Protocol of the Session on November 19, 2009

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Decker. – Nächster Redner ist Herr van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren! Wir sind sehr dankbar, dass die GRÜNEN dieses Thema hier eingebracht haben; denn es ist wirklich notwendig, über die Situation der hessischen Kommunen nicht nur nachzudenken, sondern tatsächlich Veränderungen in der Finanzpolitik einzuleiten. Zu prekär ist schon heute die Finanzierungsgrundlage der hessischen Kommunen, zu alarmierend sind die kommenden Steuereinbrüche bei den Kommunen, und zu absurd und zu gefährlich erscheinen die schwarz-gelben Steuerpläne für die Kommunalhaushalte und die öffentliche Daseinsvorsorge.

Bei jedem verantwortungsbewussten Landespolitiker sollten die Alarmglocken klingen, wenn den hessischen Kommunen schon zum dritten Quartal dieses Jahres bei den Vorsteuerzahlungen der Gewerbesteuer 1,2 Milliarden c Einnahmen fehlen.

Der Arbeitskreis Steuerschätzungen prognostiziert desaströse kommunale Einnahmeverluste bis 2010 von knapp 2 Milliarden c in Hessen. Die Ausgaben der Kommunen im Sozialbereich werden gleichzeitig durch steigende Langzeitarbeitslosigkeit drastisch steigen.Allein die Steuersenkungen durch die Konjunkturpakete I und II der da

maligen Großen Koalition kosten die hessischen Kommunen 680 Millionen c bis 2010.

Die 82 Millionen c, die den hessischen Kommunen durch die sofortigen Steuergeschenke für Großverdiener entzogen werden, sind in der Relation zu diesen Beträgen eher gering einzuschätzen, verschärfen aber die jetzt schon angespannte Situation der Kommunalhaushalte auf das Drastischste.

(Minister Michael Boddenberg:Wer ist denn bei Ih- nen ein Großverdiener?)

Ab 2011 wird der alte Fehler des Wegsparens öffentlicher Investitionen und freiwilliger Leistungen durch die Auszehrung öffentlicher Kassen befeuert und das Verscherbeln öffentlichen Eigentums durch Privatisierungen und PPP-Projekte angeheizt. Die Bürger werden dies mittelbar spüren. Sie dürfen dann die Haushaltslöcher durch höhere Straßenerschließungsbeiträge, durch höhere KitaBeiträge und durch den Verzicht auf eine solide kommunale Infrastruktur bezahlen.

Die größten Gefahren durch Schwarz-Gelb drohen jedoch in den nächsten Jahren durch Ihre Steuerpläne.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Es ist ein Unding, dass die Gewerbesteuer als wichtigste Einnahmequelle Stück für Stück gerupft wird.

(Norbert Schmitt (SPD): Da hat er recht!)

Auf dem Städtetag am 26. Mai 2009 hat Frau Merkel noch versprochen, die Gewerbesteuer bleibe unangetastet. Nun wollen Union und FDP bereits 2010 die Erhebungsgrundlage der Gewerbesteuer verkleinern, und die Gewerbesteuer in Gänze soll in einer Kommission hinterfragt werden.

(Dr.Thomas Spies (SPD): Unerhört!)

Mit solchen Plänen soll die Stütze der Kommunalfinanzen weggehauen werden, die gerade der FDP immer ein Dorn im Auge war. Was die Hartz-Kommission für Millionen Langzeitarbeitslose bedeutete, wird diese Tigerentenkommission für die Kommunen sein, nämlich der soziale Kahlschlag in den Kommunen.

(Beifall bei der LINKEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hat Janosch nicht verdient!)

Ja. – Zweitens werden beispielsweise kommunal betriebener Müll- und Abwasserentsorgung unter dem Dogma der Wettbewerbsgleichheit Sonderlasten aufgebürdet, die mit deutlichen Gebührensteigerungen von den Einwohnern bezahlt werden müssen. Zudem hält sich SchwarzGelb noch eine weitere Option offen. Für private Dienstleister im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge wollen sie ebenfalls eine Umsatzsteuerbefreiung einführen, was der Privatisierung Vorschub leistet und die kommunalen Einnahmen verringert.

Eines bleibt klar: Die Kommunen in ihrer selbstverantwortlichen Verfasstheit geraten durch schwarz-gelbe Steuerpolitik in Gefahr. Daher stellt sich die Frage, wie weit die Landesebene angesichts von uns beschlossener und gewollter kommunaler Standarderhöhungen im Bereich der Schule, der Erziehung und der Infrastruktur und des von mir skizzierten Einnahme-Tsunamis einen belastbaren Rückhalt für die Kommunen gibt. Wenn wir dies nicht tun, sind es auch die Mehrheiten des Landtags, wel

che die Verantwortung für den kommunalen Haushaltsnotstand der kommenden Jahre tragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Daher ist es ein Muss und das Mindeste, dass die Hessische Landesregierung gerade 2011 auf die geplanten Kürzungen des Kommunalen Finanzausgleichs von 400 Millionen c verzichtet, da sonst den Kommunen keine Luft zum Atmen bliebe.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege van Ooyen, ich darf Sie bitten, zum Schluss Ihrer Rede zu kommen.

