Frau Kollegin Müller, vielen Dank. – Als nächste Rednerin spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Wissler.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir erleben die schwerste Wirtschaftskrise seit den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts. Herr Arnold, ja, es gibt ein zaghaftes Wachstum in einer Größenordnung von unter 1 %. Aber dieses zaghafte Wachstum wird den tiefen Einbruch natürlich nicht im Entferntesten ausgleichen können. Das Minus, das im laufenden Jahr auf 5 % geschätzt wird, wird einen Schaden anrichten,der im Moment in seiner ganzen Tragweite überhaupt noch nicht abzusehen ist. Die öffentlichen Haushalte erleben Steuereinbrüche in nie gekanntem Ausmaße.Auf dem Arbeitsmarkt wird das dicke Ende noch kommen.
Die Unternehmen haben die Bundestagswahl abgewartet. Jetzt läuft die Kurzarbeiterregelung aus. Es wird Entlassungen geben.Die Beschäftigten werden die Wucht der Krise zu spüren bekommen.
Entschuldigen Sie bitte, störe ich Sie auf der Regierungsbank? Ich habe irgendwie das Gefühl, Sie soufflieren mir. Auf jeden Fall höre ich Ihre Stimmen.
Hoch produktive Unternehmen mit qualifizierten und motivierten Belegschaften geraten unter Druck, weil ihre Absatzzahlen einbrechen, weil Finanzinvestoren sie ausgeplündert haben oder weil Banken, die gerade mit Steuergeldern in Millionen-Euro-Höhe gerettet wurden, gar keine Kredite oder Kredite nur mit astronomisch hohen Zinsen vergeben. Große Unternehmen wie Opel sind nur die Spitze des Eisbergs. Die vielen kleinen Unternehmen, die in Schwierigkeiten stecken, sieht man nicht. Über die redet kaum jemand.
Diesen Firmen und ihren Beschäftigten helfen auch die 20. Runde Steuerleichterungen und auch ein sogenanntes Wachstumsbeschleunigungsgesetz nichts, von dem wieder nur die Besserverdienenden am Ende profitieren werden.
Welche Lehren wurden aus der Krise gezogen? Was ist mit der Regulierung der Finanzmärkte? Wir haben heute Morgen über die Hedgefonds gesprochen.Wo bleiben die neuen Vorschriften für die Banken und die Finanzinvestoren? Fehlanzeige.
Die Krise ist vorbei, und die Regierungen im Bund und in den Ländern steuern mit Vollgas in den nächsten Crash. Statt eines aktiven Eingreifens des Staates, um dem Firmensterben und Entlassungen entgegenzuwirken, erleben wir ein „Weiter so“.
Die Vorstellungskraft dieser Landesregierung reicht über die betriebswirtschaftliche Perspektive nicht hinaus. Das hat die Auseinandersetzung um Opel gezeigt.
Wir als LINKE haben gfordert, dass die Gewährung öffentlicher Gelder an die Übertragung von Eigentum geknüpft wird. Denn nur dann kann die Politik auch auf das Einfluss nehmen, was in den Konzernen passiert.
Gerade in der Krisenzeit wird klar, dass es in diesem Wirtschaftssystem vor allem um Quartalszahlen und Gewinnspannen und nicht um die Menschen und ihre Fähigkeiten und Bedürfnisse geht.
Im Einzelplan 07 werden auch die Weichen für die Verkehrspolitik gestellt – wobei es bei Ihnen weniger Weichen als Straßen sind. Dabei ist klar, dass Klimaschutzpolitik bei der Verkehrspolitik ansetzen muss. Der Straßenverkehr ist einer der Hauptverursacher des Klimawandels und der Luftverschmutzung.
Der Straßenverkehr verbraucht zudem eine weitere existenzielle Ressource, nämlich Raum. Wir haben in Deutschland und in Hessen weltweit den höchsten Anteil versiegelter Flächen. Einen erheblichen Anteil daran haben asphaltierte Straßen. Das ist Platz, der zum Leben, zum Wirtschaften und zur Erholung fehlt.
Wir haben ein Bundesgesetz zur Reduzierung des Raumverbrauchs und der Flächenversiegelung.Aber wir haben keine Programme zur Reduzierung des Verkehrs und zur Vermeidung des Baus neuer Straßen.
Die Prognose zur Entwicklung des Verkehrsaufkommens, insbesondere des Lastkraftwagenverkehrs, ist fast schon beängstigend. Das Bundesverkehrsministerium hat eine Studie vorgelegt. Demnach wird die Fahrleistung beim Lkw-Verkehr bis zum Jahr 2025 um 40 % steigen. Die Gutachter prognostizieren einen Anstieg der CO2-Emissionen des Lkw-Verkehrs um 19 % bis zum Jahr 2025.Was das für die Wälder, für die Luft, für die Städte und Gemeinden und für die Menschen bedeutet, die entlang der viel befahrenen Straßen leben, können wir uns heute schon in vielen Gemeinden Hessens ansehen.
Alles, was Ihnen einfällt, um den Verkehrskollaps auf Hessens Strecken zu begegnen, ist, den Seitenstreifen der Autobahnen freizugeben. Diesem „verkehrspolitischen Meilenstein“ haben Sie dann den hochtrabenden Titel „Staufreies Hessen 2015“ gegeben. Das kann man jeden Morgen wieder auf der A 5 bewundern, und das oftmals stundenlang.
Dabei könnte Hessen nichts mehr von den Staus befreien als der Umstieg auf die Schiene und den öffentlichen Personennahverkehr.
