Protocol of the Session on November 18, 2009

Die größte Veränderung ist die deutliche Aufstockung der Mittel für die Modellregionen Integration, die inzwischen ausgewählt worden sind. Wir hoffen, dass aus diesen Modellregionen etwas Vernünftiges wird. Ich persönlich verbinde damit die Hoffnung, dass in meiner Heimatstadt Kassel, die ebenfalls ausgewählt worden ist, entsprechende Innovationen vorangebracht werden. Wir werden das weiter begleiten.

Insgesamt kann man sagen, dass es bei dem Thema Integration nicht an Erkenntnis fehlt.Wir wissen,was gemacht werden muss. Das Ministerium hat jetzt die materiellen Voraussetzungen für die personelle Ausstattung geschaffen, die wohl abgeschlossen ist. Sie werden jetzt handeln müssen, statt nur warme Worte von sich zu geben. Wir werden Sie an den Taten messen und sehen, was dabei herauskommt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte im Kontext der Haushaltsdiskussion die Gelegenheit nutzen, um auf den „persönlichen“ Länderfinanzausgleich hinzuweisen, den sich der Herr Justizminister leistet. Wir haben die etwas absurde Situation, dass Herr Finanzminister Weimar bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit die Zahlungen geißelt, die von Hessen aus in die Haushaltskassen anderer Länder fließen.Er behauptet immer, dass er die Gelder lieber in Hessen behalten würde.

Bei der teilprivatisierten Justizvollzugsanstalt Hünfeld ist es aber umgekehrt: Der Justizminister zahlt lieber in die Haushalte des Bundes und der anderen Länder, als das Geld in Hessen zu behalten, um die Kaufkraft zu stärken. Wenn man sich die Berechnungen anschaut – das sind Zahlen, die nicht von mir stammen, sondern die uns das Ministerium geliefert hat –, stellt man fest, dass durch die Privatisierung ein Umsatzsteueraufkommen von fast 800.000 c pro Jahr anfällt, wozu es gar nicht käme, wenn der Betrieb in staatlicher Verantwortung wahrgenommen würde.Von diesen 800.000 c im Jahr erhält der Bund bekanntlich fast 57 %, die anderen Länder erhalten etwa 40 %. 3,2 % fließen nach Hessen zurück. Man könnte also sagen, das ist ein warmer Regen für die anderen.

Die spannende Frage lautet natürlich: Wer finanziert das Ganze? – Die Antwort lautet: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Strafvollzug.Denn für das Personal in dem teilprivatisierten Bereich werden rund 980.000 c pro Jahr weniger gezahlt.Ich sagte es bereits:Das sind alles Zahlen des Ministeriums.

Berücksichtigt man noch den Unternehmensgewinn in einer gewissen Höhe, kann man sicherlich sagen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Serco GmbH verdienen pro Jahr rund 1 Million c weniger, als sie verdienen würden, wenn sie staatliche Bedienstete wären.

Das Ministerium sagt immer, es mache einen Gewinn in Höhe von 180.000 c.Sie lassen sich das aber mit 1 Million c weniger Gehalt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezahlen. Gleichzeitig finanzieren Sie noch im Umfang von rund 800.000 c die Haushalte anderer Bundesländer und den Haushalt des Bundes. Das ist, volkswirtschaftlich gesehen, für Hessen Unsinn. Denn es fehlen dadurch in der Region Osthessen 1 Million c Kaufkraft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, das ist schon angeklungen. Wir werden morgen den Entwurf eines Hessischen Strafvollzuggesetzes und eines Untersuchungshaftgesetzes diskutieren. Ohne die Diskussion vorwegzunehmen, kann ich jetzt schon sagen: Sie werden damit einen wesentlichen Fehler wiederholen, der auch schon im Oberziel des Einzelplans und im Fachziel Strafvollzug auftaucht. Sie vermischen nämlich in unzulässiger Weise das Vollzugsziel Resozialisierung mit einem angeblich eigenständigen Sicherheitsauftrag.

Wir schlagen in unserem Änderungsantrag zum Oberziel und zum Fachziel Strafvollzug deswegen vor, es so darzustellen, wie es unserer Auffassung nach nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts richtig wäre. Ich zitiere:

Durch einen effizienten, auf Resozialisierung ausgerichteten Justizvollzug den Schutz der Allgemeinheit gewährleisten.

