Zum Ernst der Sache. Wir streiten darum, ob die Sonnund Feiertagsruhe weiter ausgehöhlt werden soll. Ich verweise dazu auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von vor wenigen Tagen zu dem Urteil des Berliner Senats. Der Hinweis,dass das ein rot-roter Senat ist,macht dessen falsche Entscheidungen nicht besser. Das möchte ich an dieser Stelle gleich abräumen.
Das unterscheidet uns.Wir sind zur Selbstkritik fähig, was jene Seite an dieser Stelle nicht so ausgeprägt vertritt.
Ich stehe sowieso dafür. – Die Sonn- und Feiertagsruhe ist ein wichtiges Gut.Wir sollten es nicht ohne Grund aufgeben. Natürlich gibt es gesellschaftliche Notwendigkeiten, dass man auch an Sonn- und Feiertagen arbeiten muss. Das ist so im Dienstleistungsbereich, bei der Krankenschwester, der Altenpflegerin und dem Polizeibeamten. Das brauchen wir zur Aufrechterhaltung unserer Gesellschaft. Meine sehr verehrten Damen und Herren, insbesondere die Vertreter der FDP, uns ernsthaft jetzt mit diesem Gesetzentwurf zu behelligen und zu sagen, sonntags müsse man Videotheken öffnen, und das sei auch etwas, was die Wirtschaft fördere, ist an Absurdität nicht zu überbieten.
Der von mir gelegentlich heftig kritisierte Innenminister hat unsere vollste Unterstützung. Ihm ist es mehr als schwergefallen, in der ersten Lesung den Gesetzentwurf zu vertreten. Er hat das dem schlechten Wahlergebnis der CDU geschuldet.Weil die FDP so gut geworden ist, konnten Sie sich das heraushandeln lassen.
Dieser Tage hat der Europaabgeordnete Mann gesagt: Wir brauchen mehr Schutzrechte für Arbeitnehmer an Sonntagen. – Das alles sind Dinge, die richtig und nachvollziehbar sind. Deswegen gibt es keine fachliche Begründung für den Gesetzentwurf.
Wir wollen Ihnen über die Feiertage Gelegenheit geben, innezugehen.Deswegen beantragen wir die dritte Lesung. – Vielen Dank.
Herr Präsident, verehrte Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Rudolph, das Ganze ist schön kalkulierbar. Wir haben jetzt die zweite Lesung. Wir hatten die erste Lesung und die Anhörung. Nichts ist kalkulierbarer als ein Profi, der das abspielt, was er kann. Respekt. Ich habe gelernt, Herr Rudolph, dass Sie über ein Thema sprechen, das Sie gar nicht verinnerlicht haben. Da geht es Ihnen so ähnlich wie mir. Eine Videothek besuchen Sie nicht. Das Videoangebot sei einseitig. Damit bei Ihnen etwas mehr Gelassenheit hineinkommt, habe ich Ihnen ein kleines Präsent für sonntags, an dem kein Feiertag ist, mitgebracht. In eine Videothek gehen Sie nicht. Der Titel heißt „Aquarium – Trend-DVD zum Entspannen“. Legen Sie sich das ein, dann können Sie ein Aquarium über drei bis vier Stunden anschauen, wie es dort blubbert, macht und tut.
Denn eines habe ich aufgegeben:Den Rudolph in eine Videothek hineinzubringen. Das macht er nicht. Die Titel zitiert er einseitig. Aber es gibt auch solche DVDs und Videos. Vielleicht kaufen Sie sie. Das ist ein kleines Präsent von mir. Dann wird es auch beim nächsten Mal etwas lockerer und gleichwohl kalkulierbar.
Ich möchte gleichwohl den Kollegen Rudolph aufgreifen. Er hat das Gesetz als eines der unwichtigsten Gesetze überhaupt bezeichnet.
Das hat im Ausschuss dazu geführt, dass ein zweiter Minister herbeizitiert wurde, weil das auf einmal so wichtig war. Das ist ein formeller Aspekt.
Das nach Auffassung der SPD unwichtigste Gesetz führt jetzt dazu, dass wir eine dritte Lesung bekommen, die im Februar stattfindet. Dann kommt das Gesetz im Februar. Auch gut.Verstehen kann man das nicht.
Aber wenn man im Landtag neu ist, lernt man immer wieder dazu. Dann weiß man auch, dass man manches nicht verstehen kann, was unter Politik zu verstehen ist.
Ist es ein unwichtiges Gesetz? – Ja, wenn man es aus der begrenzten Sicht der Opposition sieht, dass es nur auf die dort geregelten Belange ankommt, insbesondere die Öffnungszeiten. – Nein, unsere Auffassung geht weiter als
das,was im Gesetz geregelt ist.Tangiert ist hier ebenso unser Verständnis davon, welche Funktion der Feiertagssonntag im Jahr 2009 hat – in unterschiedlichster Art und Weise. Damit will ich mich auch beschäftigen. Davon tangiert ist auch die grundlegende Frage, wie Leben sich höchstpersönlich gestaltet, wie Freizeit praktiziert wird und wie letztendlich mit dem Sonntag oder Feiertag umgegangen wird. Kurzum: Mein oder Ihr persönliches Verhalten an einem Sonntag steht hier nicht zur Debatte. Gott sei Dank.
