Meine Damen und Herren, das, was Sie angesprochen haben, hat zwei Teile. Zum einen betrifft es die Universitäten, und zum anderen die Schulen.
Ich möchte einmal mit dem beginnen, dem ich vielleicht noch etwas abgewinnen kann, nämlich mit dem, was an den Universitäten geschieht.Ich verhehle es nicht:Wir haben eigentlich sehr verhalten reagiert, als es darum ging, die Abschlüsse Bachelor und Master einzuführen. Jedenfalls brach bei uns keine Euphorie aus. Ich denke, da besteht die Gefahr, dass Ziele, die vorgegeben sind, eigentlich nicht erreicht werden. Insofern kann ich, was das angeht, den Protesten einiges abgewinnen.
Das Studium ist nicht kürzer geworden. In Teilen ist es sogar länger geworden. Denken Sie daran: Wenn wir das beim Studium für den Lehrerberuf umsetzen würden, würden alle Bereiche des Studiums für das Lehramt Grund-, Haupt- und Realschulen wesentlich länger.
Mobilität sollte erreicht werden. Sie wird auch nicht erreicht. Das hängt mit der Verschulung, der Modularisierung zusammen. Sie zwingt dazu, dass die Studenten eigentlich mehr an ihrer Hochschule verbleiben, als einmal zu wechseln. Auch da ist das Ziel verfehlt worden. Das Ganze wird überladen und verschult.
Über allem schwebt dann noch die Frage:Was fangen wir eigentlich mit dem Abschluss Bachelor an, wenn dieser Grad erreicht worden ist?
Das ist es auch, was Frau Schavan gemeint hat, als sie sagte, bei der Umsetzung seien handwerkliche Fehler gemacht worden.Wir haben den Universitäten den Autonomiestatus gewährt. Die tragen viel Verantwortung bei der Umsetzung, und das ist nicht immer ganz gelungen. Man könnte sagen, wir befinden uns ein Stück auf einem Irrweg. Wir müssten eigentlich, das ist bei dem Antrag der GRÜNEN so ausgesprochen, den Mut haben, an die Reform der Reform heranzugehen. So weit, so gut.
Nun muss man einmal fragen: Wie sieht das eigentlich in der deutschen Landschaft der Hochschulen aus? Wer sind denn diejenigen, wo es am schnellsten vorangeht? – Ich muss feststellen, dass ausgerechnet die, die die Aktuelle Stunde heute beantragt haben, die sind, die auf diesem Weg am schnellsten vorangegangen sind. Ich will einmal solche Länder nennen wie Berlin und Brandenburg. Dort ist alles schon umgesetzt worden.
(Lachen und Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE):Brandenburg? – Zuruf des Abg.Hermann Schaus (DIE LINKE))
Ich rate Ihnen einmal: Rollen Sie die Protestfahnen hier ein, fahren Sie einmal dorthin, wo es am notwendigsten ist, und packen Sie sie dort aus.
Jetzt komme ich zu dem zweiten Teil, der Schule, denn die Redezeit ist sehr begrenzt. Ich kann den Protest, den Sie äußern, überhaupt nicht verstehen. Der Unterricht ist zu 100 % abgedeckt. Die Ausgaben für Bildung sind – das können Sie leugnen, wie Sie wollen – kontinuierlich gestiegen. Die Zahl der Lehrer ist so hoch wie nie – 50.000 Köpfe, zum aktuellen Schuljahr 1.000 eingestellt und zum nächsten wieder 650 mehr.
Stichworte:Wegfall der Sternchenregelung – das bedeutet kleinere Klassen, das ist auch in Anträgen angesprochen worden –, G 8, Ganztagsbetreuung. Das ist auch angesprochen worden, sie hat sich in den letzten Jahren vervierfacht. Das alles bleibt nicht ohne Erfolg, weil seit 1999 die Zahl der Abgänger, die gar keinen Abschluss erreicht haben, halbiert worden ist.