Das wäre aus unserer Sicht die richtige Wertung. Resozialisierung und Sicherheit stehen nämlich nicht im Wider

spruch. Vielmehr wird durch die Resozialisierung, soweit sie erfolgreich ist, vor allem die Sicherheit der Allgemeinheit gewährleistet. Die Resozialisierung im Namen vermeintlicher Sicherheit zurückzuschrauben, wie Sie das tun, erhöht die Sicherheit im Ergebnis nicht. Vielmehr verringert es sie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einen wichtigen Aspekt möchte ich noch erwähnen. Die Vorgängerregierung hat mit der „Operation düstere Zukunft“ die Hilfen für straffällig gewordene Jugendliche auf null gesetzt.Auch in diesem Haushaltsentwurf sind sie nicht wieder eingestellt worden. Das ist unserer Ansicht nach wirklich skandalös. Sie setzen damit bei den Jugendlichen weiterhin auf Repression statt auf Prävention. Das war falsch, ist falsch und wird falsch bleiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Willi van Ooyen und Dr. Ulrich Wil- ken (DIE LINKE))

Wir müssen dafür sorgen, die Jugendlichen von der schiefen Bahn herunterzuholen. Sie lassen sie erst abrutschen und fangen sie dann unten mit dem Strafvollzug auf. Das ist zu spät.

Wir wollen deshalb ein neues Programm mit dem Titel „Gewalt ist keine Lösung“ auflegen. Beim Anti-GewaltTraining wollen wir zwei Trainingskurse einrichten. Wir wollen pädagogisch begleitete Arbeitsleistung usw.

Herr Kollege Dr. Jürgens, ich darf Sie darauf hinweisen, dass die für Ihre Fraktion vereinbarte Redezeit bereits abgelaufen ist.

Das hat mir meine Uhr auch schon gesagt. Deswegen komme ich zu meinen letzten Sätzen.

Wir wollen dafür die Mittel einsetzen, die im Entwurf des Haushalts überflüssigerweise für weitere Jugendarrestplätze vorgesehen sind. Wir wollen nicht in Beton, sondern in die Menschen investieren. Da ist das Geld besser angelegt. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Herr Kollege Dr.Jürgens,vielen Dank.– Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Wilken. Er spricht für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es wäre noch vieles zu den Reden meines Vorredners und von Frau Hofmann hinzuzufügen. Glücklicherweise ist aber auch schon vieles gesagt. Ich möchte mich deswegen noch einmal etwas ausführlicher mit den Modellregionen Integration beschäftigen, die alle Vorredner bereits angesprochen haben. Ich möchte dabei noch einmal der Frage nachgehen, warum das eigentlich Modellregionen sein sollen.

Der Minister hat bei der Vorstellung der Modellregionen und ihrer Auswahl sehr betont, dass alle 17 abgegebenen Bewerbungen von hoher Qualität gewesen seien. Wir haben gerade noch einmal gehört – dem schließe ich mich in starkem Maße an –,dass wir eigentlich alle wissen,was bei der Integration zu tun ist.Warum gehen Sie dann nicht hin und beteiligen alle 17 Regionen, deren Bewerbungen eine so hohe Qualität hatten? Warum fördern Sie diese nicht? Damit wäre ein wichtiger und richtiger Schritt getan. Es wäre ein weiterer Schritt hin zu einem flächendeckenden Integrationsangebot in ganz Hessen. Das wäre ein wichtiger und richtiger Schritt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe auch gelernt, dass es an dem Namen des Ministeriums ablesbar ist, wie wichtig ein Inhalt ist. Die Integration ist wichtig.Das habe ich gelernt.Denn das steht im Namen des Ministeriums. Soziales ist unwichtig, weil es nicht mehr im Namen des Ministeriums steht.

So etwas ist offensichtlich auch weiterhin im Haushalt des Justizministers, dem Einzelplan 05, ablesbar. Uns bleibt nach wie vor schleierhaft, wie Sie Resozialisierung betreiben wollen und wie Sie bürgerinnennahe Justiz gewährleisten wollen, wenn Sie die Einrichtung dringend benötigter Richterstellen weiterhin verweigern bzw. wenn Sie beim Nachwuchs sogar abbauen.

Uns bleibt auch weiterhin schleierhaft, wie Sie eine vollwertige Ernährung der Inhaftierten mit 2,09 c pro Hafttag gewährleisten wollen. All das bleibt angesichts Ihres Haushaltsentwurfs schleierhaft. Wir werden ihm deswegen auch nicht zustimmen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Dr. Wilken, vielen Dank. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Hahn das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte sehr kurz zu den Wortbeiträgen insbesondere der Mitglieder der Oppositionsfraktionen Stellung nehmen. Ich bedanke mich sehr bei den Kollegen Honka und Müller von den Regierungsfraktionen dafür, dass sie ein Bild über den tatsächlichen Zustand der Justiz, über die tatsächlichen Aufgaben bei der Integration und über unsere tatsächlich getane Arbeit hinsichtlich Europas im Hessischen Landtag, also im Parlament, gezeichnet haben.

Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen der Opposition ganz herzlich einladen, sich vor Ort zu informieren.

(Zuruf von der SPD: Das machen wir ständig!)

Ich lade Sie ganz herzlich ein,sowohl zu den Gerichten als auch in die Justizvollzugsanstalten zu gehen. Ich lade Sie ganz herzlich ein, nicht nur mit der Anstaltsleitung, sondern immer auch mit den jeweiligen Personalräten zu sprechen.

