Protocol of the Session on November 19, 2009

Von daher ist die von uns vorgesehene Regelung, den geschlossenen Vollzug zur Regel zu erklären, einfach der Klarheit und Ehrlichkeit geschuldet. Das ist von daher auch vollkommen logisch.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE):Wegsperren!)

Wir tragen die Verantwortung für die Inhaftierten. Es klang bereits an:Mit dem Übergangsmanagement,das wir in dieser Form neu einführen wollen, werden wir einen Schritt ins Neuland tun. Das gilt auch für die Arbeitsmöglichkeiten und die Weiterbildungsmöglichkeiten der Inhaftierten.

Wir tragen aber auch die Verantwortung für den Rest der Gesellschaft außerhalb.Wir tragen vor allen Dingen dabei auch die Verantwortung für die Opfer und müssen deren Ängste berücksichtigen. Deswegen haben wir den Gesichtspunkt des Opferschutzes ganz vorne und gleichberechtigt in den Gesetzentwurf als Regelungszweck mit hineingeschrieben.

Frau Kollegin Hofmann, ich darf noch eines sagen. Wir werden den offenen Strafvollzug nicht komplett abschaffen. Sie haben hier schon fast das Bild gestellt, als würde es ihn nie wieder geben. Herr Dr. Jürgens hat das etwas differenzierter und insoweit auch richtig dargestellt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Er soll an klare und deutlich vorliegende Voraussetzungen gebunden sein. Bei uns wird er definitiv nicht die Regel werden.

Ich glaube, ich kriege jetzt keinen Applaus für das, was ich sage, jedenfalls nicht aus Ihrer Fraktion. Das macht mir aber gar nichts aus. Ich darf etwas zum Empfang der Pakete sagen. Ich denke einmal, man muss sich das Sicher

heitsrisiko dabei anschauen. In den Anstalten hat man dazu Erfahrungen.

Wenn der Geburtstagskuchen ankommt und dann in so viele kleine Einzelteile zerbröselt wird, dass für jeden Gefangenen mehrere kleine Bröckchen übrig bleiben, haben weder der Absender noch der Empfänger etwas davon. Von daher ist es ganz sinnvoll, das richtig und ordentlich zu regeln und das Ganze abzuschaffen.

Über die Einzelunterbringung und die Mehrfachbelegung will ich keine weiteren Worte verlieren. Der Wert der Eingliederungsmaßnahmen wurde angesprochen. Genauso wurde angesprochen, über wie viele Millionen Euro für Personal wir in den nächsten Jahren sprechen werden.

Ich denke, wenn man das in Stellen ausdrückt, wirkt das schon ganz imposant. Wir reden von 20 Stellen für Bewährungshelfer, vier Stellen für Sozialarbeiter, zwei Stellen für Psychologen und eine weitere zusätzliche Lehrerstelle.

Ich komme jetzt zum Untersuchungshaftgesetzentwurf. Hessen war da Mitglied der Arbeitsgruppe, die für die Länder einen Musterentwurf vorgelegt hat. Ich denke, wir haben uns da gut eingebracht. Wir erfüllen auch alle Erfordernisse, inklusive dem Trennungsgebot zwischen der Justizvollzugsanstalt Kassel I und III, wobei es die eine bald nicht mehr geben wird.

Wir haben der Realität ins Auge gesehen. Letzte Woche wurde das in den Ausschüssen in Ruhe diskutiert. Ich war leider nicht mit dabei. Da wurde das nicht so aufgeregt, wie es jetzt angeklungen ist, dargestellt.

(Beifall des Abg. Hugo Klein (Freigericht) (CDU))

In diesem Sinne freue ich mich zusammen mit den Mitgliedern meiner Fraktion auf die Beratungen im Ausschuss und auf die Anhörung. Ich bin auch voller Vorfreude auf den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion.Schauen wir einmal, welche tollen Ideen mit ihm kommen werden.

Ich bin mir sicher, dass wir eine angeregte Diskussion haben werden, und zwar unabhängig davon, dass wir nebenbei auch noch die Beratung des Haushaltsgesetzentwurfs haben. Herr Dr. Jürgens, im Rechts- und Integrationsausschuss wie auch im Unterausschuss Justizvollzug nehmen wir uns für die Beratung des jeweiligen Gesetzentwurfs immer die Zeit, die nötig ist, und zwar unabhängig davon, wann er auf die Tagesordnung gekommen ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Dr. Wilken, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zu fünf Facetten in dieser ersten Lesung kurz Stellung nehmen und möchte das Ganze unter das Motto stellen, Herr Hahn: Helga Einsele, der berühmten Strafrechtsreformerin, werden Sie mit diesem Entwurf nun wirklich nicht gerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Erstens zur Eingliederung als einer zentralen Aufgabe des Vollzugs. Es ist schon gesagt, Ziel des Strafvollzugs soll es

eben auch sein, den Gefangenen in die Lage zu versetzen, künftig ein Leben in sozialer Verantwortung, ein Leben ohne Straftaten zu führen, schlichtweg die Vorbereitung auf die Freiheit.