Fragen Sie sich einmal kritisch, warum die Eltern nicht mitmachen. Wir – Kollege Irmer und ich – waren gestern mit dem Landeselternbeirat zusammen. Die haben uns ausdrücklich darauf hingewiesen
Herr van Ooyen –, dass die Eltern diesen Protest nicht mittragen. Sie haben nicht teilgenommen, darüber sollten Sie einmal nachdenken.
Jetzt bleibt die Frage: Was wollen Sie eigentlich? Sie haben die Forderungen der GEW übernommen, so auch in den Anträgen zu lesen: Rücknahme der Pflichtstundenverordnung 2004.Was ist denn der Inhalt gewesen? – Die Zahl der Stunden ist bei den Beamten von 40 auf 42 erhöht worden, bei den Lehrern um eine Pflichtstunde, weil es ein Sonderfall ist.
Im Moment liegt bei der Landespersonalkommission ein Verordnungsentwurf zur Beteiligung. Danach wird die Arbeitszeit der Lehrer um eine halbe Stunde reduziert, eingespart in einem Lebensarbeitszeitkonto. Die Inanspruchnahme wird durch Unterrichtsermäßigung erfolgen.Darüber können Sie lachen.Wenn das jemand macht, ist es eigentlich egal, aber er hat dazu die Möglichkeit. Bei den Beamten soll das analog gleich um eine Stunde geschehen, sodass beide – Lehrer und Beamte – insgesamt gleich behandelt werden, nämlich mit einem Minus von 50 %.
Altersteilzeit entfällt, weil nicht bezahlbar. Ich kann es nicht ändern. Der Rechnungshof hat uns darauf hingewiesen. Ich persönlich hätte mir eine andere Regelung gewünscht. Ich war eigentlich dafür, sogar die echte Altersteilzeit einzuführen. Aber ich muss das, was machbar ist, halt akzeptieren und kann der Wünsche viele haben, die Realisierung ist eine andere.
Dann lasse ich das einmal weg. Aber die geforderten 10.000 Deputatstunden möchte ich doch gern erwähnen. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, was das bedeutet. Das sind 380 Stellen. Das macht nach der kameralen Rechnung 17,6 Millionen c und nach der Doppik 22,8 Millionen c aus.Das ist nicht zu bezahlen.Erinnern Sie sich an die gestrige Diskussion hier im Hause,und dann wissen Sie:Es ist schierer Populismus, was Sie betreiben.
Ein Satz noch zur Methode. Sie können doch nicht im Ernst glauben, dass wir uns Anträgen anschließen, die eine Solidarisierung mit organisiertem Rechtsbruch beinhalten.
Herr Dr. Herr, ich bin gerade, weil Sie „einen Satz“ gesagt haben, dazwischengegangen. Das ist eine Aktuelle Stunde. Ich darf Sie bitten, wirklich in diesen fünf Minuten zu bleiben – wirklich jetzt letzter Satz.
Ein Teil der Anträge ist ohnehin geltendes Recht, und die Abschaffung des gegliederten Schulsystems ist mit uns nicht zu machen. Weil wir keinen Rechtsbruch gutheißen wollen, werden wir Ihre Anträge ablehnen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir finden es sehr gut, dass die Frau Kultusministerin hier anwesend ist, um der Diskussion zu folgen. Wir vermissen aber Frau Kühne-Hörmann als Wissenschaftsministerin, die hier auch tangiert ist.
Wir würden doch bitten, dass sie anwesend ist, weil es hier sowohl um Schul- als auch um Hochschulfragen geht.
Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Es ist gebeten worden, die Wissenschaftsministerin herbeizurufen. Ich darf bitten, dass dies auch gemacht wird.
Na also,das ist doch gut so.– Dann fahren wir in der Diskussion fort. Herr Kollege Dr. Spies hat für die SPD-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Kollege Herr, nur eine Bemerkung am Rande: Einen Vergleich dieses Hauses mit der Volkskammer weisen wir zurück, und in Marburg hat die auch noch nie getagt.
