Es ist schon schizophren. Die Eltern freuen sich über aufgeweckte Kinder, und in Frankfurt reagieren Graf und Gräfin von W. sehr aggressiv. Auch wenn Sie sich da einschalten, kann ich nur sagen: Offensichtlich geht es eher um den Wert einer Immobilie als um den Krach einer Kindertagesstätte. – Zu Lärmschutzwänden, das wurde eben gesagt, würde ich auch sagen: Käfighaltung für Kinder ist strikt verboten.Das gilt im Übrigen für Lärmschutzwände wie für Einhausungen.
Wir sind uns in einem Punkt einig: Kinderlärm auf Sportanlagen, auf Schulhöfen, in Kindertagesstätten ist unvermeidbar, schlichtweg üblich, eine ganz normale Lebensäußerung von Kindern.Gerade auch in Wohngebieten,wo Gott sei Dank Kinder leben, ist es lauter, lebenslustiger, schöner, lebendiger und bunter als dort, wo es keine Kin
der gibt. Darüber sind wir uns Gott sei Dank in dem Haus einig – bei allen Aufgeregtheiten, die wir gerade hatten.
Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Wer käme auf die Idee, ans Meer zu fahren und sich dann über das Kreischen der Möwen oder den Krach der Wellen aufzuregen? Auf die Idee käme überhaupt niemand.
Wir leben in einer lauten Welt. Ich finde es auch ziemlich unerträglich,wenn wir sagen,es geht um die TA Lärm,mit der die Lebensäußerung von Kindern gemessen wird, wenn man 80 Dezibel sagt. Ich denke, gerade wir im Rhein-Main-Gebiet haben den Lärm von Autobahnen. Wir haben Fluglärm zu Teilen. Wir haben Presslufthämmer in der Nähe. Insofern ist es schon ein bisschen merkwürdig, wenn über „Kinderlärm“ Streit entsteht.
Jetzt müssen wir über den Weg reden. Die einen meinen, dass trotz einiger anderslautender Urteile grundsätzlich im Sinne der Kinder geurteilt würde. Eine andere Richtung der Juristen sagt, dass Klagen gegen Kinderlärm angestrebt werden und häufig erfolgreich sind.Insofern sage ich Ihnen, wir sind noch nicht entschieden, was der richtige Weg ist.
Tatsache ist,dass Kinder oftmals lauter als 80 Dezibel sind – ganz unbestreitbar. Ich sage, anders als die GRÜNEN sind wir der Auffassung, dass die Zuständigkeiten durchaus noch ungeklärt sind. Es gibt einen Fehler in Hessen. Wir haben seit 2005 kein Landes-Immissionsschutzgesetz, denn dann könnten wir die Sache ganz einfach so lösen, wie es auf Initiative der SPD das Land Berlin in dieser Woche noch beschließen wird. Dort wird im Landes-Immissionsschutzgesetz geschrieben:
Störende Geräusche, die von Kindern ausgehen, sind als Ausdruck selbstverständlicher kindlicher Entfaltung und zur Erhaltung kindgerechter Entwicklungsmöglichkeiten grundsätzlich sozialadäquat und damit zumutbar.
Herr Kollege Klee,man könnte auch anders vorgehen.Ich darf in Erinnerung rufen, dass der Bundestag einen Antrag der Großen Koalition in diesem Sommer einmütig verabschiedet hat, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die Baunutzungsverordnung und die Regelung des Lärmschutzes entsprechend zu ändern. Kinderlärm soll als sozial verträglich gelten. Die natürlichen Geräusche auf Spielplätzen oder in Kitas sollen unter einem besonderen Toleranzgebot der Gesellschaft stehen und nicht mehr als schädliche Umweltwirkungen gelten. Das kann die neue Bundesregierung jetzt unmittelbar umsetzen. Damit ist das Problem dann gelöst.
