Protocol of the Session on September 4, 2013

Meine Damen und Herren, wir wissen aber auch, dass es damit bei Weitem nicht getan ist. Mit der rechtlichen Gleichstellung endet nicht die Aufgabe, für die rechtliche Anerkennung in der Gesellschaft zu sorgen. Genau in diesen Tagen erreichen uns die Bilder aus Russland.

Eine offene und liberale Bürgergesellschaft akzeptiert nach unserem Verständnis unterschiedliche Lebensweisen und beseitigt Benachteiligungen aufgrund ethnischer Herkunft, Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung.

Für die FDP Hessen ist es aufgrund ihrer liberalen Grundhaltung selbstverständlich, auch ihre Außenbeziehung in dieser Haltung offen zu vertreten und offen darzulegen.

(Beifall bei der FDP)

Nikolai Alexejew ist einer der Aktivisten der schwulen Szene in Moskau. Er war viele Jahre aktiv. Wenn wir jetzt sehen, dass er durch die neue Gesetzgebung von seinem Tun abgehalten wird, und er von sich aus sagt, er nehme seine Aktivitäten nicht mehr wahr, dann heißt das, dass dieser Mensch von Ängsten geprägt ist, die durch die neue Gesetzgebung und die neue Stimmung in Russland aufgetreten sind.

Neonazis machen in Russland wieder Jagd auf Schwule und Lesben. So etwas kann eine liberale, offene Zivilgesellschaft niemals akzeptieren, nicht in Deutschland und nicht in irgendeinem anderen Land.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Putin muss verstehen, dass eine offene Zivilgesellschaft die Grundlage für wirtschaftliche Zusammenarbeit und für wirtschaftliches Handeln ist. Eine offene Zivilge

sellschaft schafft Vertrauen. Dieses Vertrauen hat Herr Putin mit seinen Entscheidungen schwer erschüttert.

Ich will zu dem Thema, das der Kollege Klose aufgegriffen hat, Folgendes sagen: Ich bin der Meinung, dass Sport als Instrument von Politik nur ein Vehikel sein kann. Wir können uns alle an die Olympischen Spiele erinnern, als Russland in Afghanistan einmarschiert ist. Da wurden die Olympischen Spiele in Moskau boykottiert. Das hat nicht dazu geführt, dass die russischen Truppen aus Afghanistan abgezogen wurden. Es hat dazu geführt, dass die Menschen, die für eine offene Gesellschaft auch bei diesen Olympischen Spielen hätten eintreten können, an dieser ein Stück weit kleinen Demonstration gehindert worden sind.

Ich glaube vielmehr, wir sollten die Olympischen Spiele und auch die Fußballweltmeisterschaft dafür nutzen, um auf Menschenrechte in Russland aufmerksam zu machen. Wir sollten die Möglichkeiten, die wir haben, also über das Außenministerium und das Entwicklungshilfeministerium, nutzen und die Bundesregierung in dieser Richtung stärken.

Die Stiftungen, ob das die Friedrich-Naumann-Stiftung oder die Magnus-Hirschfeld-Stiftung ist, dürfen in ihrer Arbeit in Russland nicht behindert werden.

Ich bin auch sehr froh und schließe mich dem Dank der Kollegen an, dass wir als hessisches Parlament in diesen Tagen ein solches Zeichen setzen können. Das macht mir Mut, auch für die Menschen, die in Russland schwer zu kämpfen haben. Wenn wir hier geschlossen stehen, ist das ein starkes Signal. Dafür bin ich Ihnen sehr, sehr dankbar.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Kollege Lenders. – Als nächster Redner spricht Herr Kollege Wilken für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir solidarisieren uns heute mit den Homosexuellen in Russland. Unsere Kritik richtet sich vor allem gegen das seit Ende Juni geltende Gesetz gegen Homosexuellenpropaganda als Propaganda von nicht traditionellen Beziehungen. Es verbietet die Verbreitung von Informationen darüber, dass Homosexualität normal und nicht krankhaft ist.

Auch offen gezeigte Zuneigung zwischen Schwulen oder Lesben in Anwesenheit von Minderjährigen steht unter Strafe. Es drohen Geldstrafen zwischen umgerechnet 120 € und mehreren Tausend Euro. Das sind drakonische Strafen, wenn im Schnitt weniger als 600 € pro Monat verdient werden.

(Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vor- sitz.)

Ausländer können für 15 Tage festgehalten und ausgewiesen werden. Das deutsche Auswärtige Amt hat deswegen sogar die Sicherheitshinweise für Reisen nach Russland verschärft. Das ist alles andere als ein Rechtsstaat, über den wir hier reden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für Homosexuelle in Russland ist es gefährlich, sich zu äußern – lebensgefährlich.

Wir wissen sehr wohl, dass in Russland die Intoleranz gegenüber Minderheiten stark verbreitet ist und weiter wächst. Doch Homosexuelle werden besonders stark diskriminiert. Immer wieder werden Schwule Opfer von Angriffen, insbesondere, aber bei Weitem nicht nur durch russische Neonazis. Diese veranstalten sogenannte Safaris – brutale Übergriffe, bei denen Schwule auch über Internetplattformen zu Treffen eingeladen und dann vor laufenden Kameras misshandelt werden. Die erschreckenden Videos verbreiten die Täter dann im Internet.

Meine Damen und Herren, meine Fraktion und ich hoffen sehr, dass unser heutiger einstimmiger Beschluss dabei hilft, allen Russinnen und Russen – auch Putin – beizubringen, dass alle Menschen Menschenrechte haben, egal, mit welcher sexuellen Orientierung.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber es gibt noch eine andere, leider viel peinlichere Facette an diesem Antrag, die wir in diesem Hause fast für selbstverständlich halten, draußen im Lande aber niemand versteht. Wieder einmal hat sich die Fraktion der CDU geweigert, mit uns LINKEN zusammen einen Antrag einzubringen, den inhaltlich alle Fraktionen unterstützen. Deswegen steht DIE LINKE nicht als Antragsteller darunter.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist auch Diskriminierung!)