Meine Damen und Herren, am Dienstag konnten wir sehen, 80.000 Menschen protestieren erneut für bessere Bildung, vor allem in Wiesbaden 10.000. Irgendwie sagen alle,die haben ja irgendwie recht.Frau Schavan verspricht
gleich mehr BAföG, allerdings erst einmal um ein Jahr verschoben. Alle stimmen dem zu, und zwar in der Großen Koalition aller Fraktionen. Dagegen ist auch gar nichts zu sagen. Irgendwie finden Herr Stratmann, Frau Ahnen, Herr Frankenberg, Herr Zöllner usw. zusammen. Alle Bildungsverantwortlichen erweisen sich als wohlmeinend, aber unhandelnd und versprechen Bildung.
Meine Damen und Herren, nach 30 Jahren Beschäftigung mit Fragen einer besseren Bildung ist es irgendwie doch immer so:Alle haben es irgendwie gewusst.Alle haben es irgendwie besser gewollt. Immer schieben alle einander irgendwie über die Ebene die Verantwortung zu. Eine Ausnahme gibt es nicht. Herr Pinkwart glaubt, die Studenten wären doch eigentlich alle zufrieden; nur die paar Protestierer hätten den Rest nicht verstanden.
Meine Damen und Herren, dieser Zynismus der Zustimmung – wir reden seit vielen Jahren und über alle Grenzen hinweg – ist allerdings das eigentlich Unerträgliche an der Situation. Kreative Atmosphäre zum Lernen entsteht nicht in Stress. Die entsteht nicht in Hektik. Die entsteht nicht in unzureichender Ausstattung.Die entsteht nicht an den Hochschulen und genauso wenig bei G 8. Dies ist die Form struktureller Gewalt gegen Kinder.
Beim Jagen nach Creditpoints in überfüllten Veranstaltungen lernt man jedenfalls nicht Denken. Wer von Termin zu Termin rennt, hat keine Zeit, sich mit irgendetwas intensiv zu beschäftigen. Wenn man sich klarmacht, dass auch an hessischen Hochschulen Seminare mit 150 Teilnehmern stattfinden, dann ist das ein Witz, und dieser Witz ist überhaupt nicht neu. Mancher wäre froh, wenn er in den Seminaren wenigstens einen Sitzplatz bekommen könnte, weil nämlich Mitschreiben im Stehen ziemlich schwierig ist.
Obendrauf setzt sich Merkantilisierung des Wettbewerbswahns im neuen Hochschulgesetz, das die Steuerung der Hochschule betreiben will wie die Steuerung von Schraubenfabriken. Das tut ein Übriges. Der Bologna-Prozess – gute Idee, sagen irgendwie alle.
Irgendwie schlecht gemacht, sagen auch irgendwie alle. Die Wahrheit: ziemlich schlecht gemacht. Abgesehen von wenigen rühmlichen Ausnahmen hat man es vermieden, sich der Reform zu stellen, und stattdessen alte Inhalte in neue Regeln gegossen. Meine Damen und Herren, mancher unfähige Dozent ist heilfroh, dass seine Vorlesungen jetzt voll sind, weil es nämlich Anwesenheitspflicht gibt. Dadurch ist die Lehre kein Stück besser geworden – kein Stück.
Die Kleinteiligkeit der Inhalte, die wir in der Umstellung auf den Bologna-Prozess in die Mehrzahl der Fächer wieder hineingetragen haben, entspricht einer Kleingeistigkeit der Fachegoismen im Größenwahn, dass nur ihr Fach das wichtige sei. Meine Damen und Herren, diese Zustände sind im Geiste Humboldts absolut unwürdig.
Meine Damen und Herren, die Verschulung des Studiums durch Bachelor und Master ist – mit Verlaub – nicht die Antwort auf die Unfähigkeit der Oberstufen, auf die Hochschulen und das, was Hochschule bedeutet, vorzubereiten. Das ist nicht die Antwort. Nicht mehr Schule nach