(Zuruf von der SPD: Das machen wir immer!)

Liebe Kollegin Hofmann, wenn Sie das tun würden, dann hätten Sie eine solche Rede, wie Sie sie eben gehalten ha

ben, nicht halten können. Sie hätten sie einfach nicht halten können.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich habe in den neun Monaten meines Daseins als Minister, aber auch in den über 20 Jahren meines Daseins als Abgeordneter bestimmt über 1.000 Gespräche geführt. Ich habe bei der Justiz eine Entwicklung erlebt. In den Neunzigerjahren gab es beim Vollzug helle Empörung bei den Mitarbeitern, aber auch sehr große Unzufriedenheit bei den Leitungen. Bei den Gerichten bestand Unverständnis darüber, dass so wenig Personal da war, und Unverständnis darüber, dass so wenig Technik vorhanden war.

Frau Kollegin, eines muss ich Ihnen sagen. Würden Sie diese Gespräche vor Ort führen und würden Sie über das berichten, und nicht über etwas anderes als das, was Sie dabei erlebt haben, so würden Sie davon erzählen, dass Sie immer wieder zur Kenntnis nehmen mussten, dass sogar die Vertreter der Personalräte sagen – das gilt für die Justiz, also für die Gerichte, die Staatsanwaltschaften wie auch für den Vollzug –: Hinsichtlich des Personals stellen wir keine zusätzlichen Forderungen an das Ministerium und an die Politik. – Ich habe das überall gehört.

(Zuruf der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Frau Kollegin Hofmann, es gibt Diskussionen über Details. Eine davon haben Sie angesprochen. Es gibt Diskussionen über Details.Aber es gibt nirgendwo die Konfrontation – auch nicht auf einem Gewerkschaftstag –, bei der gesagt würde, dass die hessische Justiz personell unterbesetzt sei. Frau Kollegin Hofmann, da müssen Sie eine andere Wahrnehmung haben, die von dem abweicht, was in der hessischen Justiz nun einmal tatsächlich ist.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dirk Landau (CDU))

Es gibt noch Probleme. Ich weiß nicht, wer das vorhin angesprochen hat. Es gibt Probleme mit den befristeten Verträgen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe 500 dieser Verträge übernommen.Wir werden mit diesem Haushalt, wenn er denn verabschiedet worden ist – ich habe überhaupt keine Bedenken, dass er nicht verabschiedet wird –, weitere 10 % dieser befristeten Verträge in unbefristete Verträge verändern können.

Es hat darüber hinaus nicht nur in meiner Zeit der Verantwortung, sondern auch in der Zeit der Verantwortung des Kollegen Banzer keinen einzigen Fall gegeben, in dem eine Befristung nicht neu ausgesprochen worden ist,wenn es die Beteiligten wollten. Auch hier diese Angst schüren – ich bin es ein bisschen leid, zu hören, weil es nirgendwo draußen ein Thema ist.Sie wissen,dass wir darüber hinaus eine Taskforce eingerichtet haben, die in besonderen Fällen im Angestelltenbereich wie aber auch z. B. im Richterbereich aktiv ist, nämlich in den Fällen, in denen wir Gott sei Dank Mutterschutzfragen zu klären haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich mir anhören muss, – das trifft nicht nur mich, sondern auch meine Vorgänger –, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgeblutet werde, so möchte ich Ihre geschätzte Aufmerksamkeit einmal auf die entsprechenden Pensenzahlen richten. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass aufgrund einer irrsinnigen Veränderung der Zuständigkeit im Zusammenhang mit SGB II, mit den Hartz-Gesetzgebungen, nicht mehr die Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern die Sozialgerichtsbarkeit zuständig ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe die Zahlen jetzt nicht parat, aber im Kopf. Ich glaube, es gibt kein Verwaltungsgericht, das in Hessen auch nur annähernd an die 100 % des Pensenschlüssels kommt. Uns dann vorzuwerfen, wir würden die Verwaltungsgerichtsbarkeit ausbluten – da müssen Sie wegen mir, wenn Sie es wirklich so wollen, den Klägern vorwerfen, dass sie nicht mehr zu den Verwaltungsgerichten gehen. Ich würde es aber den Sozialdemokraten in Berlin vorwerfen, die nämlich diese irrsinnige Zuständigkeitsumorganisation gemacht haben – weg von den Verwaltungsgerichten hin zu den Sozialgerichten. Das war das Ausbluten der Verwaltungsgerichte und nicht, dass wir praktisch nunmehr das Personal ungefähr den Aufgaben anschließen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Hartmut Honka (CDU))

Aber diese Landesregierung und insbesondere die Vorgängerregierung haben dafür Sorge getragen, dass die Sozialgerichtsbarkeit nicht unter dieser unsinnigen Veränderung leidet.