Protocol of the Session on December 22, 2009

Herr Kollege Al-Wazir, wenn wir bei dem Thema Rückgrat sind, will ich Ihnen noch eines sagen. Ja, wir haben in diesem zehnjährigen Genehmigungsprozess eine Veränderung durch die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu zwei anderen Flughäfen. Deshalb haben wir im Planfeststellungsbeschluss ein anderes Ergebnis durch die Planfeststellungsbehörde bekommen als das, das auch ich erhofft und erwartet hatte. Aber verstehen Sie: Die Abgeordneten der CDU und ich persönlich und alle anderen haben sechs Wochen vor einer Landtagswahl gesagt: Der Wirtschaftsminister soll das jetzt machen, er soll vor der Wahl sagen,dass wir es nicht so einhalten können, sondern dass wir die Zusage an einer Stelle ändern

müssen. – Wir haben das Rückgrat gezeigt; und alle Wahlkreise, die betroffen sind, haben direkt gewählte Abgeordnete der Christlich Demokratischen Union. Herr AlWazir, auch das gehört dazu.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Das muss die Entscheidung nicht einfacher machen. Das macht sie auch in der Abwägung, auch in der persönlichen Auseinandersetzung mit den Einzelnen nach wie vor zu einer der schwierigsten für jeden einzelnen Abgeordneten, der hier sitzt, und als Abgeordneten auch für mich. Trotzdem sage ich Ihnen: Ich halte die Entscheidungen, die Alois Rhiel und Dieter Posch in einem Planungsprozess getroffen haben, an dem Dieter Posch schon bei der Einleitung sehr intensiv beteiligt war, und den Planfeststellungsbeschluss für richtig. Das tue ich, ohne dass die Landesregierung als Ganze darüber entscheiden kann. Das ist eine Entscheidung des Wirtschaftsministers. Aber Sie fragen ausdrücklich nach der politischen Haltung. Ja, ich halte diese Entscheidung für richtig.

Ich persönlich glaube, dass das, was Sie hier machen, ein absichtlich vergifteter Vorschlag ist. Denn Sie wissen ganz genau, dieser Planfeststellungsbeschluss, der jetzt erlassen worden ist, bildet nach bestem Wissen und Gewissen der dortigen Juristen die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts der letzten Jahre ab. In über 90 % aller einzelnen Sachfragen, wahrscheinlich 99 % aller einzelnen Sachfragen, ist das auch durch den Verwaltungsgerichtshof bestätigt worden. In einer wichtigen Frage kommt der Verwaltungsgerichtshof zu einer anderen Meinung als das Bundesverwaltungsgericht. Das ist völlig normal im Rechtsstaat, das kann passieren. Richter haben Gott sei Dank dieses Recht, und niemand kann sie beeinflussen.

Nur, an dem Maßstab, dass man den internationalen Großflughafen Frankfurt am Main am Ende gerichtsfest nur durch Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts hinbekommt, hat doch keine klagende Gemeinde, keine GRÜNEN-Fraktion, keine SPD- oder Linksfraktion jemals einen öffentlichen Zweifel geäußert.Alle hätten,wenn sie der Meinung gewesen wären,sie hätten nicht hundertprozentig Recht, doch sofort gesagt: Was interessiert mich der VGH? Das Bundesverwaltungsgericht ist das Maß aller Dinge. – Und sie haben Recht. Ja, das Bundesverwaltungsgericht ist das Maß aller Dinge. Deshalb müssen wir so schnell wie möglich von dort eine Entscheidung bekommen. Das ist die Entscheidung, die Dieter Posch getroffen hat, und die ist richtig, ganz schlicht und ergreifend richtig.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenn ich sage,es ist ein vergifteter Vorschlag,dann gehört dazu: Solange das Bundesverwaltungsgericht nicht entschieden hat, wird spekuliert werden:Was ist gemeint? Ist „annähernd null“ eine Ermessensentscheidung aus der Landesentwicklungsplanung? Was ist mit der Abwägung, mit den Expresspaketen? Warum kommt diese Erwägung im VGH-Urteil auf? Wie soll eigentlich ein Planergänzungsverfahren sein?

