Protocol of the Session on November 19, 2009

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Zu Recht warnen die Kommunalpolitiker aller Parteien davor,die Einnahmebasis noch weiter zu schmälern.Nach einem Treffen der südhessischen Landräte am Wochenende hat der Direktor des Landkreistages, Herr Gerrit Kaiser, verkündet

(Günter Rudolph (SPD): CDU!)

genau; danke für die Nachhilfe –, die Finanzlage der Landkreise sei aussichtslos, und man wolle mit allen Mitteln versuchen, diese Verschlechterung zu verhindern.

Ein weiteres namhaftes CDU-Mitglied, Frau Petra Roth,

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Präsidentin des Städtetages, hat erklärt, die massiven Steuereinbrüche würden dazu führen, dass die Kommunen noch weiter an den Rand gedrängt werden. Wörtlich hat sie erklärt: „Wir sitzen in einer Falle.“

(Günter Rudolph (SPD): Hört, hört!)

Sie hat vorgerechnet, dass den Kommunen in den nächsten vier Jahren ein jährliches Defizit von 10 Milliarden c droht und dass sie ausbaden müssen, was die rückläufige Konjunktur auf sie einstürmen lässt, und zudem, was dann durch die zu erwartenden kurzsichtigen schwarz-gelben Steuerbeschlüsse auf Bundesebene verschuldet werde.

Wir wissen alle, dass die Steuereinnahmen schon jetzt krisenbedingt im Land und in den Kommunen rückläufig sind. Im Landeshaushalt haben wir es gestern diskutiert. Die meisten von Ihnen sind auch kommunal verankert: Nahezu alle Kommunen müssen Haushaltssicherungskonzepte verabschieden. Ich glaube, bei den Aussichten, die wir alle kennen, können wir mit relativer Sicherheit davon ausgehen, dass diese Haushaltssicherungskonzepte das Papier nicht wert sind,auf dem sie geschrieben stehen. So ähnlich werden diese Konzepte auch in den Kommunalparlamenten behandelt. Landauf, landab werden Resolutionen verabschiedet, die sich dagegen wenden, dass die Landesregierung in den Kommunalen Finanzausgleich eingreifen will. In meinem Heimatwahlkreis haben FDP und SPD gemeinsam diese Resolution eingebracht. Wir haben ihr in großer Einmütigkeit zugestimmt. Die Besorgnis – nehmen Sie es zur Kenntnis – ist parteiübergreifend,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

dass es durch die Steuerpläne, die aus Berlin drohen, noch schlechter wird und dass wider alle Vernunft weitere Eingriffe in die Einnahmemasse des Staates vorgenommen werden.

Ich habe noch Hoffnung, dass Finanzminister Schäuble es in seiner ruhigen, vielleicht auch manchmal sturen Art schafft, die FDP auf Bundesebene zur Vernunft zu bringen, und dass er ihnen erklärt, dass man die Wirtschaftsweisen doch ernst nehmen müsse. Die Wirtschaftsweisen haben nämlich mit vernichtender Einmütigkeit festgestellt, dass Steuersenkungen auf Pump nicht zu machen sind und dass man doch tunlichst davon ablassen müsse.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb richte ich meine ausdrückliche Bitte an die FDP und die CDU im Hessischen Landtag: Wenden Sie Schaden ab von den hessischen Kommunen. Überlegen Sie sich, was Sie mit Ihrer Stimme im Bundesrat machen. Überlegen Sie sich, was Sie mit Ihren Einflussmöglichkeiten auf der Parteiebene machen, und wenden Sie Schaden

ab von hessischen Kommunen und dem hessischen Landeshaushalt. Ziehen Sie die Notbremse, und verhindern Sie Steuersenkungen auf Pump.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth. – Nächster Redner ist Herr Kollege Decker für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde hätte auch lauten können: Finanzdrama auf allen Ebenen: im Bund, in den Ländern und – immer am Ende dieser Kette – voll auf dem Buckel der Kommunen.

(Beifall bei der SPD)

Auch ich will zur Einstimmung auf die weitere Debatte einige Zeugenaussagen von Betroffenen – vielleicht sollte ich besser sagen: von Opfern – dieser schwarz-gelben Steuerpläne bringen. Ich zitiere Ministerpräsident Böhmer: „Wenn ein Bundesland durch Steuergesetze des Bundes gezwungen wird, gegen die Schuldenbremse zu verstoßen, sollte man über eine juristische Prüfung nachdenken.“

Der Noch-Ministerpräsident Oettinger: „Wegen der massiven Verschuldung der Länder wird den Länderfinanzministern angesichts der Steuersenkungspläne angst und bange.“ Ministerpräsident Wulff sieht das nicht anders.

