Meine Damen und Herren, durch die Schaffung einer Länderkommission, durch die enge Zusammenarbeit mit der Bundesstelle sowie durch den möglichen Rückgriff auf Ressourcen der Kriminologischen Zentralstelle ist ein inhaltlich und wirtschaftlich sinnvolles Paket geschnürt worden. Die Kosten von 200.000 c werden von allen Ländern gemeinsam getragen.Auf Hessen entfallen nach dem Königsteiner Schlüssel zwischen 15.000 und 20.000 c.
Hessen hat sich sehr für die Umsetzung dieses Projektes eingesetzt, natürlich auch weil die Kommission ihren Sitz in Wiesbaden haben und damit der Justizstandort Hessen gestärkt werden wird. Die Wahl der Stadt Wiesbaden macht auch deshalb Sinn, weil eine Anbindung an die Kriminologische Zentralstelle stattfinden wird. Diese Forschungs- und Dokumentationseinrichtung des Bundes verfügt über einen großen Wissensschatz, auf den die Kommission jederzeit zurückgreifen kann.
Meine Damen und Herren, der nun vorliegende Gesetzentwurf dient der Ratifizierung des zwischen den Ländern geschlossenen Staatsvertrags, wie es die Hessische Verfassung vorsieht. Entsprechende Initiativen werden zurzeit von allen Ländern durchgeführt. Insoweit liegt ein stimmiges und sinnvolles Gesamtpaket vor, zu dem ich mir die breite Zustimmung von allen Fraktionen erhoffe. Sobald alle Länder diesen Schritt der Zustimmung vollzogen haben, kann die Kommission, voraussichtlich im Jahr 2010, ihre Tätigkeit aufnehmen. – Vielen herzlichen Dank.
Als Erste hat sich Frau Kollegin Hofmann für die SPDFraktion gemeldet. Frau Hofmann, Sie haben fünf Minuten Redezeit.
Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Die Intention des Gesetzentwurfs wurde gerade schon vom Staatssekretär deutlich gemacht und herausgearbeitet.Laut UNAntifolterkonvention ist jede Handlung als Folter zu werten, bei der Träger staatlicher Gewalt einer Person vorsätzlich starke körperliche oder geistig-seelische Schmerzen oder Leiden zufügen oder androhen, um eine Aussage zu erpressen, um einzuschüchtern oder zu bestrafen.
Obwohl Folter international geächtet und geahndet wird, gibt es immer noch zahlreiche antidemokratische Staaten, in denen Folter gang und gäbe ist. Auch die Bundesrepublik Deutschland, in der durch Art. 1 Abs. 1 und Art. 104 Grundgesetz ein absolutes Folterverbot normiert ist und die,wie wir alle wissen,kein Unrechtsregime ist,ist bereits
mehrfach vom EuGH wegen Verstößen gegen die UNFolterkonvention, wie z. B. im Fall Vera Stein – viele von Ihnen werden sich an diesen Fall erinnern –, verurteilt worden.
Für uns als SPD-Fraktion ist es ein großes Anliegen, dass dieser Staatsvertrag durch das Parlament ratifiziert wird und wir damit ein deutliches Signal gegen die Folter setzen.
Zu begrüßen ist – der Herr Staatssekretär hat es schon ausgeführt –, dass in Hessen der Sitz der Kommission sein wird. Es ist positiv zu bewerten, dass dieser Sitz der Kommission entsprechend an die Kriminologische Zentralstelle angegliedert ist. Für uns ist positiv zu erwähnen, dass diese Kommission zwar nur aus vier Mitgliedern bestehen wird, dass sie aber mit dem entsprechenden Fachund Sachverstand auf den Gebieten Kriminologie, Psychologie usw. ausgestattet sein wird.
Nur vier Personen – darüber sind wir gestolpert. Wir haben uns gefragt, ob für ein ganzes Bundesgebiet ein so kleines Gremium ausreichen wird. Aber man darf hier nicht außer Acht lassen, dass wir, wie auch hier in Hessen, über ein Petitionswesen verfügen, das von Insassen von Justizvollzugsanstalten hinlänglich genutzt wird. Es gibt auch ein Petitionswesen von Polizeibehörden und Krankenhäusern, die schon entsprechende Beschwerdeinstanzen haben, die neben dem, was wir jetzt schaffen, aus unserer Sicht eine gute Kontrollmöglichkeit bieten.