Statt einer wegweisenden Neuorientierung befindet sich in Ihrem Haushaltsentwurf nicht der geringste Hinweis auf eine Wende in der Verkehrspolitik. Es soll keine gezielte Förderung oder Bevorzugung des Schienenverkehrs geben. Das ist die sauberste und wirtschaftlichste Verkehrsart. Das muss man immer wieder sagen.
Stattdessen wird gebetsmühlenartig wiederholt, insbesondere der Luftverkehr müsse Beachtung finden. Flugzeug und Auto sind die teuersten Ressourcenvergeuder mit verheerenden Auswirkungen auf Umwelt und Klima.
Der Ministerpräsident sprach heute Morgen von der Nachhaltigkeit. Mir fällt dazu ein: Das Einzige, was die Regierung in diesem Bereich tut, ist, nachhaltig Schaden anzurichten.
Genauso sieht es mit dem Flughafen in Kassel-Calden aus. Wir kennen die fantastischen Prognosen, was die neuen Arbeitsplätze angeht, die durch diesen Flughafen entstehen sollen. Herr Dr. Arnold, da ist Ihr Stichwort richtig. Das ist wirklich Unsinn, was dort prognostiziert wird.
Hier vertrauen CDU und FDP auf einmal auf die unternehmerischen Fähigkeiten des Staates und bereiten gleichzeitig einen weiteren Beweis für ihre eigene These vor, dass der Staat ein schlechter Unternehmer sei; denn die Investition wird sich nicht rentieren. Der Flughafen Kassel-Calden ist schlicht und ergreifend überflüssig.
Der öffentliche Personennahverkehr in Hessen und gerade im Rhein-Main-Gebiet zählt zu den teuersten in Deutschland. Die Stadt Frankfurt unterstützt wenigstens die Geringverdiener bei den Kosten für die Monatskarten. Damit wird der wachsenden Zahl von prekär Beschäftigten und Geringverdienern eine wichtige gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, nämlich die Mobilität. Zudem trägt es zur Auslastung des öffentlichen Nahverkehrs bei. Das wäre auch auf der Landesebene denkbar. Die Landesregierung fördert weiter Autobahnen und den Luftverkehr, statt die Schiene zu bevorzugen, um damit das Klima zu entlasten und für mehr Arbeitsplätze zu sorgen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den beiden Regierungsfraktionen, hier zeigt sich wieder:Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. – Allein in diesem Jahr haben Daimler und BMW an CDU und FDP über 300.000 c gespendet. Die haben es sicher nicht dafür gespendet, dass die Einführung eines Tempolimits oder die Schaffung ei
Zudem hat die Automobilindustrie auch ein Herz für ausrangierte CDU-Politiker wie Matthias Wissmann, der vom Bundesverkehrsministerium direkt zur Automobillobby gewechselt ist.
Im Übrigen hat die Linksfraktion im Bundestag immer wieder Anträge eingebracht, Karenzzeiten vorzuschreiben, die solche Wechsel nicht möglich machen, weil es unmöglich ist, von dem Bundesverkehrsministerium direkt in die Automobilindustrie zu gehen, mit all den Connections, mit all den Kenntnissen, die man hat, mit allen Kontakten, die man dort gewinnt.
Jetzt hat sich Matthias Wissmann gefragt, warum die Automobilindustrie die Kosten für ihre Lobbyarbeit eigentlich allein tragen soll. Siehe da, da gab es vermutlich ein Treffen mit dem Rektor der EBS und ein Treffen mit der Landesregierung, und schon fließt ein sechsstelliger Betrag aus dem Landeshaushalt ins neue Automobilwissenschaftliche Zentrum.Wo ist es angesiedelt? – Natürlich bei der EBS.Dieses Zentrum ist völlig unnötig.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Zentrum für umweltfreundliche Verkehrsmittel oder ein Zentrum für erneuerbare Energien hätte Hessen sehr viel besser als ein Automobilwissenschaftliches Zentrum bei der EBS angestanden.
Gleiches gilt für das House of Logistics and Mobility. Auch das halten wir für überflüssig. Mir sei die Bemerkung gestattet, dass der Name auch kein Beitrag zum Erhalt der deutschen Sprache ist, den Sie sonst immer so gerne fordern, damit die deutsche Sprache auf europäischer Ebene mehr Gewicht findet.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Europäische Union hat nach langer Debatte eine Richtlinie erlassen, deren Intention wir teilen.Ab nächstem Jahr muss nämlich nach EU-Recht der Fuhrpark des Landes auf emissionsärmere Fahrzeuge umgestellt werden. Wir halten die EU-Richtwerte für nicht ausreichend. Aber die Umstellung wäre ein Schritt in die richtige Richtung.
Weiterer Punkt. Der Fahrradklub ADFC bietet Fahrradkurse an, auch Kurse, die speziell für Migrantinnen konzipiert wurden. Sie erfreuen sich so großer Nachfrage, dass der ADFC seine Kapazitäten gerne ausweiten würde, um die Kurse landesweit anbieten zu können. Der ADFC hat beim Land um einen Zuschuss von nur 10.000 c gebeten und ist abgewiesen worden. Diese Förderung wäre ein kleiner Posten im Landeshaushalt, aber mit positiven Folgen in Richtung Entlastung der Straßen und Reduzierung des innerstädtischen Verkehrs.
Der Wirtschaftskrise fallen nicht nur Arbeitsplätze zum Opfer, sondern auch Ausbildungsplätze. Die offiziellen Statistiken verschleiern die tatsächliche Situation; denn das Problem ist, alle Jugendlichen, die auf ihrer Suche nach einem betrieblichen Ausbildungsplatz irgendetwas gefunden haben – –
Frau Kollegin Wissler, entschuldigen Sie kurz. Die für Sie von Ihnen angegebene Redezeit für die Fraktion ist bereits abgelaufen.