Polizei herrscht auch krasser Personalmangel. Überstunden sind deshalb an der Tagesordnung.Selbst einzelne Polizeipräsidien äußern inzwischen offene Besorgnis. Erste Dienststellen müssen nachts geschlossen werden. Das kann doch alles nicht sein.
Ich halte es angesichts dieser Schwierigkeiten für unverantwortlich, wenn CDU und FDP demnächst auch noch erklären werden, auch die Lebensarbeitszeit der Polizistinnen und Polizisten um zwei Jahre hochsetzen zu müssen. Ein Vollzugspolizist, der mit 62 Jahren noch Kriminellen hinterherrennen soll – das halte ich für eine durchaus schwierige Situation. Herr Bouffier, lassen Sie die Lebensarbeitszeit unangetastet, und verkürzen Sie endlich die Wochenarbeitszeit der Beamtinnen und Beamten auf 40 Stunden.
Kommen wir aber jetzt zum sicherlich verwegensten Absatz des Entschließungsantrags von CDU und FDP, nämlich Nr. 6, wo es heißt – ich zitiere –: „… dass derartige Erfolge nur durch das Zusammenwirken motivierter und bestens ausgebildeter Polizistinnen und Polizisten sowie angemessene Rahmenbedingungen möglich sind.“
Herr Bellino, ich kann es Ihnen an dieser Stelle nicht ersparen,Ihre politischen Fantasien mit der Realität zu konfrontieren, wie sie von vielen Polizistinnen und Polizisten erlebt wird. Man kann aus subjektiven Einzelempfindungen zwar nicht auf das ganze System schließen, aber wenn man sich die Details und die Masse der inzwischen bei unserer Fraktion, den Medien und wahrscheinlich Ihnen allen eingegangenen Beschwerden anschaut,
Die Gewerkschaften sprechen von einem Klima der Angst. Medien, Polizistinnen und Polizisten berichten dieser Tage zigfach, in der hessischen Polizei gebe es ein System von Obstruktion, Angst und Unterwerfungsgehor
sam. Von Mobbing, besser gesagt Bossing, gestörten Vertrauensverhältnissen zum Führungspersonal, welches mit Drohungen, Negativbeurteilungen und Disziplinierungsmaßnahmen durchregiert, und vielen anderen Dingen mehr ist die Rede. Das passt leider überhaupt nicht in Ihren Antrag. Ich bin gespannt, ob die Landesregierung sich für die Probleme noch genauso verantwortlich fühlt wie für die selbst zugeschriebenen Erfolge der Polizei,oder ob es dann heißt: Gibt es nicht, denn das steht ja nicht in unserer Statistik. – Das scheint es aber eben doch zu geben, vielleicht sogar systematisch.
Meine Damen und Herren, alle Fraktionen haben unter anderem ein Schreiben erhalten, in welchem ein Polizeibeamter mit über 40-jähriger Diensterfahrung berichtet. Ich darf zitieren:
Aus eigener Beobachtung kann ich Ihnen versichern, dass sich das Klima zwischen der Behörde (Führungsverantwortlichen) und den Mitarbeitern in den letzten Jahren spürbar verschlechtert hat.
Heute... werden sofort Disziplinarverfahren eingeleitet, und Stellungnahmen von den Betroffenen nimmt man überhaupt nicht zur Kenntnis, sodass der Eindruck entsteht, dass das Ergebnis des Disziplinarverfahrens bereits zu Beginn feststeht.
Vom Verbrechensstraftatbestand der Verfolgung Unschuldiger durch die Behördenleitung ist im Weiteren die Rede, von willkürlichen Negativbeurteilungen, bei denen Betroffenen ihre gesetzmäßigen Widerspruchsrechte vorenthalten werden.
DIE LINKE erhielt weitere Zuschriften, unter anderem zig Seiten Unterlagen mit selbst für meine Fraktion kaum für möglich gehaltenen Zustandsbeschreibungen des Innenlebens bei einem großen Polizeipräsidium.
Ich zitiere: „Angst vor Repressalien jeglicher Art seitens der Dienststellenleitung“, „desolate Zustände“, „unzumutbare Arbeitsbedingungen“, „Nichteinhaltung vorgeschriebener Wachstärken“.
Im Weiteren wird gesprochen von Überforderung, Überalterung, Missachtung von Sicherheitsaspekten, ausgelöst durch den krassen Personalmangel, rassistischem Umgangston in Abschiebeeinrichtungen, Nichtweiterleitung von internen Beschwerden wegen Mobbing durch Vorgesetzte.Allein in einem Polizeipräsidium gebe es Einwände von mehr als 300 Beamtinnen und Beamten, die sich zu Unrecht negativ beurteilt fühlen.
Das interne System, welches gegen Mobbing und andere Probleme im Dienstablauf eingerichtet ist, wird als vollkommen unwirksam, ja sogar als Instrument der Dienststellenleitung dargestellt, um interne Kritiker auszufiltern. Es werden Vorwürfe bis hin zur Behördenleitung und zum Landespolizeipräsidenten erhoben, denen diese Umstände bekannt seien.
Sie werden die Masse und Details dieser Problembeschreibung wohl kaum länger als billigen Klamauk der Opposition abtun können.Wir denken uns das schließlich nicht aus. Um es gleich vorweg zu sagen: Bitte sparen Sie sich ein für allemal, DIE LINKE zu bezichtigen, wir würden die hessische Polizei in Verruf bringen. – Die hessische Polizei kommt derzeit unter Ihrer Verantwortung in Verruf.
Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Meine Fraktion wird deshalb in den nächsten Wochen konkrete Vorschläge unterbreiten, wie wir die Rechte der Beschäftigten beim Land Hessen wieder stärken können. DIE LINKE will einen Polizei- und Landesdienst, in dem sich Mitarbeiter trauen, ihre persönlichen Kompetenzen einzusetzen,in dem Mitarbeiter für ihre Rechte,auch für ihre politischen Rechte, eintreten dürfen, ohne Angst vor Negativbeurteilungen und Schikanen haben zu müssen.
Ein moderner und selbstbewusster öffentlicher Dienst ist ein lernender öffentlicher Dienst. – Danke.