Protocol of the Session on September 4, 2013

Frau Wissler möchte eine Antwort geben.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Irmer, ich bin jetzt nicht ganz sicher, was Sie hier eigentlich sagen wollten. Das habe ich jetzt nicht ganz herausgehört.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Aber wenn ich die Gelegenheit habe, noch einmal zu versuchen, zu deuten, was Sie hier sagen wollten, dann werde ich das gern tun. Sie wollten, wenn ich das richtig verstanden habe, darauf hinweisen, dass Mindestlöhne Arbeitsplätze gefährden.

Sie haben da die Zahl – ich weiß es nicht mehr genau – von 1,4 Millionen oder so etwas in den Mund genommen. Ich habe keine Ahnung, woher diese Zahl stammt. Aber vielleicht stammt sie auch vom DEHOGA.

Ich finde die Frage, ob Mindestlöhne Arbeitsplätze gefährden, merkwürdig. Denn die schwarz-gelbe Bundesregierung hat sich doch dafür gerühmt, dass sie in vielen Branchen Mindestlöhne eingeführt hat. Ich finde, das muss man sich doch unter folgender Fragestellung anschauen: Was ist denn die praktische Erfahrung? Was ist denn in den Branchen passiert, in denen die branchenspezifischen Mindestlöhne eingeführt wurden?

Ich würde Sie bitten, einmal zu belegen, dass in diesen Branchen Arbeitsplätze verloren gegangen sind, nachdem die schwarz-gelbe Bundesregierung dort branchenspezifische Mindestlöhne eingeführt hat. Wenn Sie das belegen können, dann können wir darüber reden. Wenn aber durch die branchenspezifischen Mindestlöhne überhaupt keine Arbeitsplätze verloren gegangen sind, sondern im Gegenteil zum Teil sogar noch Arbeitsplätze entstanden sind, dann ist das Schreckensgespenst, das Sie an die Wand malen, nämlich das, dass ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn Arbeitsplätze gefährden würde, doch vollkommen hanebüchen.

Sagen Sie deshalb doch, welche Erfahrungen es nach der Einführung gab. Ich weiß es nicht, aber die Bundesregierung wird das sicherlich evaluiert haben. Dann liegen die Zahlen vor. Aber hier einfach irgendwelche Schreckensszenarien an die Wand zu malen, die überhaupt keine Grundlage haben, finde ich ein bisschen wenig.

Deswegen bleiben wir dabei: Wir brauchen einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn. Der muss in Ost und West gleich sein. Er darf nicht branchenspezifisch differenziert sein. Das gibt es in fast allen Ländern der Europäischen Union. Das sollte in einer der reichsten Volkswirtschaften der Welt kein Problem sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt erhält Herr Kollege Lenders das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Bocklet hat die ganze Zeit seiner Rede darauf verwendet, klarzumachen, dass das alles gar nicht so schlimm werden wird, wie wir es interpretieren. Herr Kollege Irmer hat schon Auszüge aus Ihrem Wahlprogramm zitiert. Ich will Weiteres anführen. In der „Wirtschaftswoche“ wird Ihre

Spitzenkandidatin, Frau Göring-Eckardt, mit den Worten wiedergegeben – ich zitiere –:

„Alle Verdienste über 100 € im Monat sollen steuerund abgabepflichtig werden, mit reduzierten Beiträgen für geringe Einkommen“, sagte die Spitzenkandidatin der GRÜNEN, …

Das ist de facto die Abschaffung der 450-€-Jobs. Nichts anderes ist es.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich will einmal an eine andere Zeit erinnern. Kaum hatte die Ich-AG das Licht der Welt erblickt, hat die rot-grüne Bundesregierung ein Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit auf den Weg gebracht. Erst wurde die Ich-AG eingeführt, um dann die Scheinselbstständigkeit wieder zu bekämpfen.

Die Bundesregierung unter Gerhard Schröder hat die EinEuro-Jobs eingeführt. Das zum Thema Glaubwürdigkeit und zum Thema „Es wird schon alles nicht so schlimm kommen“: Diese Bundesregierung hat die damals bestehenden 500-DM-Jobs abgeschafft. Sie war da auf dem „besten“ Weg.

Herr Bocklet, hören Sie einfach einmal zu. – Das tut er nicht, gut.

Es hat damals riesige Proteste gegeben. Es hat riesige Proteste aus der Gastronomie, aus dem Einzelhandel und aus allen Branchen gegeben, die Dienstleistungen anbieten. Aus der gesamten Kultur- und Kreativwirtschaft gab es Proteste. Das ging bis tief in das grüne soziale Milieu hinein.

Die Bundesregierung unter Gerhard Schröder hat darauf reagiert. Sie hat ihren eigenen Beschluss zurückgenommen und die heute bestehende rechtliche Grundlage für die 450-€-Jobs geschaffen. Die haben wir heute. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Was wollen Sie denn? Was ist denn Ihr Konzept?)