Was ist „annähernd null“? Null ist es definitiv nicht. Sonst hätte der Verwaltungsgerichtshof nämlich selbst entschieden und keine neue Planergänzung gebraucht. Sind es zwei, sind es fünf, sind es zehn? Was ist im Verhältnis zu 720 technisch möglichen Starts und Landungen denn „annähernd null“? Diese Frage abzuwägen, mit Landesentwicklungsplan oder ohne, das wird im Streit stehen. Es ist auch legitim, dass es im Streit steht.

Ich habe ein Interesse daran, dass der Streit so schnell wie möglich beendet wird. Nach Ihren Reden unterstelle ich Ihnen, Sie haben ein politisches Interesse daran, wenn Sie schon den Flughafen nicht verhindern können, was Sie eigentlich wollten, dass der Streit so lange wie möglich fortgesetzt wird. Das ist ein sehr unterschiedliches Interesse.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich sage Ihnen auch ein Zweites. Ich habe in der Tat ein Interesse daran, dass alle Debatten, die es in der Bundespolitik über die Frage von Gesetzesänderungen gibt und die ihre Berechtigung haben, dieses Verfahren möglichst nicht beeinflussen. Kundige Juristen wissen, normalerweise entscheidet das Bundesverwaltungsgericht ohnehin auf dem Rechtstatbestand des Rechts, das zu dem Zeitpunkt gilt, in dem der Planfeststellungsbeschluss erlassen ist. Das Bundesverwaltungsgericht kann in Einzelfällen davon abweichen – in Klammern:A 44.

Je schneller wir eine Entscheidung bekommen, desto sicherer ist es, und desto sicherer hat die Hessische Landesregierung es mit ihrem Abstimmungsverhalten im Bundesrat in der Hand, dafür zu sorgen, dass sichergestellt ist,dass unter der alten Rechtsgrundlage über diesen Planfeststellungsbeschluss entschieden wird.Wenn wir sie im nächsten Jahr bekommen,ist es gut;damit drei Jahre zu warten, ist Unsinn.

Dann haben wir eine Rechtsituation, und daran haben Sie doch auch wieder ein Interesse. Sie gieren doch geradezu danach: die GRÜNEN, die sich jetzt als neuer Bündnispartner hinstellen. Die SPD macht es, wie man es braucht. Wenn sie in den letzten Jahren gern ihr Arbeitnehmerprofil zeigen wollte, hat sie „Igittigitt“ zu den GRÜNEN gesagt. Jetzt wollen sie ihr Lärmschutzprofil zeigen, da umarmen sie sich wieder mit den gleichen Plakaten – wie man es an der einen oder anderen Stelle bei der SPD braucht. Die können Sie bei diesem Thema komplett vergessen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb sage ich an der Stelle, die GRÜNEN haben das strategischste Interesse. Sie wollen so lange wie möglich an dieser Stelle Verunsicherung schaffen. Sie sind die Allerletzten, die ein Interesse daran haben, dass der Frankfurter Flughafen unter den Bedingungen des Planfeststellungsbeschlusses mit einem,fünf,zehn oder 17 Flügen genehmigt wird und zur politischen Ruhe und zum Erfolg irgendwelcher anderer Leute führt. Sie haben nämlich immer gesagt: Man braucht den nicht, man darf nicht, und wir sind dagegen. – Wir sind dafür und wollen ihn rechtssicher möglichst schnell und mit möglichst wenigen Nachtflügen haben. Das ist unser politisches Ziel, und das wollen wir möglichst schnell durchsetzen und erreichen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb will ich Ihnen abschließend als Letztes sagen:

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das wars?)