(Zurufe von der CDU)

Gleichwohl setzt dieser Gesetzentwurf auf dem Feld der Vollzugslockerung bis hin zum offenen Vollzug den statischen Trend zu mehr Restriktion fort. Um den Gegensatz von Leben in Haft und draußen aufzuweichen,müssen wir zu verstärkten Vollzugslockerungen und stärker zum offenen Vollzug kommen.

(Beifall des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Zweitens zu Eingliederung und Besuchszeiten. Unserer Meinung nach muss dies dem Grundsatz folgen: soziale Kontakte stärken und Isolation vermeiden.

(Beifall des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Selbstverständlich ist das Gefängnis eine künstliche soziale Welt, bestehend aus Zellen und Sicherheitsvorkehrungen. Doch das Problem ist – ich hoffe, da geben Sie mir alle recht –, das Zusammensein mit Angehörigen wird auf wenige Stunden Besuch im Monat reduziert, unterliegt verschiedenen Formen der Überwachung, und das erschwert selbstverständlich die Aufrechterhaltung familiärer und sozialer Bindungen, die für das Leben danach und eine gelungene Wiedereingliederung wichtig sind.

(Hugo Klein (Freigericht) (CDU): Haben Sie von Strafe auch etwas gehört?)

Ehen und Freundschaften zerbrechen. Für viele Langzeitgefangene wird damit die letzte Verbindung zur Außenwelt zerstört. Wir setzen uns für einen Ausbau der Besuchszeiten ein und befürworten die Möglichkeit von Langzeitbesuchen, um soziale Bindungen zu stärken und so die Resozialisierung zu unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Hugo Klein (Freigericht) (CDU))

Zum Dritten. Arbeit als zentrales Mittel der Wiedereingliederung.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Es geht nicht um Jugendherbergen!)

Angemessene und gerechte Entlohnung ist im Hinblick auf Wiedereingliederung unabdingbar. Genau das leistet dieser Entwurf nicht. Er enthält die lächerlich geringe Entlohnung – –

(Zurufe von der CDU)

Meine Herren von der CDU,ich kann unterbrechen und zuhören. Ich möchte das aber nicht.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das glaube ich! – Weitere Zurufe von der CDU)

Sie können weitererzählen.Aber ich werde heute meine Rede, ohne auf Sie einzugehen, zu Ende führen.

Bitte.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Herr Irmer, Ihre reaktionäre Politik ist doch bekannt!)

Meine Damen und Herren – entschuldigen Sie, Herr Dr. Wilken –, ich bitte um Aufmerksamkeit für den Redner.

Ich ziehe das nicht von Ihrer Zeit ab, Herr Dr. Wilken. – Danke schön.

Meine Damen und Herren, dieser Entwurf behält die lächerlich geringe Entlohnung des alten Strafvollzugsgesetzes bei. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers der Strafvollzugsreform von 1976 sollte aber die Arbeit im Strafvollzug die berufliche Integration der Inhaftierten fördern und ihnen die Schaffung einer wirtschaftlichen Existenzgrundlage ermöglichen. Wenn der Resozialisierungsgedanke mit Leben erfüllt werden soll, muss Arbeit im Strafvollzug tarifgerecht angemessen vergütet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir befürworten eine Ausweitung und Aufwertung insbesondere freier Arbeitsverhältnisse, da die Arbeit draußen den größten Beitrag zur Resozialisierung leisten kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Viertens zum Opferschutz. Nach Sicherheit streben wir sicherlich alle. Wir wollen in unserer Wohnung sicher sein. Wir wollen sicher sein, dass uns niemand Gewalt antut. Darum erschreckt uns selbstverständlich jede Nachricht von Diebstahl oder Raub. Aber gerade weil uns das zutiefst verunsichert, dürfen wir nicht kopflos reagieren, indem wir in panischer Angst jedes Mittel gutheißen, das den Anschein erweckt, Gewalt abzuhelfen. Strafen helfen Opfern nicht.

Mithilfe des Strafrechts können in keinem Fall irgendwelche Ursachen bekämpft werden, die zu Straftaten geführt haben und in Zukunft führen mögen. Wir wissen selbstverständlich auch, Überlebende, Opfer und Angehörige sehen Strafen oft und zu Recht als ein Stück gerechten Ausgleich an. Aber die Frage bleibt doch erlaubt: Gibt es nicht viel bessere und nachhaltigere Formen der Anerkennung des Opfers und seiner Angehörigen als die staatliche Strafform?

(Clemens Reif (CDU): Oh Mann, oh Mann, oh Mann!)

Fünftens, letztens. Unserer Meinung nach ist Knast kein Allheilmittel. Es gibt Alternativen.