Meine Damen und Herren, die SPD wird deshalb das Gesetzgebungsverfahren positiv begleiten und freut sich auf das entsprechende Gesetzgebungsverfahren. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Grunde genommen ist das, was wir heute debattieren, ein Endpunkt des beschämenden Umgangs Deutschlands mit einer internationalen Konvention.
Dem Vorblatt des Gesetzentwurfs können Sie entnehmen: Es geht darum, dass das sogenannte Fakultativprotokoll zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und unangemessener Behandlung bei Freiheitsentzug – das es schon seit Längerem gibt – durch ein Verfahren der Überprüfung in den einzelnen Staaten unterlegt werden soll. Das ist der Kernbereich dessen, über was wir heute reden: der sogenannte nationale Präventionsmechanismus. Es soll eine Gruppe von Leuten eingerichtet werden, die Einrichtungen besuchen, dort nach dem Rechten sehen und Verbesserungsvorschläge unterbreiten sollen.
Deutschland hat dieses Protokolls erst vier Jahre nach seiner Verabschiedung unterzeichnet, weil sich vor allem die CDU-regierten Bundesländer geweigert haben, in nennenswertem Umfang an der Etablierung eines solchen nationalen Präventionsmechanismus mitzuwirken, und zwar mit einer ähnlichen Argumentation, wie sie Frau Hofmann eben angeführt hat: Es gibt verschiedene andere Rechtsbehelfe in Deutschland, die es woanders nicht gibt,
Erst nachdem das Ganze auf der Ebene der Justizministerkonferenz so kleingekocht worden war, dass es als Mechanismus kaum noch erkennbar war, gab es schlussendlich eine Zustimmung, und wir werden jetzt die Zustimmung zu dem Staatsvertrag erleben. Man muss es sich einmal vorstellen: Da wird eine Gruppe von vier Leuten eingerichtet, die ehrenamtlich tätig sind, die das also, wenn wir Glück haben, nebenberuflich machen. Sie sind dafür zuständig, in der Bundesrepublik Deutschland 195 Justizvollzugsanstalten, ungefähr 500 psychiatrische Einrichtungen mit Zweigstellen an noch viel mehr Orten, eine unübersehbare Anzahl von Arrestzellen in Polizeistationen und eine noch größere Zahl von geschlossenen Abteilungen in Krankenhäusern, in Pflegeeinrichtungen und sonstigen Einrichtungen zu besuchen, nach dem Rechten zu sehen und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.
Ich glaube nicht, dass irgendjemand hier im Raum ist, der glaubt, dass diese vier ehrenamtlich tätigen Leute auch nur in nennenswertem Umfang in der Lage sein werden, diese horrende Aufgabe zu stemmen. Ich will diesen Menschen nicht von vornherein ihr Engagement absprechen, selbstverständlich werden sie sich bemühen, aber eine bessere Ausstattung dieser Gruppe wäre auf jeden Fall notwendig, um den Erfordernissen des Fakultativprotokolls zu entsprechen.
Wir werden dem Staatsvertrag zustimmen, weil es im Augenblick keine Alternative gibt. Wir werden aber sehr wohl beobachten, wie die Arbeit dieser Gruppe funktioniert. Wir werden auch schauen, ob dort tatsächlich vernünftige Arbeit geleistet werden kann – nicht, weil die Leute unwillig sind, sondern weil sie als ehrenamtlich Tätige einfach nicht in der Lage sind, diese horrende Aufgabe zu stemmen. Dann werden wir möglicherweise sehen, was man verbessern kann.
Das Ganze ist, wie ich finde, ein beschämendes Beispiel für den Umgang mit internationalen Konventionen, mit dem internationalen Kampf gegen Folter, den wir immer für richtig gehalten haben. Es ist leider nur eine kleine Maus dabei herausgekommen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung befasst sich mit der Umsetzung des Fakultativprotokolls der UNAntifolterkonvention. Dieses Protokoll ist entstanden – wie es in der Präambel heißt – in der Bekräftigung der Tatsache, dass Folter eine schwere Menschenrechtsverletzung darstellt und dass weitere Maßnahmen erforderlich sind, um Folter zu verhindern und den Schutz von Menschen, denen die Freiheit entzogen ist, vor Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung zu verstärken.
