Protocol of the Session on July 8, 2009

Herr amtierender Landtagspräsident, wir hätten gern den zuständigen Finanzminister. – Schönen Dank. Gut. Es ist die Frage, ob auch der Herr Innenminister kommt, da es auch um Kommunalfinanzen geht, oder ob Finanzminister Weimar das für die Regierung macht. Das wollen wir wissen.

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Nicht so eine Schärfe!)

Ich bitte, regierungsintern abzuklären, ob der Herr Innenminister kommt oder ob Sie das mitmachen. – Alles klar. Herr Kollege Rudolph,es wurde zugesagt,dass der Innenminister sofort kommt.

Wir kommen dann zu dem Tagesordnungspunkt 50:

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend „Operation düstere Zukunft II“ durch finanzielles Ausbluten der hessischen Kommunen – Drucks. 18/839 –

mit dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucks. 18/901 –

und mit dem Tagesordnungspunkt 79:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Konsolidierung der öffentlichen Haushalte – Drucks. 18/908 –

Die vorgesehene Redezeit pro Fraktion beträgt zehn Minuten. Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Schäfer-Gümbel gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, mein sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn vielleicht eine Eingangsbemerkung zu der nachfolgenden Debatte machen. Willy Brandt hat einmal gesagt: „Ich möchte eindringlich raten, vor organisierter Verdummung und vor ausgeklügelter Gemeinheit als Mittel der Politik auf der Hut zu sein.“

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Ich will das deswegen an den Anfang stellen, weil man bei der nachfolgenden Debatte Ursache und Wirkung nicht verwechseln sollte. Das meine ich sowohl in Bezug auf die Verdummung, da es ganz offensichtlich in diesen Stunden den Versuch gibt, den Schwarzen Peter an die Kommunen zu schieben, was die Konfliktlage angeht, als auch in Bezug auf die ausgeklügelte Gemeinheit.Denn es geht nicht, dass diejenigen, die den Zoff angezettelt haben, sich anschließend darüber beklagen, dass die Betroffenen es merken und sich dagegen wehren, und diese dann wegen der Gegenwehr beschimpft werden.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage das deswegen, weil uns seit wenigen Stunden ein Brief des Finanzministers vorliegt, der ganz offensichtlich an viele Städte und Gemeinden gegangen ist – ich vermute, an alle –, in diesem Fall an die Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt, Frau Roth. In dem Brief weist er eindringlich darauf hin – ich zitiere –, dass man Gespräche angeboten habe.Aber dann erklärt er unverhohlen:

Mehr als verwunderlich ist vor diesem Hintergrund die Konfliktstrategie der Kommunalen Spitzenverbände, die versuchen, ihre Mitglieder mithilfe von vorformulierten Resolutionstexten und Musterprotestbriefen zu einer inhaltlichen Position zu drängen.

(Michael Siebel (SPD): Hört, hört!)

Mit dieser Konfliktstrategie kann die Diskussion über die gerechte vertikale Mittelverteilung nicht beendet werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist schon ein echtes Armutszeugnis. Schließlich hat der Finanzminister, nach dem, was man so hört, bei der Kommunalkonferenz am Hessentag von einem Krieg gesprochen, als es um den Konflikt dieser 400-Millionen-c-Kürzung im Kommunalen Finanzausgleich ging.

(Günter Rudolph (SPD): Unglaublicher Vorgang!)

Über nicht mehr und nicht weniger reden wir jetzt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Die SPD-Landtagsfraktion hat einen Antrag zu dem geplanten Sonderopfer der Kommunen gestellt, um den Alarmruf der hessischen Kommunen in diesem Parlament zu unterstützen, ihn zu verstärken und auch um auf das drohende Unheil für die kommunale Familie in Hessen hinzuweisen und dieses letztlich zu verhindern. Das drohende Unheil ist das im Finanzplan des Landes vorgesehene Sonderopfer der Kommunen in Höhe von 400 Millionen c ab dem Jahr 2011.

Wir haben in den vergangenen zehn Jahren oft erlebt, wie diese Landesregierung Städten, Gemeinden und Kreise in die Kasse gegriffen hat oder Lasten zu ihren Ungunsten verschoben hat.

(Peter Beuth (CDU): Das ist doch Unsinn!)

Fragen Sie bitte in Ihrem Kreistag nach und in Ihren Kommunalparlamenten, Herr Beuth. Der Innenminister sagt an solchen Stellen gelegentlich immer mal wieder, und an dieser Stelle will ich es gerne aufnehmen:Vertiefte Sachkenntnis erschwert die Polemik.

(Beifall bei der SPD – Peter Beuth (CDU): Das hat alles mit der Sache nichts zu tun!)