Meine Damen und Herren, daher ist es das Mindeste, dass die Hessische Landesregierung den Kommunen beisteht und die schwarz-gelben Einschnitte in der kommunalen Selbstverwaltung abwehrt. Ich kann Ihnen versprechen, dass wir die Verantwortung in den Kommunen ernst nehmen. Wir werden den Widerstand mit Widerstandskomitees vor Ort ausweiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege van Ooyen. – Nächster Redner ist nun Herr Kollege Milde für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Sein scheint das Bewusstsein bei Rot-Grün zu prägen.Wir hatten in Deutschland schon Phasen gehabt – ich denke an 1998 –, als Rot-Grün voller Tatendrang im Bund an die Regierung kam und damals Steuerentlastungen in einem Umfang beschlossen hat, dass es den Kommunen damals angst und bange werden musste.

Ich habe damals jedenfalls den Widerstand der hessischen GRÜNEN und der hessischen SPD hier im Landtag so nicht wahrgenommen. Also ist doch schon ein Riesenstück Populismus dabei, wenn Sie heute mit solchen Anträgen versuchen, sich auf die Seite der hessischen Kommunen zu schlagen.

Natürlich ist es richtig, was Sie zitiert haben. Von Petra Roth bis Gerrit Kaiser gibt es auch viele CDU-Leute, die die Finanzlage der Kommunen bedroht sehen. Das ist auch keine Frage, man muss sich nur einmal die Zahlen anschauen. Aber eines ist auch klar, und das haben wir hier im Hause mehrfach ausführlich debattiert, und Karlheinz Weimar hat Studien dazu vorgelegt: Wie sieht es denn tatsächlich aus? Nach allen Zahlen, die uns vorliegen, sind die hessischen Kommunen die am besten finanzierten Kommunen aller Bundesländer Deutschlands. Gleichzeitig – da haben Sie recht,das ist auch belegt – sind die hessischen Landkreise diejenigen Landkreise, die offensichtlich die wenigste Unterstützung aus ihren Kommunen haben oder die meisten Aufgaben wahrnehmen. Jedenfalls sind es die am höchsten verschuldeten Landkreise in Deutschland. Das passt irgendwo nicht zusammen.

Deswegen hat es sich Karlheinz Weimar zur Aufgabe gestellt, den Kommunalen Finanzausgleich zu reformieren. Wir werden auch mit der Haushaltsstrukturkommission überlegen, woran es liegen könnte, dass ausgerechnet die hessischen Kommunen die höchsten Schulden und gleichzeitig die höchsten Einnahmen haben. Deswegen ist es notwendig, dass wir über das Thema reden. Das heißt noch lange nicht, dass jede Steuerentlastung, die in Berlin beschlossen wird,auch dazu führt,dass es den Kommunen schlechter geht.

Die Zahl hat gestern Roland Koch gestern genannt:Wenn der wirtschaftliche Rückgang statt 6 % nur 5 % beträgt, dann bedeutet das 10 Milliarden c Mehreinnahmen allein für den Bund und noch einmal ungefähr so viel für die Kommunen und für die Bundesländer. Das bedeutet doch, dass die Mittel, die eingesetzt wurden, um die Krise zu bekämpfen, richtig gewesen sind. Dann sind doch auch die anderen Schritte, die jetzt unternommen werden, richtig.

Natürlich haben wir jetzt diese 14 Milliarden c, die bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen,weil sie die Sozialversicherungsbeiträge stärker absetzen können. Darüber haben wir gestern gesprochen. Natürlich ist das Geld. Hinzu kommt die Erhöhung des Kindergeldes. Aber es kommt doch dem einfachen Steuerzahler zugute, der das Geld wieder investiert und damit die Wirtschaft ankurbelt. Deswegen ist der Begriff Wachstumsbeschleunigungsgesetz in Berlin auch richtig.

Aber ich will Ihnen nicht vorenthalten, dass ich mir einmal angeschaut habe, was damals in Berlin gemacht wurde und warum es gemacht wurde. Weil Kollege Wagner gerade freundlicherweise zuhört und herüberschaut,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Immer!)

will ich gerade den GRÜNEN sagen: Es gab einmal den Kollegen Rezzo Schlauch, der sich auch um die Frage von Steuersenkungen Gedanken gemacht hat. Er hat in einer Rede gesagt:

Der andere Weg besteht darin, den Menschen wieder Luft zum Atmen zu geben. Gerechtigkeit kann man nämlich nicht nur dadurch schaffen, dass man Geld einnimmt und es dann mithilfe der Bürokratie wieder verteilt. Gerechtigkeit kann auch heißen, den Menschen das Geld erst gar nicht zu nehmen, sondern es bei ihnen zu belassen.Diesen Weg schlagen wir ein.Deshalb bringt die Regierungskoalition

damals –

die größte Steuerentlastung in der Geschichte unseres Landes auf den Weg.Wir entlasten die Steuerzahler alles in allem um mehr als 70 Milliarden DM.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das sind umgerechnet 35 Milliarden c. – Der schönste Teil des Zitats von Rezzo Schlauch kommt jetzt noch. Er bringt es auf den Punkt:

Weniger Steuern, geringere Abgaben, höhere Nettolöhne – das ist unser Reformdreiklang,

von Rot-Grün –

der die Konjunktur wieder in Fahrt bringen wird. Insgesamt werden wir den Eingangssteuersatz um satte 10,9 % und den Spitzensteuersatz

man höre und staune: den Sie gerade wieder gerade erhöhen wollen –

um 8 % senken.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gut, dass Sie die Rede nicht geschrieben haben!)

Deswegen ist das der richtige Weg gewesen, er hat auch seine Erfolge gezeigt. Unser Weg wird genauso richtig sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Nur einmal zur Erinnerung: Unter Rot-Grün wurde der Eingangssteuersatz von 25 % auf 12 % reduziert. Unter Rot-Grün wurde der Spitzensteuersatz von 53 % auf 42 % gesenkt.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das stimmt!)