Das Protokoll sieht zu diesem Zweck die Errichtung eines Systems von unangekündigten Besuchen in Einrichtungen vor, in denen sich Menschen unter Freiheitsentzug aufhalten müssen. Solche Einrichtungen sind Gefäng
nisse, Einrichtungen der Polizei und geschlossene psychiatrische Anstalten. Inspektionsteams sollen zu diesem Zweck die betreffenden Einrichtungen aufsuchen und Empfehlungen und Verbesserungsvorschläge an die Leitung richten.Die Besuche sollen natürlich eine präventive Wirkung erzielen. Die Inspektionsteams – ich denke, darüber sind wir uns einig – sind eine gute Sache, wobei man natürlich sagen muss, dass die Zustände in deutschen und hessischen Gefängnissen und Einrichtungen weitaus besser sind als in anderen Ländern. Das brauchen wir nicht extra zu betonen.Aber beispielsweise der Skandal um den in der JVA Siegburg von Mithäftlingen gefolterten und zum Selbstmord gezwungenen Gefangenen belegt doch, das solche Dinge theoretisch auch in hessischen und deutschen Justizvollzugsanstalten passieren können – trotz der hohen Standards, die wir haben. Insofern ist auch die Umsetzung des Protokolls in Deutschland keine Nebensache.
Da die meisten der im Protokoll angeführten Maßnahmen in die Zuständigkeit der Länder fallen, ist der Erlass eines hessischen Umsetzungsgesetzes zu diesem Fakultativprotokoll geboten. Die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag hat das Gesetz auf Bundesebene begrüßt. Insofern begrüßen wir auf hessischer Ebene den Staatsvertrag. Damit setzt Hessen auch international ein sichtbares Zeichen für den hohen Stellenwert der Menschenrechte in unserem Land.
Danke, Herr Mick. – Herr Honka, Sie haben jetzt Gelegenheit, für die CDU-Fraktion das Wort zu ergreifen.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion begrüßt den hier vorgelegte Gesetzentwurf zu dem Staatsvertrag ausdrücklich. Ich denke, die Vorgeschichte des Ganzen hat uns Herr Staatssekretär Dr. Kriszeleit ausführlich geschildert. Er hat vor allen Dingen auf das Problem aufmerksam gemacht, dass es zwar vom Namen her eine sehr trockene Geschichte zu sein scheint, für die potenziell von Folter und unangemessener Behandlung betroffenen Menschen aber eine sehr, sehr kritische Sache ist, mit der wir sehr respektvoll umgehen müssen, bei der wir dezidiert hinschauen müssen.
Wenn wir uns den Zeitablauf anschauen, den Herr Dr. Jürgens angesprochen hat, dann denke ich, wir Hessen brauchen uns nicht zu verstecken. Im Juni 2009 hat die Justizministerkonferenz den vorliegenden Staatsvertrag beschlossen, und wir sind im Oktober hier zusammengekommen, um den Staatsvertrag in Hessen Realität werden zu lassen.Von daher gesehen haben wir uns keinerlei Versäumnisse vorzuwerfen. Außerdem ist angeklungen, dass diese Stelle hier in Wiesbaden angesiedelt werden soll, was aus unserer Sicht vollkommen positiv ist.
Da die Materie so trocken ist, dass sich die meisten Nichtjuristen mit anderen Themen beschäftigen, sollten wir die Debatte, wenn überhaupt, im Ausschuss führen. Ich denke, es steht dem Hessischen Landtag gut an, dass er diesen Staatsvertrag sehr zügig und so respektvoll behandelt,wie es sich gehört,damit er möglichst schnell Realität wird, dass es nicht zu Verzögerungen kommt und das Ganze nicht an uns Hessen scheitert.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Honka, es hat sich verzögert, vielleicht nicht wegen uns Hessen, aber vielleicht doch wegen der CDU-geführten Landesregierung. Meine Vorrednerinnen und Vorredner aus der Opposition haben bereits die Frage gestellt:Warum hat es wieder so lange gedauert? Wir unterstützen seitens der LINKEN dieses Protokoll,dieses Gesetz sehr.Wir werden ihm zustimmen. Wir müssen trotzdem fragen: Warum hat es so lange gedauert? Schließlich geht es um ein zentrales Menschenrecht. Warum dauert es in Deutschland sieben Jahre, ein UN-Protokoll umzusetzen?
