Protocol of the Session on December 10, 2009

Es gibt keine koordinierte Vergabe von Studienplätzen. Aber der Kern des Problems ist doch: Es gibt zu wenige Studienplätze für zu viele Bewerberinnen und Bewerber.

Jetzt wollen Sie die ZVS zu einer Serviceeinrichtung für die Hochschulen und die Studienbewerber umorganisieren. Dabei bleibt unklar, wer die Kosten für die Leistungen dieser neuen Stiftung trägt. Trägt diese Kosten das Land? – Wohl kaum. Sind es die Hochschulen? Oder sind es am Ende die angehenden Studierenden selbst? Darauf könnte es wohl hinauslaufen.

Die Beschränkung des Hochschulzugangs ist ein Eingriff in das Grundrecht auf freie Berufswahl. Das Bundesverfassungsgericht hat 1972 in seinem Urteil festgestellt, dass das Grundrecht auf freie Berufswahl auch das Recht auf Hochschulzulassung einschließt und man daher das Recht auf Hochschulzulassung nicht beliebig einschränken kann. Das geht schon einmal gar nicht über die Satzungen der Hochschulen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Herr Büger, im Gegensatz zu Ihnen sind wir der Meinung, die Studierenden sollen sich die Hochschulen aussuchen, nicht umgekehrt. Dabei ist es in der Praxis so – Sie wissen das –, dass 80 % der Studierenden eine wohnortnahe Universität bevorzugen, soweit das von ihnen gewünschte Studienfach dort angeboten wird.

Der Wettbewerb zwischen den Hochschulen um die besten Studierenden wird das Gefälle zwischen den Hochschulen weiter verstärken und eben nicht dafür sorgen, dass wir eine regionale Ausgewogenheit der Hochschulen bekommen.

Im Begleitgesetz zum Staatsvertrag hat die Landesregierung festgelegt, dass an den hessischen Hochschulen in Zukunft zusätzlich zur Abiturnote noch mindestens ein weiteres Auswahlkriterium festgelegt wird. So viel dann zur Autonomie – das ist doch eher eine Zwangsbeglückung.

Das weitere Kriterium können Auswahlgespräche oder Studierfähigkeitstests sein. Ich frage mich nur: Wie soll das bei gleichbleibendem Personal zu leisten sein? Denn nur wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder die Professoren können Auswahlgespräche führen. Die müssen gerichtsfest dokumentiert werden. Das kann nicht funktionieren, wenn es nicht mehr Personal an den Hochschulen gibt.

(Beifall der Abg.Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dabei kann es nicht in unserem Sinne sein, das Personal an den Hochschulen mit Bürokratie und Zulassungsaufgaben zu beschäftigen statt mit Forschung und Lehre.

(Beifall bei der LINKEN)

Auswahlgespräche bergen die Gefahr der Willkür, denn dabei gibt es keine Transparenz, und alles beruht auf subjektiven Einschätzungen und Entscheidungen.

An der Universität Heidelberg will die juristische Fakultät „nicht unbedingt die überdurchschnittlich Intelligenten, sondern die mit den für ihr Fach besten psychischen Eigenschaften“ Ausgestatteten auswählen. Dazu wurde das Profil eines „idealen Jurastudenten“ entwickelt und ein psychologisches Institut, das sich seit vielen Jahren mit Personalauswahlverfahren in der Wirtschaft beschäftigt, mit der Entwicklung und Durchführung entsprechender Eignungstests beauftragt. Na, herzlichen Glückwunsch.

Im Studiengang Biologie werden Hobbys, außerschulische Aktivitäten und soziales Engagement als Auswahlkriterien abgefragt. Die Studienmotivation soll dabei ergründet werden.

Das ist mittels schriftlicher Tests und viertelstündiger Gespräche natürlich gar nicht möglich. Zudem wissen wir, das größte Studienabbruchrisiko besteht bei den Studierenden, die neben ihrem Studium arbeiten müssen.

Wenn Sie also die Abbrecherquoten reduzieren wollen, dann brauchen Sie keine Selektionsmechanismen, sondern dann müssen Sie etwas für die Studienfinanzierung tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Hochschulreife ist das Abitur. Weder Quote noch Note darf verhindern, dass Menschen ein Studium an einer Hochschule beginnen.Auch hier ist wieder die Frage: Wie groß ist eigentlich Ihr Misstrauen in die Schulen, für die Sie selbst zuständig sind, wenn Sie nicht glauben, dass die Menschen, die mit einem Abitur die Schule verlassen, auch studierfähig sind?

Natürlich bleibt die Frage:Wer trägt die Kosten für diesen ganzen Testtourismus?

In der Anhörung wurde dieses Projekt – vielleicht ein Konjunkturprogramm für Rechtsanwälte – auch als ein Konjunkturprogramm für die Testindustrie bezeichnet. In den USA zahlen Studienbewerber mittlerweile bis zu 900 c für sechswöchige Seminare, die sie auf die Aufnahmeprüfungen an den Hochschulen vorbereiten. Dort lernen sie das Schreiben von Bewerbungsaufsätzen und üben die Beantwortung von Testfragen ein; oder sie werden in soziale Einrichtungen geschickt, um das in ihrem Lebenslauf als Auswahlkriterium unterbringen zu können.In den USA beschäftigen mittlerweile größere Hochschulen bis zu 100 Mitarbeiter, die nichts anderes tun, als Auswahlverfahren durchzuführen.

Umgekehrt lautet die Frage natürlich auch: Welche Auswirkungen hat das auf die Schule? Brauchen wir jetzt zwei Wochen schulfrei, damit sich alle abgehenden Schülerinnen und Schüler bundesweit bewerben können?