Nur die neuen, okay. Wir lassen uns gern belehren. Das Anliegen ist richtig. Ich glaube, darüber gibt es auch überhaupt keinen Streit. Es gibt allerdings eine Diskussion um den richtigen Weg. Deswegen freue ich mich auf die Anhörung und darauf, was uns die Anzuhörenden auf den Weg geben, was der richtige Weg ist, um das Problem zu lösen, denn das ist überfällig. Darüber sind wir uns auch wieder alle einig. – Ich bedanke mich.
Frau Fuhrmann, herzlichen Dank. – Für die Landesregierung ergreift Herr Staatsminister Banzer das Wort.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eigentlich schon beachtlich, wie sehr wir uns über eine Sache streiten können, über die wir eigentlich offensichtlich einig sind.
Ich glaube, man sollte festhalten – es ist manchmal ein bisschen traurig, aber wahr –, es gibt in der Politik kein Copyright. Sie wissen natürlich, dass wir es in der Koalitionsvereinbarung festgelegt haben, bevor Sie den Gesetzentwurf eingebracht haben. Sie wissen auch, dass es wahrscheinlich kaum einen Politiker in diesem Raum gibt, der nicht schon einmal gesagt hat: Kinderlärm ist Zukunftslärm, und deswegen freuen wir uns darüber.
Ich finde es eigentlich – fast zum Thema passend – etwas kindisch, jetzt bei den GRÜNEN ein großes Triumphgeschrei zu starten, weil Sie auf eine dolle Idee gekommen sind.
Es gibt in der Politik noch eine zweite Wahrheit. Die Bürger interessiert nicht, wer als Erster auf die Idee gekommen ist.
Deswegen ist auch die Copyright-Frage nicht so spannend, sondern die Bürger interessiert, wie man es am besten löst.
Das ist ein ganz spannender Punkt. Ich bin sehr verwundert, dass wir eine neue Fraktion der GRÜNEN kennenlernen, denn bisher waren Sie eigentlich die, die solide, konstruktiv und pragmatisch gearbeitet und nicht jeden populistischen Ansatz gleich mitgenommen haben.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das kann einfach so stehen bleiben, Herr Minister!)
Herr Minister Banzer, Sie haben gerade von Konstruktivem der GRÜNEN gesprochen. Nehmen Sie doch einfach einmal zur Kenntnis, dass nicht nur wir, sondern auch die Frankfurter Oberbürgermeisterin – Klammer auf, CDU, Klammer zu – diesen Gesetzentwurf genauso unterstützt. Nehmen Sie es zum Anlass einer freundlichen Kooperation zwischen Schwarz und Grün.
Man kann die erfolgreiche Kommunalpolitik in Frankfurt nicht oft genug loben; insoweit nehme ich das gern zur Kenntnis.Aber sonst muss ich schon sagen:Wir wollen uns im Landtag doch eigentlich darauf einigen, dass es nicht darauf ankommt, schnell Gesetze zu machen, sondern gute Gesetze zu machen.
(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Ich bleibe dabei: Das, was der Bundestag – und der besteht aus Leuten, die auch etwas von der Sache verstehen – im Sommer einstimmig beschlossen hat – meines Wissens hat auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zugestimmt – dieser Auftrag zur Änderung des Baugesetzes, ist die richtige Linie. Das wird Rechtssicherheit bieten.
Es hilft doch nichts, wenn wir uns jetzt hier mit einer Position profilieren, die sich bei der ersten juristischen Auseinandersetzung in Luft auflöst. Bei solchen Bauentscheidungen, bei solchen Prozessen geht es doch darum, dass man Rechtssicherheit bekommt.
Ich bin aber gern bereit, dies in aller Gelassenheit zu diskutieren. Juristische Fragestellungen sind besonders geeignet, um sich damit auseinanderzusetzen.
Das können wir gern im Ausschuss tun. Ich glaube aber, als wichtig sollte man festhalten:Wir wollen alle das Gleiche und streiten trotzdem engagiert und heftig.Wenn das sein muss, dann gut.Wir wollen aber versuchen, etwas für die Kinder in Hessen zu tun.