Oberbürgermeisterin Roth wurde schon zitiert. Sie sagt am Ende Ihrer Ausführungen: „Das ist ein Alarmzeichen.“

Meine Damen und Herren, damit es ein bisschen ausgewogen wird, zitiere ich zwischendurch einen Roten, nämlich den Bremer Bürgermeister Börensen. Er sagt: Die Länder und Kommunen „sollen“ und „wollen etwas für den Ausbau der Kinderbetreuung und das Bildungswesen tun.Gleichzeitig sollen und würden wir gern aber auch die Schuldengrenzen einhalten. Wie wir das gleichzeitig bei massiven Steuersenkungsprogrammen, die in unseren Haushalten ankommen, leisten können, ist für mich zurzeit... nicht nachvollziehbar – ich glaube, da sollen wir mehr, als wir wollen können.“ Karl Valentin grüßt die schwarz-gelbe Regierung.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ganz dicke kommt es dann zum Schluss, wenn wir hören, was der Sachverständigenrat in ungewohnter Schärfe sagt: „Steuersenkungsversprechen ohne solide Gegenfinanzierung, wie sie sich im Koalitionsvertrag finden, sind unseriös.“ Meine Damen und Herren,das sind Volltreffer. Ich glaube, das spricht für sich, was diese Steuerpläne angeht.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Im Übrigen sind die schwarz-gelben Steuersenkungen wieder einmal stark klientelgefärbt. Das sieht man z. B. beim Kinderfreibetrag.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Er kommt allein den Höchstverdienern zugute. Meine Damen und Herren, aber bei denen, die es bitter nötig haben, kommt er nicht an. Das wollen wir klar und deutlich sagen. Liebe Kollegen von Schwarz und Gelb, das hat euch sogar die „Bild“-Zeitung bescheinigt.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Allein das sogenannte Wirtschaftswachstumsgesetz belastet die Kommunen mit 1,5 Milliarden c und den Bund mit 2,2 Milliarden c. Bei den Kommunen wird es dabei bestimmt nicht bleiben, liebe Kollegen von der CDU.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Jetzt kommen wir zur Gretchenfrage:Was hört man angesichts dieser dramatischen Lage von dieser Hessischen Landesregierung? Nichts. Sie lässt es geschehen, ohne etwas dagegenzusetzen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): Peinlich!)

Ganz im Gegenteil, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie setzen noch einen obendrauf. Die Kürzung der Schlüsselzuweisungen um mehr als ein Fünftel trifft die Kommunen ins Mark und in ihre Leistungsfähigkeit, und das bei ohnehin einbrechenden Steuereinnahmen auf der Ertragseite und erheblichen Steigerungen auf der Ausgabenseite.

Jetzt kommt wieder so ein berühmt-berüchtigtes Beispiel aus Kassel,weil die das immer besonders beutelt.Die Verringerung der drei Ertragsquellen – liebe Kolleginnen und Kollegen, hört zu – Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Schlüsselzuweisungen für das Jahr 2010 bringt im Vergleich zu 2008 ein Weniger von 60 Millionen c. Da müssen wir hier eigentlich über gar nichts mehr reden. Das spricht doch Bände.

Ich zitiere den Kasseler Stadtkämmerer:

Katastrophal wäre die zusätzliche Kürzung der Finanzausgleichsmasse um 400 Millionen c... Von diesem Schlag würden sich die strukturschwachen Städte, aber auch viele nord- und mittelhessischen Landkreise über Jahrzehnte nicht erholen können.

(Beifall bei der SPD – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Guter Mann!)

Meine Damen und Herren, die Hessische Landesregierung provoziert damit eine neue Welle des sozialen Abbaus, des Abbaus bürgerschaftlicher Leistungen. Die Auswirkungen auf Kindergärten und Schwimmbäder habe ich hier an anderer Stelle schon mehr als einmal gegeißelt.

Jetzt ein persönliches Wort an den Kollegen Weimar, aber auch an den Kollegen Bouffier.–Wo ist er eigentlich? Das ist ein kommunaler Punkt.

(Günter Rudolph (SPD):Er ist heute entschuldigt!)

Damit Sie mir nicht sagen, ich sei ein undankbarer Hund, will ich ausdrücklich sagen: Natürlich haben Sie auch Mittel in die Kommunen geleitet,auch nach Kassel.Unser Oberbürgermeister, aber auch wir wissen das durchaus zu schätzen. Aber was nützt es uns, wenn Sie uns das Geld, das Sie uns vorne in die Hand geben,um das Zigfache hinten wieder aus dem Portemonnaie herausnehmen? Damit ist uns auch nicht geholfen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn sich dann die FDP mit ihrer Forderung nach Abschaffung der Gewerbesteuer durchsetzen sollte und die Berliner Koalition unsere Stadtwerke und damit die Gebührenzahler tatsächlich mit der Mehrwertsteuer belastet, dann können wir in den Kommunen am Ende nur noch den alten Schlager von Peter Alexander singen: „Dann gehen die Lichter aus“.

Meine Damen und Herren, ich glaube, damit ist an dieser Stelle alles gesagt. Es ist Aufgabe des Bundes, aber auch gerade der Landespolitik, die Lebensqualität in den Kommunen zu bewahren und zu stärken. Deswegen fordern wir genauso wie meine Vorrednerin, Frau Kollegin Erfurth, die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen auf: Korrigieren Sie endlich Ihre kommunalfeindlichen Beschlüsse, und stimmen Sie im Bundesrat gegen alle landes- und kommunalfeindlichen Gesetzesinitiativen.Viele Ihrer Unionskollegen haben es schon längst getan.

Herr Kollege Decker, Sie müssten zum Schluss Ihrer Rede kommen.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Meine Damen und Herren, es kommt der Schlusssatz: Schwarz und Gelb haben die Auszeichnung „kommunalfreundlich“ schon längst verloren.Aber ich sage Ihnen an der Stelle deutlich: Wir sind und bleiben die Kommunalpartei. Das werden wir jeden Tag mit unserem Widerstand deutlich machen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)