Dann liest sich die Passage aus dem Antrag, dem wir gleich alle zustimmen werden, ganz anders:

Demokratie zeichnet sich durch die Achtung und den Respekt der Meinungen Andersdenkender genauso aus wie durch den Schutz gesellschaftlicher Minderheiten.

Das liest sich dann so, dass sich der eine oder die andere auch hier im Haus noch an die eigene Nase packen muss. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD))

Das Wort hat Herr Staatsminister Hahn. Bitte sehr.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sowohl als Justiz- als auch als Europaminister begrüße ich es ausdrücklich, dass Sie gemeinsam den Dringlichen Entschließungsantrag zum Thema Menschenrechte in Russland eingebracht haben, heute beraten und – so mein Empfinden – mit sehr großer Mehrheit verabschieden werden.

Unser Grundgesetz hebt in Art. 1 nicht nur die Unantastbarkeit der Würde des Menschen hervor, sondern betont in Abs. 2 das Bekenntnis zu den Menschenrechten, die nicht nur unveräußerlich und unverletzlich sind, sondern auch die Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt bilden.

Der wirkliche Test für die Glaubwürdigkeit des Menschenrechtsrates wird der Gebrauch sein, den die Mitgliedstaaten davon machen.

Diesen Satz hat der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan geprägt, als es um die Diskussionen im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ging. Er besitzt noch immer die gleiche Gültigkeit, heute wie damals.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Russland garantiert nämlich in seiner Verfassung alle Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten. Präsident und Regierung äußern sich immer wieder öffentlich bekennend dazu. Darüber hinaus gilt die Europäische Menschenrechtskonvention natürlich auch in Russland; denn Russland hat sie ratifiziert, sie ist verbindliches Völkerrecht. Praktisch bedeutet dies, dass die russische Regierung Sorge dafür tragen muss, dass jeder Mensch in Russland frei von Verfolgung und Diskriminierung leben kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP, bei Abgeordne- ten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN sowie des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LIN- KE))

Die Würde des Einzelnen muss jede Regierung, auch die russische, schützen. Dabei ist es auch Aufgabe der Regierung, konsequent gegen homophobe Stimmungen in der russischen Gesellschaft vorzugehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gleichwohl hat das russische Parlament, die Staatsduma, am 11. Juni 2013 das hier bereits mehrfach erwähnte Gesetz gegen Propaganda für „nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen“ beschlossen. Durch dieses Gesetz drohen russischen Staatsangehörigen bei Weitergabe von Informationen, öffentlichen Demonstrationen und Unterstützung von Homosexualität Geldstrafen in Höhe von bis zu 1 Million Rubel, Ausländern von bis zu 100.000 Rubel, bis zu 15 Tage Haft oder Ausweisung aus der Russischen Föderation.

Um es ganz deutlich zu sagen: Die Verabschiedung dieses Gesetzes zeigt erneut, dass die Achtung und die Wahrung der Menschenrechte in Russland derzeit nicht garantiert ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie aber auch noch einmal daran erinnern, dass der Oberbürgermeister von Jaroslawl, der Hauptstadt in der Region, mit der Hessen seit 1991 eine Partnerschaft pflegt, Jewgeni Urlaschow, seit Anfang Juli 2013 in Moskau inhaftiert ist. Gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Bestechlichkeit. Zu dem Zeitpunkt war er gewählter Oberbürgermeister. Er kann nicht als Führer der Oppositionsbewegung an der am 8. September 2013 stattfindenden Kommunalwahl teilnehmen. Die Möglichkeiten dazu sind ihm genommen worden. Wie wir in den letzten Tagen erfahren haben, ist nunmehr auch sein Stellvertreter verhaftet worden.

Das alles erinnert uns an das Verhalten der russischen Verantwortlichen im Zusammenhang mit dem Moskauer Bürgermeisterkandidaten Alexei Nawalny, der am 18. Juli 2013 von einem Gericht in Kirow zu fünf Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir, besonders aber der Hessische Minister der Justiz, wollen und können uns über diese konkreten Fälle nicht äußern. Aber die Häufung derartiger Fälle im Zusammenhang mit den anstehenden Kommunalwahlen stimmt uns jedenfalls sehr, sehr besorgt.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Russland und Deutschland sind seit Jahrhunderten Partner – trotz oder vielleicht auch wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen, die es in dieser Zeit auch gegeben hat. Um nur ein Beispiel zu nennen: Aktuell gibt es eine große Zusammenarbeit hinsichtlich des Flughafens in Sankt Petersburg, wo in diesen Stunden die G-20-Gipfelteilnehmer landen werden. Es ist ein Projekt, das ein Unternehmen, welches zu über 30 % dem Land Hessen gehört, nämlich die Fraport AG, gemeinsam mit den Kollegen in Sankt Petersburg auf die Beine zu stellen versucht. So nah arbeiten wir auf der einen Seite zusammen. Da darf sich der Hessische Landtag auch herausnehmen, heute eine solche Entschließung zu treffen und zu sagen: Das Wichtigste in einem Staat ist, dass die Menschenrechte geachtet und gepflegt werden. Derzeit haben wir bei dem einen Thema unstreitig, bei dem anderen mutmaßlich gute Gründe, zu sagen, dass Demokratie und Rechtsstaat Grundlagen auch in Russland sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen damit zur Abstimmung über diesen Dringlichen Entschließungsantrag. Wer diesem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Keine. Dann stelle ich einstimmige Annahme fest. Vielen Dank.