Das ist weder ein Schenkelklopfer noch sonst irgendwas. Wir haben den Worten des Herrn Kollegen Decker etwas entnehmen dürfen. Das hat mich schon interessiert. Die SPD steht da geschlossen an der Seite der GRÜNEN. Das heißt also, der Vorwurf gilt genauso für die Mitglieder der SPD. Sie wollen die 450-€-Jobs für ein Stück weit Flexibilisierung am Arbeitsmarkt abschaffen.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Was wollen Sie denn?)

Ich will es Ihnen gerne sagen. Wir wollen die 450-€Jobs, wie sie heute existieren, beibehalten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Frau Kollegin, unsere Bundesregierung hat die 450-€-Jobs nicht umsonst um 50 € aufgestockt. Das haben wir nicht aus Daffke gemacht. Das sind 50 €, die bei den Menschen direkt ins Portemonnaie gegangen sind. Sie gehen direkt ins Portemonnaie.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Direkt in die Altersarmut!)

Sie mögen es vielleicht nicht glauben. Es gibt aber tatsächlich immer noch Familien, die zwei Einkommen haben, weil ein Einkommen in der Tat nicht reicht. Denn die Sozialabgaben und die Belastungen durch die Steuern lassen zu wenig zum Leben und für die Ernährung einer Familie übrig. Das wollen wir gar nicht wegdiskutieren. Es sind gerade Menschen mit diesen Einkommen, bei denen der Partner dann einen 450-€-Job wahrnimmt und die Haushaltskasse damit aufbessert.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das ist richtig!)

Davon leisten sich diese Familien einen Urlaub. Damit können sie vielleicht die Rückzahlung des Kredites für ihr Häuschen leisten. Damit leisten sie sich vielleicht auch eine zusätzliche Altersversicherung. All das wollen Sie diesen Menschen wegnehmen. Das kann ich nicht begreifen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das ist familienfeindlich. Frau Kollegin, in weiten Teilen ist das auch frauenfeindlich.

(Lachen der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Natürlich ist das so. Schauen Sie sich das doch einmal an. Wie sieht denn die Realität aus?

Herr Kollege, gestatten Sie Zwischenfragen?

(Jürgen Lenders (FDP): Gerne!)

Frau Abg. Schulz-Asche.

Herr Kollege, könnten Sie bitte einmal erklären, wie durch die 450 €, die sie erhalten, die fehlende Altersversicherung bei den in Minijobs Beschäftigten kompensiert werden soll? Das hauptsächliche Problem ist doch das, dass in die Altersversicherung nicht eingezahlt wird. Deswegen stelle ich die Frage: Was meinen denn die Mitglieder der FDP, wie wir die Altersarmut gerade älterer Frauen verhindern können?

Ich will gerne darauf antworten. Sie können das zusätzliche Einkommen, das sie dann haben, auch dafür nehmen, sich private Altersvorsorge zu leisten. Natürlich können sie das.

(Beifall bei der FDP – Lachen der Abg. Janine Wiss- ler und Hermann Schaus (DIE LINKE))

Frau Erfurth, ich will Ihnen noch etwas sagen. Schauen Sie sich das einmal an. Es gibt bei den 450-€-Jobs bereits die Möglichkeit, um Anteile aufzustocken, um in die Rentenversicherung einzuzahlen. Viele dieser Beschäftigten machen davon keinen Gebrauch. Warum ist das so? Das ist so, weil es diesen Menschen nicht so wichtig ist, in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen. Sie betreiben lieber private Vorsorge, oder sie leisten sich etwas von dem Geld, das sie überhaben. Das Leistungsprinzip bzw. das Gefühl, dass man sich einmal etwas leisten kann,

scheint Ihnen mittlerweile total abzugehen. Das scheint Ihnen total abzugehen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Armin Schwarz (CDU))

Die 450-€-Jobs sind ein klassischer Zusatzverdienst und nichts anderes. Sie sind eine Ergänzung zur regulären Beschäftigung. Sie sind überhaupt nicht als etwas anderes gedacht.

Mit der Gleitzone hinsichtlich der Minijobs schaffen wir genau eine Anpassung bis zur Teilzeitbeschäftigung. Mit einem leichten Aufwuchs kommt es zu sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Es gibt dann einen leichten Anstieg der Beiträge zur Sozialversicherung.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Natürlich, bei den Minijobs haben Sie einen leichten Anstieg. Das ist übrigens etwas, weswegen wir die seinerzeitige rot-grüne Bundesregierung überhaupt nicht kritisieren. Das ist der Übergang in die reguläre Beschäftigung, auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Über die haushaltsnahen Dienstleistungen wurde schon gesprochen. Mit Ihren Vorstellungen hinsichtlich des 450€-Jobs würden Sie die haushaltsnahen Dienstleistungen wieder abschaffen. Denn das ist die Grundlage dafür. Was werden sie dann machen? – Es ist doch nicht so, dass all die Menschen dann keine Haushaltshilfe mehr benötigen. Vielmehr würden Sie die Menschen damit in die Schwarzarbeit treiben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)