Frau Hofmann hat bereits darauf aufmerksam gemacht: Es gibt sicherlich Länder auf dieser Welt, wo ein Folterverbot sehr viel dringender umzusetzen ist als hier in Deutschland. Ich zitiere aber noch einmal aus dem Titel des Gesetzes. Es geht nicht nur um Folter, sondern auch um „andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe“. Leider – auch darauf hat meine Vorrednerin schon hingewiesen – ist auch hier in Deutschland, auch hier in Hessen, bei Weitem nicht alles so, wie es sein sollte. Das geht bei Weitem über die Problematik hinaus, die Herr Jürgens hier dargestellt hat, dass eine so kleine, ehrenamtlich arbeitende Gruppe dieses Problem nicht beheben kann, aber sie erhöht hoffentlich die Aufmerksamkeit gegenüber dem Problem.
Erinnern wir uns: Nicht nur der Frankfurter Fall des Polizeivize Daschner und die Haltung des Hessischen Ministerpräsidenten Koch dazu machen deutlich, wie wichtig es ist, dass wir in Deutschland die Folter als Menschenrechtsverletzung geißeln und sicherstellen, dass sie – auch nicht schleichend – in die Polizeipraxis, in die Militärpraxis oder selbst nur in Stammtischdiskussionen keinen Eingang findet. Um das zu unterbinden, ist es umso dringender, dass wir, auch in diesem Hohen Hause, das anklagen, geißeln und offen aussprechen, was leider in viel zu vielen Fällen alltägliche Praxis geworden ist. Es gibt genügend Anlässe, die untersucht gehören. Ich will ein paar Beispiele nennen.
In Bremen dokumentiert das Antirassismusbüro, dass Polizisten Festgenommenen in die Genitalien traten, sie mit Wasser übergossen und sie anschließend zwangen, den Boden mit den Kleidungsstücken, die sie am Körper hatten, aufzuwischen.
Wir erinnern uns hier an die drei hessischen Polizisten, die zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, weil sie einen Algerier mit Desinfektionsmittel besprüht,ihn dann angezündet und ihm eine Dienstwaffe in den Mund geschoben hatten. Ein Marokkaner berichtet von derselben Dienststelle, dass er, an ein Tischbein gefesselt, mit einem Elektroschockgerät gefoltert worden ist.Wie die Staatsanwaltschaft später ermittelte, hatten sich die Beamten eine wahre Folterkammer hergerichtet. Auf all das muss auch in unserem Bundesland die Aufmerksamkeit gerichtet werden.
Ein weiteres Beispiel ist der Brechmitteleinsatz als Methode polizeilicher Beweissicherung in der Drogenfahndung. Gerichte haben ihn mehrfach unmissverständlich zur Folter erklärt, doch Polizei und Staatsanwaltschaften setzen sich, wie es jetzt in Hamburg wieder geschehen ist, darüber hinweg. In diesem Fall wurde durch den Brechmitteleinsatz ein Migrant getötet.
Ich erinnere auch an die Flüchtlinge, die vom Bundesgrenzschutz brutal abgeschoben und dabei zu Tode geknebelt wurden.
Erinnert sei auch an die in Dortmund eingekesselten Demonstranten, die mehr als zehn Stunden lang nicht auf die Toilette gehen durften und so genötigt waren, ihre Notdurft im Polizeikessel zu verrichten.
Meine Damen und Herren, um all das geht es, wenn wir das UN-Protokoll verhandeln, das sich nicht nur gegen Folter richtet, sondern auch gegen jegliche andere grausame, unmenschliche oder erniedrige Behandlung oder Strafe richtet. Ich hoffe sehr, dass eine solche Gruppe, selbst wenn sie klein ist – ich gebe Herrn Dr. Jürgens recht: von einer ungenügenden Größe –, zukünftig Dokumentationen von Flüchtlingsinitiativen und Menschenrechtsorganisationen mit aufgreift und zeigt, wie verbreitet solche Praktiken leider auch in Deutschland sind.
Ich komme zum letzten Satz. – Hoffen wir gemeinsam, dass dieses Gesetz hilft, dem Menschen- und Grundrecht weiter zum Durchbruch zu verhelfen. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Jede Art von Folter ist zu ächten – auch wenn sie von US-Geheimdienststellen in Frankfurt am Main angewendet wird und unsere Landesregierung, wie es in der Antwort auf unsere Kleine Anfrage dokumentiert ist, selbstverständlich keine eigenen Erkenntnisse dazu hat. – Ich bedanke mich.