Protocol of the Session on November 19, 2009

Das ist im Prinzip ein mittleres Angestellteneinkommen. Das zeigt eindeutig eines: Nicht nur Millionäre tragen zum Steueraufkommen bei, es ist vor allem die Mittelschicht, die die Leistungsträger unserer Solidargemeinschaft stellt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Diese Mittelschicht würde auch bei der Erhebung der Vermögensteuer überproportional in Anspruch genommen werden. Damals, bei der Erhebung von 1997, begann die Vermögensteuer bereits bei einem Vermögen von 100.000 DM. Die SPD hat auf diesem Weg in eine Neidgesellschaft offensichtlich völlig vergessen, dass das Geld für Sozialausgaben erst einmal erworben werden muss.

Meine Damen und Herren, Sie treiben einen Keil zwischen die Leistungsträger und die Leistungsbezieher in unserer Gesellschaft, und das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist unter Niveau!)

Dazu schreibt die „Welt“ vom 17.11.2009:

Die SPD will die Partei einer „sozialen Gerechtigkeit“ sein, deren Maßstab allein die Höhe von Sozialleistungen zu sein scheint – ohne Rücksicht auf diejenigen, die die Sozialbeiträge und Steuern erarbeiten müssen.

Herr Kollege Herr Dr. Arnold, Sie müssen zum Schluss kommen.

(Zurufe von der SPD: Gott sei Dank!)

Dies ist der falsche Weg. Die Union steht für gerechte Steuern – Steuern sind der Preis für die Freiheit in einer sozialen Marktwirtschaft –, aber sie lehnt die Vermögensteuer als Substanzsteuer ab. Zukunftsperspektiven, Freiheit und Verantwortung gibt es deswegen nur mit einer bürgerlichen Mehrheit. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD): Das war jetzt tief beeindruckend!)

Vielen Dank, Herr Dr. Arnold. – Die nächste Wortmeldung stammt von Frau Kollegin Erfurth von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrte Damen und Herren! „Keine Neidkultur in Hessen: Vermögensteuer ablehnen – Solidarfinanzierung der Leistungsträger endlich anerkennen“ – diese Überschrift muss man sich noch einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Herr Dr. Arnold, Sie haben hier in einer bewussten Vermischung von Vermögensteuer und Einkommensteuer das Bild malen wollen,man wolle Menschen,die ganz normal für ihren Lebensunterhalt arbeiten,fürchterlich abzocken.Aber darum geht es doch gar nicht.

Herr Dr.Arnold, Sie haben hier eine innerparteiliche Debatte in der SPD nutzen wollen, den politischen Gegner zu treffen, und Sie sind ganz weit in Ihre eigenen Reihen hinein vorgedrungen.

Lesen Sie nach, was Jürgen Rüttgers beim 7. Zukunftskongress der CDU in NRW gesagt hat. Er hat nämlich gesagt: „Der Markt schafft keine Solidarität, deshalb brauchen wir sozialen Ausgleich. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Gesellschaft nicht auseinanderbricht.“

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU)

Ich finde, dass da der Ministerpräsident von NordrheinWestfalen, der Ihrer Partei angehört, ausdrücklich recht hat. Sie stellen hier einen Antrag, der auf die Spaltung der Gesellschaft abzielt. Wer sind denn für Sie die Leistungsträger, Herr Dr. Arnold? Wer sind die Leistungsträger in der Gesellschaft? Ist es die Krankenschwester, die für weniger als 2.000 c netto Schichtdienst leistet?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Sind es alleinerziehende Eltern, die ihre Kinder trotz bescheidener Mittel zu anständigen Menschen erziehen? Sind es die zahllosen Menschen, die jeden Morgen – manchmal auch mitten in der Nacht – aufstehen und ganz normaler Berufstätigkeit nachgehen? Sind das für Sie Leistungsträger, oder sind sie es nicht? Oder fängt der Leistungsträger für Sie erst dann an, wenn jemand Vermögen von rund 500 Millionen c sein Eigen nennen kann?

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Tausend!)

500.000 c. – Das ist ungefähr der Betrag, den z. B. ver.di einmal in die Diskussion gebracht hat, als es um die Frage ging, ab wann Vermögensteuer, mit einem persönlichen Freibetrag versehen, angesiedelt werden sollte. Ein Vermögen von mehr als 500.000 c war die Größenordnung.

(Minister Michael Boddenberg: Es gibt Leistungs- träger, die haben keinen einzigen Cent!)

Da geht es nicht um das Einkommen,sondern um das Vermögen, das sie auf der hohen Kante liegen haben. Da haben Sie, Herr Dr.Arnold, auch ganz bewusst das Bundesverfassungsgericht in einer Weise zitiert, die nicht in Ordnung ist. Das Bundesverfassungsgericht hat die Vermögensteuer ausgesetzt, weil die Bewertung von Grundvermögen nicht in Ordnung war.Warum war sie nicht in Ordnung? – Sie war zu niedrig. Die Bewertung von Grundvermögen war zu niedrig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN – Leif Blum (FDP): Stimmt doch gar nicht!)

Da hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, dass das nicht in Ordnung ist. Genau so war es. Lesen Sie die Entscheidung nach. Dann ist das abgeschafft worden, weil die Erhebungskosten zu hoch waren für den Ertrag, der damals zu erzielen war, und weil man sich die Neuberechnung der Einheitsbewertung sparen wollte. Das war der

Zusammenhang. Den müssen Sie dann auch schon richtig darstellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer ist also für Sie Leistungsträger? – Diese Frage muss die CDU beantworten. Sie haben sie nicht richtig beantwortet.