Ja, natürlich ist an dieser Stelle nach wie vor die Frage: Wie gehen wir mit den Menschen und ihrer Betroffenheit um? Ich habe in dieser Frage, wie Sie wissen, die meisten Entscheidungen sehr persönlich mit getroffen. Ich finde nur, auch wenn man diese Debatte führt, muss eines klar bleiben. Wir haben in den letzten Jahren auf dem Weg eine Menge erreicht. Wir sind in den kleinen, wichtigen letzten Schritten der Diskussion.

Als wir angefangen haben, waren es mehr als die 50 Flüge zurzeit.Die zusätzlichen Flüge gehörten zu denen der lautesten Kategorie. Dazu zählten der Poststern, den wir inzwischen nicht mehr haben, und die Galaxys. Als Ministerpräsident habe ich mit als Erstes in Absprache mit den Amerikanern ein Verfahren zu Ende gebracht, bei dem wir – das Land, der Steuerzahler – den Amerikanern einen dreistelligen Millionenbetrag dafür gezahlt haben, dass diese Flüge nicht mehr am Frankfurter Flughafen abgewickelt werden. Die Galaxys waren weg, der Poststern war weg, und dann haben wir die Zahl der Nachtflüge auf 50 reduziert.

Jetzt kommen wir auf jeden Fall auf die Zahl von 17 Nachtflügen – keinesfalls mehr, wie es auch überall in der Rechtsprechung heißt. Jedes einzelne Flugzeug wird nur noch halb so laut sein wie die Flugzeuge, die hier früher geflogen sind. Wir bekommen jetzt über Curved Approach – und wie die Technologien alle heißen – eine Umfliegung der Wohngebiete,wie sie früher technisch nicht möglich war. Das alles haben wir.

Jetzt reden wir vor dem Bundesverwaltungsgericht über die Frage, ob es in der Abwägung zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern, die ihre Rechte haben, und der Lärmbelastung so bleibt, wie es in Berlin und Leipzig entschieden worden ist, nämlich dass man sagt: „Auf einem internationalen Flughafen muss es nachts die unabdingbar notwendigen Frachtflüge geben“, oder ob uns das Bundesverwaltungsgericht ermöglicht, von einer solchen Entwicklung abzuweichen. Das kann nur das Bundesverwaltungsgericht entscheiden, und das muss es möglichst schnell entscheiden.

Deshalb findet Ihr Klamauk an der falschen Stelle statt. Wer sachlich und im Interesse der Menschen, der Unternehmen und der Bürger, die leidgeplagt sind, eine richtige Entscheidung treffen will, muss die Sache durchstehen und zum Bundesverwaltungsgericht gehen. Deshalb hat Dieter Posch recht, und deshalb hat er meine Unterstützung und, wie ich denke, auch die dieses Hauses.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Ministerpräsident. – Für die SPDFraktion hat jetzt Herr Schäfer-Gümbel das Wort. Ihnen sind fünf Minuten Redezeit zugewachsen. Bitte schön.

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Koch, Sie haben zwar laut gebrüllt – was ich verstehen kann, weil es wehtut, wenn man von einem Gericht gezwungen wird, zu seinem Wort zu stehen, und es eigentlich nicht will –;

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Gut gebrüllt!)

aber in der Sache haben Sie hier nur Nebel verbreitet. Sie haben an den Kernthemen konsequent vorbeigeredet.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Ich erinnere Sie noch einmal an die Drucks. 15/1393 vom 13.06.2000, in der ziemlich klar und unmissverständlich steht:

Der Hessische Landtag macht sich ebenfalls die Forderung der Mediationsgruppe zu eigen, dass die fünf Komponenten des Mediationspaketes

unter anderem das Nachtflugverbot –

untrennbar miteinander verbunden sind.