Ich bekenne gleichwohl, dass sich mein persönliches Verhalten an einem Sonntag insbesondere im letzten Jahr aufgrund der Landtagsabgeordnetentätigkeit verändert hat, verglichen mit vor zwei, fünf oder zehn Jahren oder vor 17 Jahren, als mein Sohn geboren wurde. Das ist normal. Denn alles ist stetig, alles verändert sich. Das gilt auch für das Freizeitverhalten an einem Feiertag und an einem Sonntag. Gott sei Dank ist das so.
Zum Beispiel. Wer das will, kann das machen. An einer Tankstelle schon, aber die Autowaschanlagen als solche erlauben wir nicht.Warum das so ist, ist auch in der mündlichen Anhörung, insbesondere in dem Beitrag von Prof. Dr. Reinhart Ricker, der kein Lobbyist ist, deutlich geworden. Ich rate dringend, diesen nachzulesen. Ich zitiere zwei Akzente:
Der Sonntags- und Feiertagsschutz hat sich im Laufe der Jahrzehnte in seiner Werthaltigkeit nicht vermindert, aber verändert.
Die Bundesrepublik Deutschland obliegt verfassungsrechtlich der Pflicht, weltanschaulich neutral zu sein, auch wenn das für den einen oder anderen
Heute geht es auch um die religiösen Betätigungen, aber darüber hinaus auch um die Erholung, den Abstand von der Arbeit, das Knüpfen sozialer Kontakte und den Schutz der Familie. All diese Gesichtspunkte fasst Prof. Dr. Ricker sodann in einem modernen Begriff der Sonntags- und Feiertagsruhe zusammen. Dem folge ich vollumfänglich. Ich bitte, das wirklich einmal nachzulesen. Er ist kein Lobbyist. Das ist hochinteressant.
Meine Damen und Herren, bei aller Kritik, bei allem Unverständnis, dass es so ist, muss man doch feststellen, dass dies die gelebte Realität ist. Es hat sich etwas verändert. Darüber zu diskutieren und es exemplarisch an den Öffnungszeiten der Videotheken alleine festzumachen, geht an der Sache vorbei.
Meine Damen und Herren, was man am Sonntag macht, was man machen will, das, was man letztlich nicht machen will oder nicht machen kann, ist die freie Entscheidung desjenigen, der über die Zeit am Sonntag entweder frei oder zumindest teilweise frei entscheiden kann. Der Sonntag, der Feiertag hat hierbei nach wie vor herausragende Bedeutung. Er ist kein Werktag. Er ist der siebte Tag in der Woche. Er ist der Tag, an dem das Christentum dem Kirchgang folgt.
Danke schön. – Aber dies feststellend, stehe ich ebenso dafür ein, dass ein jeder sich so verhalten kann, wie er es tun will und für richtig hält. Aus diesem Grunde war ich über den Gang der Debatte bei der ersten Lesung,gelinde gesagt,etwas erstaunt.Die Menschen,die sich am Sonntag ein Video oder eine DVD ausleihen wollen, in eine Schmuddelecke zu stellen, wie es durch den Beitrag eines Abgeordneten geschehen ist, halte ich für intolerant.
Die Art und Weise, wie das geschehen ist, hielt und halte ich nach wie vor für parlamentsunwürdig und unangemessen.
Was wollen wir mit dem Gesetz? Wir wollen hierbei nicht das machen – ich habe auch ein Geschenk für Herrn Kaufmann, wenn er Wert darauf legt, aber das habe ich in der Tasche gelassen –, was das Bundesland Berlin getan hat und wofür es zu Recht vom Bundesverfassungsgericht die entsprechende Quittung bekam. Beim Öffnen der Videotheken steht gerade nicht das Shoppinginteresse im Vordergrund.
Wir tragen dem mehrfach angesprochenen Freizeitverhalten und der Veränderung des Sonntags selbst Rechnung, indem wir die Videotheken in einem zeitlichen Umfang, der den Kirchgang nicht tangiert, öffnen lassen, aber nicht nur die Videotheken, sondern auch die Bibliotheken.
Ich bitte um Zustimmung, auch wenn es einer dritten Lesung bedarf und das Inkrafttreten etwas verzögert wird. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Schönen Dank, Herr Blechschmidt. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Frömmrich das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man dem Kollegen Blechschmidt folgt, hat man das Gefühl, man sei in einer anderen Anhörung gewesen. Herr Kollege, es gehört schon sehr viel Fantasie dazu, ausgerechnet die drei herauszufinden, die einigermaßen in die Richtung Ihres Gesetzes argumentiert haben. Alle anderen Anzuhörenden haben diesen Gesetzentwurf in der Anhörung zerrissen,und das ist auch gut so.