Ich komme zum Schluss, meine Redezeit ist vorbei. Es ist absurd: Sie wollen viel Geld ausgeben für unsinnige, zweifelhafte Testverfahren – anstatt einfach dieses Geld zu nehmen und es in die Ausweitung der Kapazitäten zu stecken. Sie wollen nur den Mangel verwalten.

Das ist nicht der richtige Weg,um die Hochschulzulassung zu regeln. Frau Ministerin, ich meine, Sie können schon die nächsten Kummerkasten einrichten.

(Beifall der Abg.Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Deshalb wird DIE LINKE diesem Staatsvertrag nicht zustimmen. Wir halten diese Herangehensweise für grundfalsch. Die Studienkapazitäten müssen ausgeweitet werden, statt immer neue Selektionsmechanismen im Bildungsbereich einzuführen.

(Beifall bei der LINKEN)

Schönen Dank, Frau Wissler. – Für die Landesregierung, Frau Kühne-Hörmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der heutigen dritten Lesung des Gesetzentwurfs zum Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für die Hochschulzulassung kann das Ratifizierungsverfahren nun auch in Hessen abgeschlossen werden.

Mit dem bisherigen, zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen vom 22. Juni 2006 hatten die Länder bereits eine Grundsatzentscheidung getroffen, die ZVS – also die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen – in eine andere Rechtsform zu überführen, mit verändertem Aufgabenspektrum.

Damit das nun endgültig vollzogen werden kann, liegt heute der Gesetzentwurf vor,unter Einbeziehung des Änderungsantrags der Fraktionen von CDU und FDP. Die Hochschulrektorenkonferenz und die Länder begrüßen die Fortentwicklung der bisherigen Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen zu einer Stiftung für Hochschulzulassung.

Der vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Gesetzentwurf der Landesregierung eingebrachte Änderungsantrag ist denkbar ungeeignet, bestehende und für unzulänglich gehaltene Verhältnisse zu ändern und damit die Voraussetzungen zu schaffen, sie auch verbessern zu können. Denn nach der vorgeschlagenen Regelung zu § 3 ist eine Festsetzung von Zulassungszahlen für die nicht in das zentrale Verfahren der Stiftung einbezogenen Studiengänge in Hessen nicht mehr möglich. Danach kann es an hessischen Hochschulen keine örtlichen Zulassungsbeschränkungen mehr geben, für die Dienstleistungen einer Servicestelle für Hochschulzulassung in Anspruch genommen werden könnten oder nach wissenschaftlichen Kriterien entwickelte und diskriminierungsfrei ausgerichtete Studierfähigkeitstests stattfinden könnten.

Mit dem Gesetzentwurf sollen die Voraussetzungen für die Umwandlung der ZVS in eine Dienstleistungseinrichtung geschaffen werden, die von den Hochschulen ebenso wie von den Bewerberinnen und Bewerbern dringend benötigt wird, um ein effizientes Zulassungssystem zu gewährleisten, damit Mehrfachbewerbungen endlich aufhören, die im Moment nicht nur die Hochschulen betreffen, sondern auch viele Studierende.Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Frau Ministerin Kühne-Hörmann. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Dann lasse ich über den Gesetzentwurf in der vorgelegten Form abstimmen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Zustimmung der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN wird dieser Gesetzentwurf in dritter Lesung zum Gesetz erhoben. – Danke schön.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich bekannt geben, worauf sich die Geschäftsführer geeinigt haben, damit sich die nachfolgenden Rednerinnen und Redner auch darauf vorbereiten können, dass es, wenn sie drankommen, etwas schneller gehen kann.

Tagesordnungspunkt 28 wird zur abschließenden Beratung an den Kulturpolitischen Ausschuss überwiesen. Für Tagesordnungspunkt 29 wurde eine Redezeit von fünf Minuten vereinbart. Die Tagesordnungspunkte 34, 39 und 42 gehen abschließend an den Ausschuss für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Tagesordnungspunkt 51 geht abschließend an den Haushaltsund Innenausschuss. Tagesordnungspunkt 55 wird ohne Aussprache an die Ausschüsse überwiesen; das ist das Thema Ausländerbeiratswahlen. Herr Wagner, herrscht hier Einvernehmen? – Gut.

Dann rufe ich jetzt vereinbarungsgemäß die Tagesordnungspunkte 94 und 95 auf:

Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Hessisches Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt und zur Änderung von Rechtsvorschriften – Drucks. 18/1696 zu Drucks. 18/1608 zu Drucks. 18/1050 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr zu dem Dringlichen Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. EU Nr. L 376 S. 36) und zur Änderung von Rechtsvorschriften (Drucks. Nr. 18/1050) vom 8. September 2009 – Drucks. 18/1697 zu Drucks. 18/1687 –

Berichterstatter ist Herr Kollege Milde. Herr Kollege Milde hat zur Berichterstattung das Wort.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU):Ich habe den Bericht nicht!)

Kann ihm jemand behilflich sein,Herr Geschäftsführer? – Herr Schaus ist behilflich.

(Allgemeiner Beifall – Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP: Oh!)

Herr Milde, Sie haben das Wort.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Ich habe noch einmal nachgeschaut:Es ist der richtige Bericht,vielen Dank, Herr Schaus.

(Heiterkeit)

Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2006/123/EG – –

(Anhaltende Heiterkeit)

Ich will doch sicher sein, dass wir, wenn wir schon gemeinsam etwas machen, es auch richtig machen

Beschlussempfehlung: Der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und FDP – leider – gegen die Stimmen von SPD und LINKEN bei Stimmenthaltung des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, den Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung zur zweiten Lesung, Drucks. 18/1608, in dritter Lesung anzunehmen. – Vielen Dank.