Was heißt für Sie eigentlich Solidarität? Ist Ihnen eigentlich noch im Bewusstsein, dass es Konrad Adenauer war, der die Aufbauleistung in der Bundesrepublik mit einer Vermögensabgabe finanzieren ließ?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Konrad Adenauer hat damals genau das getan, was heute auch gut wäre, nämlich die schwere Krise, die wir jetzt haben, mit starken Schultern besser zu meistern und z. B. durch eine beschränkte Vermögensabgabe Menschen, die mehr Vermögen haben als andere, zu Leistungen heranzuziehen, um die Folgen der Krise abzumildern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Ist Ihnen denn das Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit völlig abhanden gekommen? – Ich fürchte: ja.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN – Zuruf von der SPD: Ja! Die Frage ist beantwortet!)

Der Hort der Neidkultur müsste nach der Logik der CDU in Luxemburg liegen. 1965 hatten Deutschland und Luxemburg ungefähr den gleichen Anteil vermögensbezogener Steuern am Bruttosozialprodukt, nämlich 1,8 bzw. 1,7 %. Heute, mehr als 40 Jahre später, hat Luxemburg einen Anteil von 3,3 % vermögensbezogener Steuern am BIP,während Deutschland den anderen Weg gegangen ist. Wir haben nur noch 0,9 % des BIP an vermögensbezogenen Steuern. Irgendetwas, meine Damen und Herren von der CDU, kann doch an Ihrer Logik nicht stimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Frau Kollegin Erfurth,Sie müssen dann zum Schluss kommen.

Sogar die OECD, bestimmt kein Hort grüner Programmatik, hat an die Adresse Deutschlands die Bitte gerichtet, vermögensbezogene Steuern auszuweiten. Meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie den Begriff der Volkspartei für sich noch in Anspruch nehmen wollen, dann dürfte das Stichwort soziale Gerechtigkeit für Sie kein Schimpfwort werden. Sonst hat Heiner Geißler vielleicht doch recht, wenn er sagt: „Die CDU hat ihr ethisches Fundament aufgegeben.“

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth. – Das Wort hat jetzt der Kollege Willi van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie hat auch ein bisschen recht.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle Jahre wieder beehrt uns die Chefdemagogie der CDU mit der Verballhornung solidarischer Besteuerung als Neiddebatte. Da wird dann in obskurer Manier die an Bewertungsmaßstäben der Immobilien gescheiterte Vermögensteuer als Angriff auf das Privateigentum rechtschaffener Leute ausgemalt. Da wird eine jahrzehntelang bewährte Steuer als Verwaltungsmonstrum dargestellt. Natürlich wird jeder, der nicht in diese Arie einstimmt, als Neidhammel niedergemacht.

Das zeigt immer wieder, dass Sie sich, wie der Teufel vor dem Weihwasser, vor einer solidarischen Besteuerung fürchten und weiterhin Partei der Millionäre statt der Millionen Menschen sein wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei wird mal eben unterschlagen, dass die Vermögensteuer ein bewährtes Instrument war, das an der Untätigkeit der schwarz-gelben Koalition gescheitert ist, international aber gang und gäbe ist und gerade den Ländern und Kommunen ein Aufkommen für mehr Investitionen in Bildung, Umwelt und Soziales garantieren würde.Wir haben es vom IMK, also der Böckler-Stiftung, ausrechnen lassen und kommen auf den Betrag von 1,2 Milliarden c für Hessen, wo Menschen ab einem Vermögen von 500.000 c nicht mehr als 1 % bezahlen müssten.Das kann in dieser Situation niemanden arm machen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Bei 600.000 c sind das 6.000 c pro Jahr!)

Dabei besteht wirklich Handlungsbedarf. Im internationalen Vergleich wird erst recht deutlich, woran es mangelt. Es mangelt an einer solidarischen und sozial gerechten Steuerpolitik. Dadurch wird die private Nachfrage gestärkt und den Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen tatsächlich geholfen. Diejenigen, die die Krise verursacht haben, müssen an der Finanzierung des Gemeinwesens angemessen beteiligt werden – und das sind zuallererst diejenigen, die über Reichtum verfügen.

Die schon von Frau Erfurth angesprochene OECD-Studie über internationale Besteuerung von Substanzvermögen stellt fest, dass Deutschland in der internationalen Vergleichssituation zu den Schlusslichtern gehört und wir nahe an die Schweizer Verhältnisse herankommen. Genauso zählt einer weiteren OECD-Studie zufolge die Abgabenlast für mittlere und niedrige Einkommen in Deutschland mit zu den höchsten der Industriestaaten. Laut dieser Studie fallen in Deutschland bei einem Alleinstehenden mit einem Jahresgehalt von 63.000 c, was nicht gang und gäbe ist, mit 53,7 % die höchsten Abzüge durch Steuern und Sozialbeiträge an. Bei 110.000 c müssen dagegen nur 50 % der Arbeitskosten an Sozialkassen und Staat abgegeben werden.

Das ist die bittere Wahrheit von neoliberaler Umverteilungspolitik, wie sie seit 1998 durch Rot-Grün und dann durch Schwarz-Rot in Bund und Ländern praktiziert und jetzt von Schwarz-Gelb exekutiert wird. Diese Politik ist Ungleichheit durch Fiskus und Gesetz.Dies muss jetzt beendet werden.