Herr Koch, in namentlicher Abstimmung haben Sie diesem Punkt zugestimmt.Sie sagen hier und heute nicht,warum Sie Ihr Wort in dieser zentralen Frage brechen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Herr Koch, Sie verstecken sich hinter der Frage der Rechtssicherheit. Ich habe vorhin schon einige Bemerkungen dazu gemacht.Wenn Herr Wagner zugehört hätte, wäre es ihm sicher aufgefallen.

(Leif Blum (FDP): Ja, aber falsche! Das ist das Problem!)

Mit Verlaub, das, was der VGH erklärt hat, bedeutet nicht, dass irgendeine neue Rechtskonstruktion – ein neues Verhältnis zwischen Bundes- und Landesbehörden – über den Landesentwicklungsplan hergestellt wird, den wir auf Vorschlag des damaligen Abgeordneten und heute zuständigen Wirtschaftsministers Posch hier beschlossen haben. Vielmehr verstärkt der Landesentwicklungsplan die entsprechenden Nachtruhebestimmungen des Luftverkehrsgesetzes – eines Bundesgesetzes – und stattet sie mit einer zusätzlichen demokratischen Legitimation aus. Damit wird der Punkt, den Sie vor 2008 mit dem Planfeststellungsbeschluss vermeintlich gemacht haben – das haben wir nie in Abrede gestellt –, nämlich ein gerichtsfestes Nachtflugverbot auf den Weg zu bringen, in der Luft zerpflückt. Der VGH hat Ihnen erklärt: annähernd null.

Herr Koch, Sie haben das selbst aufgenommen. Sie haben am Samstag in der „FNP“ wortreich erklärt, warum man jetzt über andere Kriterien nachdenken müsse.

(Günter Rudolph (SPD): Heuchlerisch! Das ist Heuchelei!)

Also stellen Sie sich nicht hierhin, und tun Sie nicht mithilfe juristischer Schlaumeierei so, als wären Sie in dieser Frage der Alleinwissende. Sie haben sich in der politischen Debatte hinter etwas versteckt. Stehen Sie wenigstens dazu.

Das ist der entscheidende Punkt, warum ich jetzt ein Beispiel herausgreife. Das ist der Herr Boddenberg. Wo ist er? – Herr Boddenberg, Sie sind in dieser Frage mein Kronzeuge. Ich erinnere noch einmal an den parlamentarischen Abend der Lufthansa Cargo im November 2006.

(Günter Rudolph (SPD): Ja! Herr Rhiel, der damalige Minister, war auch da!)

Als der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa Cargo erläuterte, warum das mit der Nachtruhe nicht geht – er hat auf das Problem mit der Nachtfracht hingewiesen –, hat Herr Rhiel in unnachahmlicher Weise erklärt, darüber müssten sie noch einmal nachdenken.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist das! Ich kann mich gut erinnern!)

Sie als damaliger Generalsekretär der Union und im Anschluss daran Ruth Wagner für die FDP haben wortreich, sehr klar und sehr hart den Wirtschaftsminister zurückgeholt und gesagt: Nix da, in der Frage wird nicht gewackelt. Nachtflugverbot nach dem Mediationsergebnis heißt Nachtflugverbot. – Deshalb sind die Argumente, die Herr

Wagner und Herr Greilich hier gebracht haben, um Ängste bei den Beschäftigten zu schüren – das finde ich besonders schofelig –, so verlogen.

(Günter Rudolph (SPD): So ist er! Das passt zu Herrn Greilich!)

Das Problem mit den Nachtarbeitsplätzen bei der Cargo kennen wir nämlich seit zehn Jahren. Es war immer klar, dass dies ein Problem für die derzeitige Struktur der Verkehre bei der Lufthansa Cargo bedeutet. Wenn wir, die den Ausbau befürwortenden Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP, aber gleichzeitig versprechen, dass wir mit dem Ausbau 50.000 neue Arbeitsplätze schaffen, ist es für uns doch ein Leichtes, den Menschen die Sicherheit zu geben, dass sie an anderer Stelle Arbeitsplätze finden, wenn es hier zu Umstrukturierungen kommt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))