Wir erinnern uns alle noch an den Aufschrei und Widerstand zahlreicher Städte,als CDU und FDP mit ihrem Koalitionsvertrag bekannt gegeben haben, die leistungsstarken Kommunen an den Umlagen des Länderfinanzausgleichs beteiligen zu wollen. Doch jetzt droht zusätzliches Unheil durch die „Operation düstere Zukunft II“. Deswegen laufen auch zu Recht die Kommunalen Spitzenverbände parteiübergreifend, Herr Beuth, Sturm gegen diese Mittelkürzung. Ich zitiere:

Einen Mittelentzug von 400 Millionen c werden Hessens Kommunen nicht verkraften... Nicht einmal stärkere Gemeinden packen das, nicht einmal nach der Finanzkrise besteht dazu eine Chance.

So bringt es der Präsident des Hessischen Städtetags, der Fuldaer Oberbürgermeister Gerhard Möller auf den Punkt, und er ist bekanntlich Mitglied der Union.

(Beifall bei der SPD)

„Hände weg von der kommunalen Familienkasse“, fordert der Hessische Städte- und Gemeindebund:

Die Daseinsvorsorge steht auf dem Spiel... Das stellt auch die Großprojekte Krippenausbau und die Verbesserung der Personalausstattung der Kindergärten infrage...

Wortbruch wirft der Landkreistag der Koalition vor. Zitat:

Noch ist die Tinte, mit der die Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP... unterschrieben wurde, nicht trocken, da werden gerade getroffene Zusagen an die Kommunen schon wieder in Abrede gestellt...

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Weiter sagt der Präsident des Landkreistages, Alfred Jakoubek, wörtlich:

Dieser beispiellose Griff des Landes in die Kassen der hessischen Kommunen stellt vor dem Hintergrund der ohnehin dramatisch verschlechterten Finanzsituation der Kommunen einen Megakonflikt gegenüber den Landkreisen, Städten und Gemeinden dar.

Herr Koch, Herr Weimar und Herr Bouffier, die Kommunen sprechen von einem Megakonflikt, den Sie angezettelt haben, um Ihre hausgemachten Finanzprobleme noch irgendwie zu bewältigen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

In den Kommunen werden dazu reihenweise Resolutionen beschlossen, die das verordnete Sonderopfer kategorisch ablehnen. Zum Beispiel in Wiesbaden haben CDU, SPD, GRÜNE und FDP in einem gemeinsamen Antrag festgehalten:

Die Landeshauptstadt Wiesbaden wehrt sich mit allem Nachdruck dagegen, dass den hessischen Kommunen ab dem Jahr 2011 ein Sonderopfer durch Mittelentzug im Kommunalen Finanzausgleich abverlangt werden soll. Sie fordert die Hessische Landesregierung auf, in ihrer weiteren Finanzplanung die Verbundmasse in Höhe von 23 % beizubehalten.

Ich frage einmal in Ihre Reihen, wie denn die Landtagsabgeordnete und CDU-Stadtverordnete Frau Wallmann zu dem Antrag steht.Nun will ich ausdrücklich sagen,dass Frau Wallmann an dieser Stelle zwei Dinge auszeichnen. Erstens formuliert sie ihre Position, zweitens hat sie ganz offensichtlich den Mut gehabt, ihre Hand in der Stadtverordnetenversammlung zu heben.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Ganz anders ist es bei anderen Kollegen dieses Hauses. Beispielsweise hat sich Herr Stephan, der Mitglied des Kreistags der Bergstraße ist, am Montag bei einem artverwandten Antrag mit der fadenscheinigen Begründung, er sei in Wiesbaden unabkömmlich, einer entsprechenden Abstimmung entzogen.

(Lachen bei der SPD)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich mache mir ernsthaft Sorgen um den Zustand mancher im Haus. Das, was hier gerade stattfindet, hat nichts mit Parteipolitik zu tun, Herr Beuth, sondern hat ganz offensichtlich eher etwas mit Bewusstseinsspaltung zu tun.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Ich will aus dem Protokoll der 14. Plenarsitzung des Hessischen Landtags in der 18.Wahlperiode vom 17.Juni 2009 zitieren. Das ist keine vier Wochen her. Auf Seite 912 steht:

Jetzt müssen wir noch über Tagesordnungspunkt 17 c abstimmen, Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Landesregierung betreffend Finanzplan des Landes Hessen für die Jahre 2008 bis 2012, Drucks. 18/412 zu Drucks. 18/345.

Es geht um die mittelfristige Finanzplanung und die angekündigte Kürzung von 400 Millionen c.

Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU und FDP. Gegenstimmen? – SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN...