Protocol of the Session on June 18, 2009

Vielen Dank. – Jetzt hat Herr Minister Banzer das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Da dieser Punkt nicht aktueller Parteienstreit heißt, sondern Aktuelle Stunde, halte ich es schon für wichtig, dass das Thema, das uns bewegt und das einen Krisenstab im Ministerium seit zwei Monaten ganz schön auf Trab hält, das unsere Gesundheitsämter in den hessischen Kommunen in absoluten 24-Stunden-Bereitschaftsdienst bringt, ein Punkt ist, der es verdient, im Hessischen Landtag diskutiert zu werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube auch, dass sich die Öffentlichkeit dafür interessiert. Ich bedanke mich sehr für das Lob. Ich weiß, es ist unvermeidbar gewesen, sonst hätten Sie es nicht gegeben.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich weiß auch,es ist wirklich nicht auf mich gemünzt.Deswegen freut es mich auch, weil es auf die Damen und Herren gemünzt ist, die jetzt schon über eine lange Zeit überobligatorisch arbeiten und sehr umsichtig agieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Zu Beginn dieser Krankheit haben wir als Öffentlichkeitskriterium festgelegt: Wir wollen so informieren, dass es für die Presse nicht mehr spannend ist, zu recherchieren, weil nicht zu erwarten steht, dass sie noch irgendetwas herausbekommt, was verheimlicht worden sein könnte. Diese Strategie hat sich bewährt. Die Bevölkerung vertraut der Informationspolitik und versucht nicht, noch irgendwas hinter die Informationen hineinzugeheimnissen. Ich glaube, dass das eine gute Voraussetzung ist, um mit dieser Krankheit umzugehen.

Denn man muss versuchen, weder nach der einen noch nach der anderen Seite den falschen Weg zu gehen. Es hat keinen Sinn, alle Menschen zu beruhigen; denn in dieser Krankheit liegt ein Risiko. Es hat aber auch keinen Sinn, absolute Hysterie zu verbreiten, weil der gegenwärtige Krankheitsverlauf dies nicht rechtfertigt.

Trotzdem ist festzuhalten:Es gibt inzwischen 16 bestätigte Fälle in Hessen. Wir können sagen, es sind nur 16 Fälle. Wir haben eigentlich Glück gehabt, wenn man sich vorstellt, dass Nordrhein-Westfalen 101 Fälle hat und dass wir den Frankfurter Flughafen haben, der nun einmal nicht dicht zu kriegen ist. Das haben wir bei der Gelegenheit auch erlebt. Das müssen wir schon wissen. Wir sind ein Land, das unter diesen Aspekten immer mit besonderen Risiken zu leben hat.

Dass von diesen 226 Fällen in Deutschland 106 Fälle autochthon sind, also von Mensch zu Mensch übertragen wurden, das ist ein Aspekt, den wir nicht außer Acht lassen dürfen, weil bei jeder dieser Übertragungen eine Mutationschance bzw. ein Mutationsrisiko besteht. Deswegen gibt es einen guten Grund,darum zu kämpfen,dass es möglichst wenige Ansteckungen gibt, weil jede Ansteckung ein potenzielles Risiko ist.

Wenn dieses Virus sich in die falsche Richtung entwickelt, dann wird es richtig gefährlich. Wir müssen trotzdem zur Kenntnis nehmen, bei den 36.148 weltweit bestätigten Fällen gibt es 164 laborbestätigte Todesfälle. Die Dunkelziffer ist möglicherweise höher. Jetzt will ich auch an dieser Stelle keine Hysterie verbreiten, aber das sind rund 0,5 % der Erkrankungen. Das ist nicht irrelevant. Deswegen glaube ich, dass es richtig ist, an dieser Stelle genau hinzuschauen, aufzupassen, sich entsprechend zu verhalten. Was Frau Schulz-Asche gesagt hat, ist nur zu unterstreichen. Darauf kommt es schon an,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

weil jede Ansteckung ein Risiko ist, und es kann ein ganz dramatisches Risiko sein.

Wie geht es jetzt weiter, über welche Punkte haben wir zu diskutieren? Wir warten auf die entsprechende Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums, in der klargelegt wird, wie die Kostenpflicht für diese Krankheit ist. Wir haben dann darüber zu diskutieren, wie die Abwick

lung des hoffentlich sehr bald zur Verfügung stehenden Impfvorgangs durchzuführen ist,wer Kostenträger ist,wie sich die Krankenkassen engagieren. Insofern haben wir eine ganze Anzahl von Problemstellungen, bei denen es darauf ankommt, dass wir eine transparente Öffentlichkeitsarbeit betreiben und diese aufmerksame Gelassenheit, die wir gegenwärtig in der Bevölkerung haben, auch in Zukunft aufrechterhalten können. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU,der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle Stunde durchgeführt.

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 48 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Eklat um die Verleihung des Hessischen Kulturpreises – Drucks. 18/777 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten.Das Wort hat Frau Abg. Sorge für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Roland Koch ist immer wieder für eine erzkonservative Überraschung gut.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Der Eklat um die Verleihung des Hessischen Kulturpreises ist nicht das erste Mal, dass der Hessische Ministerpräsident sehr bewusst Migrantinnen und Migranten bzw. neue Deutsche vor den Kopf stößt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So ein Schwachsinn aber auch! – Widerspruch bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es wird leider, Herr Dr.Wagner, auch nicht das letzte Mal gewesen sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dennoch ist das ganze Geschehen rund um die Verleihung des Kulturpreises eine neue Form von Kochs Fehltritten, denn die Preisvergabe für Toleranz ist an Intoleranz gescheitert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Was ist geschehen? – Der Hessische Kulturpreis sollte in diesem Jahr für den interreligiösen Dialog vergeben werden. Zunächst wurden vier Preisträger nominiert, darunter Kardinal Lehmann für die katholische Kirche, Prof. Steinacker für die evangelische Kirche, Herr Dr. Korn für die jüdische Gemeinde. Der ursprünglich für die Muslime nominierte Prof. Sezgin hat den Preis abgelehnt, weil er mit der Position von Dr. Korn zum Israel-Palästina-Konflikt nicht einverstanden war und den Preis nicht gemeinsam mit ihm entgegennehmen wollte. Navid Kermani wurde dann, soweit bekannt, einstimmig vom Kuratorium nachnominiert.Relativ zeitgleich hat Herr Kermani in der „Neuen Zürcher Zeitung“ ein Essay veröffentlicht, in

dem er sich mit einem Bild, nämlich der „Kreuzigung“ von Reni, beschäftigt hat.

In diesem Essay setzte er sich als Moslem zunächst sehr kritisch mit der Kreuzigung auseinander und beginnt den Artikel durchaus provokant. In dem Artikel aber durchläuft er selbst als Betrachter des Bildes eine sehr erstaunliche Wandlung. Denn durch den Anblick von Renis Bild, durch diese ästhetische Erfahrung, kommt er am Ende des Artikels dazu, die Verehrung der Christen für den gekreuzigten Christus nachvollziehen zu können. Dies gipfelt in dem für einen Moslem doch sehr erstaunlichen Satz – ich zitiere –:

Erstmals dachte ich: Ich – nicht nur: man –, ich könnte an ein Kreuz glauben.

Allein dieses Essay zeigt, dass Navid Kermani genau der Richtige für diesen Kulturpreis gewesen wäre.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

So ist es aber nicht gekommen, sondern genau hier hat die Kette der Skandale eingesetzt. Ich persönlich bin der festen Überzeugung,dass die Herren Lehmann und Steinacker intellektuell in der Lage sind, diesen Artikel genau zu verstehen. Dies haben sie leider offensichtlich nicht gewollt. Daher frage ich mich, ob sie selbst vielleicht nicht die richtigen Empfänger für diesen Preis sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich persönlich bin der Meinung, dass auch Roland Koch die intellektuelle Reife hat, diesen Artikel richtig zu verstehen. Auch er hat den Artikel aber ganz offensichtlich nicht verstehen wollen. Im Gegenteil: Kermani wurde von Lehmann und Steinacker, insbesondere aber von Roland Koch – so ist meine Interpretation –, ganz bewusst missverstanden. Damit haben uns die Vertreter der beiden christlichen Kirchen, aber auch Koch und das gesamte hochkarätig besetzte Kuratorium, bei der Intention des Preises, nämlich den Dialog zwischen den Kulturen und zwischen den Religionen zu würdigen, ganz erheblich zurückgeworfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Um es auf den Punkt zu bringen: Die Preisverleihung für den interreligiösen Dialog ist an religiöser Intoleranz gescheitert. Das ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Das ist ein Armutszeugnis für die beiden Vertreter der christlichen Kirchen. Die Reaktion von Kardinal Lehmann und Prof. Steinacker lässt mich wirklich sehr erschrocken zurück, weil ich eine solche Ignoranz und Intoleranz von diesen beiden doch recht gebildeten Männern nicht für möglich gehalten hätte.

Sie lässt sich allein psychologisch mit deren Angst vor dem Verlust der religiösen Hegemonie erklären. Und sie ist ein Armutszeugnis für das Kuratorium und seinen Vorsitzenden Roland Koch. Die Motivation für die Entscheidung wurde bislang verschwiegen. Meiner Meinung nach ist der Grund für die Entscheidung,dass hier der Meinung und der persönlichen Verletztheit von Lehmann und Steinacker mehr Gewicht eingeräumt wurde, als sachlich und tolerant auf den Stein des Anstoßes zu schauen. Dies wird aber nicht nur der Intention des Kulturpreises nicht

gerecht, sondern das hat auch diffamierenden und spaltenden Charakter.

Diffamierend ist es gegenüber der Person Navid Kermani, einem iranischstämmigen deutschen Intellektuellen, der sich gerade mit interkulturellen und interreligiösen Fragen sehr klug auseinandergesetzt und mit seinen Arbeiten schon zahlreiche Preise gewonnen hat. Sie aber haben nicht nur diese Leistung nicht anerkannt, sondern sie haben ihn ungeschützt in der Öffentlichkeit als Christenhasser dastehen lassen und damit seine intellektuelle Integrität diskreditiert. Und, Herr Koch, Sie haben wieder einmal versucht, zu spalten. Wir haben über eine Million Muslime in Deutschland. Diesen haben Sie einmal mehr zu verstehen gegeben: Mit uns kann man es ja machen, und der Christ wird im Zweifel bevorzugt.

Lehmann und Steinacker hätten genau wie der vormals nominierte Sezgin einfach auf die Annahme des Preises verzichten können. Dies wäre bei rationaler Betrachtung der richtige Weg gewesen.

Nun steht der Vorwurf im Raum, das Land Hessen lasse sich von den Vertretern der christlichen Kirchen beeinflussen. Doch Roland Koch ist nicht gerade als emotionaler Mensch bekannt, sondern als kluger Kopf und als rationaler Politstratege. Daher komme ich zu dem Schluss: Nicht die Kirchenvertreter haben Koch beeinflusst, sondern Roland Koch hat der Aufregung der beiden Kirchenvertreter in vollem politischen Bewusstsein nichts entgegengesetzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er hat stattdessen an seine eigene Klientel und an Fulda und Limburg gedacht, statt als Landesvater die Intention des Preises zu verteidigen.Seitdem duckt er sich weg,statt die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)