Protocol of the Session on November 19, 2009

Fünftens, letztens. Unserer Meinung nach ist Knast kein Allheilmittel. Es gibt Alternativen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen z. B. zu gewaltfreien Konfliktlösungen kommen. Die Ideen dazu gibt es. Aber die reelle Umsetzung, die Zurückdrängung strafrechtlicher Gewalt zugunsten solcher Alternativen ist weitgehend bloßes Wunschdenken geblieben.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Rational vertretene Argumente für humanitäre Verbesserungen im Strafvollzug und für Alternativen werden immer wieder von populistischen Vollzugspolitikern und dem Ruf nach mehr Sicherheit zurückgedrängt. Wenn man daran interessiert ist, dass Opfer und ihre Angehörigen bessergestellt werden, dann muss man auch Ursachen bekämpfen. Dann muss man sich darum kümmern, dass auch andere Formen aufgenommen werden, mit Straftat und Straftätern umzugehen.

(Zurufe von der CDU)

Dazu gehören Mediation, Wiedergutmachung, Täter-Opfer-Ausgleich,alternative Bewährungsmodelle.Aber auch

über die gesellschaftlichen Ursachen muss nachgedacht werden.An dieser Stelle müssen wir primär ansetzen.

(Zurufe von der CDU)

Ursachen strafbaren Verhaltens müssen zurückgedrängt und behoben werden. Sehr geehrter Herr Justizminister, deswegen greift das Zitat von Tolstoi in Ihrer Pressemitteilung zur Präsentation des Gesetzentwurfs auch ein wenig zu kurz. Sie zitieren Tolstoi:

Um einen Staat zu beurteilen, muss man sich seine Gefängnisse von innen ansehen.

(Zurufe von der CDU)

Da das Justizministerium Tolstoi so schätzt, will auch ich mit Tolstoi schließen:

Wie viel Mühe kostet die Niederschlagung und Verhütung von Aufständen: Geheimpolizei, andere Polizei, Spitzel, Gefängnisse, Verbannungen, Militär. Und wie leicht sind die Ursachen für Aufstände zu beseitigen.

(Leif Blum (FDP): Damit kennt ihr euch aus! – Zurufe von der CDU)

Reichtum solidarisch umverteilen. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

Damit ist die erste Lesung durchgeführt worden, und wir überweisen den Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Schaffung und Änderung hessischer Vollzugsgesetze zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Rechtsausschuss, federführend, und an den Unterausschuss Justizvollzug, beteiligt. Das wollen wir so tun. Widerspricht jemand? – Das ist nicht der Fall, und wir haben ihn an die beiden Ausschüsse überwiesen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Hessisches Hochschulgesetz und Gesetz zur Änderung des TUD-Gesetzes sowie weiterer Rechtsvorschriften – Drucks. 18/1419 zu Drucks. 18/1044 –

Berichterstatter ist Herr Abg. Grumbach.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Stimmenthaltung von SPD und DIE LINKE, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung unverändert anzunehmen und dem Ausschuss zur Vorbereitung der dritten Lesung zurückzuüberweisen.

Der Gesetzentwurf war dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst in der 21. Plenarsitzung am 17. September 2009 nach der ersten Lesung zur Vorbereitung der zweiten Lesung überwiesen worden.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst hat zu dem Gesetzentwurf eine schriftliche und am 29. Oktober 2009 eine öffentliche mündliche Anhörung durchgeführt.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst hat den Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 11. November 2009 beraten. Er hat die Beschlussfassung über den Änderungsantrag Drucks. 18/1415 zurückgestellt und ist zu der von mir genannten Beschlussempfehlung gelangt.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Sie haben das Wort zur Rede für die SPD-Fraktion.

Meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung – und ich beantrage hier auch gleich die dritte – geht es schon nochmals um Grundsatzfragen der Hochschulpolitik.

Für mich ist die zentrale Frage dieses Gesetzentwurfs – ich will vieles aus der ersten Lesung nicht wiederholen –: Wer hat eigentlich die Verantwortung für die Hochschulen? Wer übernimmt für das, was dort passiert, die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft? Wer ist in dem Spannungsverhältnis von Gesellschaft und Hochschule eigentlich der Gegenpart der Hochschule?

Ich glaube, an dieser Stelle muss man Schritt für Schritt die drei Hauptzugänge zu dem Thema durchgehen, nämlich die Fragen:Was ist eigentlich der gesellschaftliche Bildungsanspruch? Welches sind die Impulse für die Forschung? Wie ist der Zugang geregelt?

Ich glaube, bei allen drei Fragen werden wir nicht umhinkommen, zu sagen: Hier drückt sich jedenfalls die hessische Politik, die Hessische Landesregierung davor, Verantwortung für das zu übernehmen, was sie den Hochschulen aufbürdet. Stattdessen setzt sie mit den Hochschulräten ein Mittelsgremium ein, das im Prinzip für sie die Verantwortung übernehmen soll, ohne dass sie dafür legitimiert sind und ohne dass sie in die Lage versetzt werden, das auszuüben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

An dieser Stelle bricht dieser Gesetzentwurf – nicht zum ersten Mal – auch mit dem, was wir in anderen Bereichen sogar in der Hessischen Verfassung geregelt haben. Nehmen Sie als Beispiel die Schule. Für die Schule ist völlig klar in der Hessischen Verfassung festgelegt: Die Verantwortung für das, was in den hessischen Schulen passiert, wird zwischen den Schulen und der Elternschaft geteilt.

(Widerspruch des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Das heißt, das Elternrecht ist Bestandteil der Hessischen Verfassung.

In der Hochschule sind die Studierenden Erwachsene. Das heißt, die Frage, welches Recht diejenigen haben, die an einer Hochschule von Bildung betroffen sind, muss so geregelt werden, dass die Erwachsenen, die an der Hochschule studieren, auch zentralen Einfluss haben.

An dieser Stelle versagt das Gesetz. Es reduziert die Rechte der Studierenden. Allein das bedarf der Korrektur.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Der zweite Punkt ist ebenso klar. Die Frage, was Bildung ist, ist nicht alleinige Entscheidung der einzelnen Bildungseinrichtung.Vielmehr hat eine gesellschaftliche Ge

samtheit in einer demokratischen Verfassung den Anspruch, darüber reden zu können, was in ihren Bildungsinstitutionen – insbesondere wenn es öffentliche Bildungsinstitutionen sind – gemacht wird.Diese Verantwortung kann sie nicht einfach ins Nichts delegieren. Denn das bedeutet, sie aufzugeben. Stattdessen muss sie sie politisch regeln.

An dieser Stelle lautet der zentrale Vorwurf nicht nur, dass Hochschulräte Autonomie nicht durch Demokratie ersetzen, sondern auch, dass diejenigen, die hier demokratisch legitimiert sind, schrittweise aus der Verantwortung ausgegliedert werden.

Ich sage das einmal so locker: Beispielsweise beim Rundfunkrat hat das Parlament etwas mit zu entscheiden; bei Entscheidungen über bestimmte Institutionen tut das die Regierung in ihrer Verantwortung vor dem Parlament. Hier aber stielt sich die Landesregierung mit der Einrichtung des Hochschulrats aus ihrer Verantwortung für die Hochschulen und übergibt sie Menschen,die nicht dazu in die Lage versetzt werden. Das ist ein Bruch von Legitimation und Verantwortung.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Dritter Punkt: die Zugangsfrage. In der Verfassung – wir kommen beim nächsten Tagesordnungspunkt darauf nochmals zurück – haben wir ein relativ hohes Recht auf Zugang zur Bildung: im Zuge der freien Berufsausübung.

Das bedeutet im Kern, dass wir bei der Frage des Zugangs zur Bildung die Schranken relativ niedrig setzen müssen. Wir haben hier lange genug über die Gebührenschranken diskutiert; das tun wir diesmal nicht.Aber lassen Sie mich zwei Dinge sagen.

Wenn Sie der Hochschule eine Ermächtigung geben – ohne dass es dafür eine klare politische Entscheidung gibt –, den Zugang zum Master nach den Bachelorstudiengängen zu verengen, dann begrenzen Sie bereits ein verfassungsmäßiges Recht. Zur Begründung einer solchen Begrenzung brauchen Sie erheblich mehr als eine solch flapsige Bestimmung in einem Gesetz. Das müssen Sie in einem eigenen Gesetzgebungsverfahren hier festlegen; und selbst dann bezweifle ich, dass Ihnen das in verfassungsmäßiger Weise gelingt.

An dieser Stelle ist Ihr Gesetzentwurf also substanziell verfassungswidrig und kann deswegen auch nicht von uns unterstützt werden.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Der zweite Punkt ist einer, den wir im Verlauf der nächsten Monate hier noch mehrfach diskutieren werden. Wir haben die Studentenproteste auch über Bologna erlebt. Glauben Sie eigentlich, dass die Frage, wie die Gesellschaft ihre Berufsausbildung in den Hochschulen abbildet, allein in den Hochschulen entschieden werden kann? Das muss vielmehr im Dialog zwischen Gesellschaft und Hochschule entschieden werden. Eine Debatte über den Bologna-Prozess, der ohne Beteiligung einer demokratischen Öffentlichkeit stattfindet, wird weder den Ansprüchen dieses Landes noch den Studierenden, noch den Hochschulen gerecht. Vielmehr werden die damit alleingelassen. Ich glaube, auch an dieser Stelle ist das Gesetz nicht in der Lage, das zu regeln.

Jetzt aber zur zweiten Grundfrage: Impulse für die Forschung.

Die Ministerin sagt – nicht zufällig – auf die Frage, wenn im Hochschulrat Vertreter aus der Wirtschaft sitzen, die in zentralen Fragen mitentscheiden,ob das nicht die Freiheit der Wissenschaft in Gefahr bringe: