Protocol of the Session on May 23, 2013

Deshalb ist es auch wichtig, dass die Menschen am 22. September genau wissen, welche Alternativen sie haben und was diese bedeuten. Auf der einen Seite steht die konsequent auf Haushaltskonsolidierung und Wirtschaftswachstum ausgerichtete Politik von Angela Merkel.

(Lachen des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Diese Politik hat Deutschland in eine anhaltende Phase des Wohlstands geführt. Kein Land kam besser aus der Wirtschaftskrise heraus als die Bundesrepublik.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Auf der anderen Seite steht ein Kanzlerkandidat Steinbrück, der regelmäßig nach Paris fährt und sich vom französischen Staatspräsidenten Hollande in französischer Lähmungspolitik unterrichten lässt. Ich sage ganz klar: Diese Politik darf niemals in Deutschland angewandt werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Günter Rudolph (SPD): Stand das im Abgeordnetenbrief?)

Steinbrück und Trittin stehen mit ihrer Unterstützung der französischen Schuldenpolitik allerdings in bemerkenswerter Tradition von Gerhard Schröder und Joschka Fischer, deren Regierung innerhalb von sieben Jahren fünfmal die Stabilitätskriterien gerissen hat. Es war dieselbe Regierung, die Griechenland überstürzt in die Währungsunion aufgenommen hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, nein, Sie sind auch keine Alternative, weder für Europa noch für Deutschland und schon gar nicht für Hessen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Sie müssen zum Ende kommen.

Letzter Satz. Deshalb wollen und werden wir dafür sorgen, dass Hessen ein Land der Chancen bleibt, dass Gutes erhalten wird und dass wir da noch besser werden, wo wir noch mehr für unsere Bürger erreichen können; denn bei uns zählt der Bürger. Bei Ihnen zahlt der Bürger. – Besten Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Bellino. – Spricht jemand von der Landesregierung dazu? – Das ist nicht der Fall.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die haben schon einen Brief geschrieben!)

Damit enden wir in der Debatte. – Ich stelle fest, dass alle Aktuellen Stunden abgehalten wurden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 34 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Büchereien müssen erhalten bleiben – Landesprogramm zum Erhalt kommunaler Bibliotheken auflegen – Drucks. 18/7353 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Als Erste spricht Kollegin Wissler von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bibliotheken sind wichtige Kultur- und Bildungseinrichtungen. Sie dienen der Leseförderung, der Stärkung der Medienkompe

tenz, und sie ermöglichen einen kostenfreien Zugang zu Informationen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gerade für Menschen mit niedrigem Einkommen bedeutet der kostenlose Zugang zu Büchern auch gesellschaftliche Teilhabe. Bibliotheken sind Orte der Begegnung. Hier werden Lesefreude und Lesebegeisterung geweckt, gerade bei Kindern und Jugendlichen.

Bibliotheken zählen aber zu den sogenannten freiwilligen Leistungen der Kommunen. Existenz und Entwicklungsstand sind abhängig von der finanziellen Lage der Kommunen. Angesichts der Krise der öffentlichen Finanzen in den vergangenen Jahren sind leider viele Bibliotheken den Sparzwängen zum Opfer gefallen.

Der Deutsche Bibliotheksverband hat einen „Bericht zur Lage der Bibliotheken 2012“ veröffentlicht, der aufzeigt, wie ernst die Lage ist. Hessen schneidet bei der Finanzierung öffentlicher Bibliotheken besonders schlecht ab. Bei den Ausgaben für Bibliotheken pro Einwohner liegt Hessen auf dem drittletzten Platz aller Bundesländer. Auch bei den Entleihungen pro Einwohner liegt Hessen unter dem Durchschnitt.

Die Ausgaben des Landes für die über 400 Bibliotheken in Hessen betragen gerade einmal 1,25 Millionen €. Wohlgemerkt, das sind Mittel aus dem Kommunalen Finanzausgleich. Dieser Betrag wurde seit dem Jahr 2002 nicht erhöht. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der LINKEN hat die zuständige Wissenschaftsministerin eingeräumt, dass in Hessen seit 1999 mindestens 52 kommunale Bibliotheken geschlossen wurden. Hinzu kommen Zusammenlegungen von Bibliotheken sowie Schließungen von Zweigstellen und Ortsteilbibliotheken.

In ihrer Antwort schreibt die Ministerin, dass die „Schließung einer Bibliothek oder einer Zweigstelle nicht mit einer Verschlechterung des Angebots einhergehen“ müsse. Frau Ministerin, das ist eine bemerkenswerte Aussage, nach dem Motto: Ein nicht existierendes Angebot kann kein schlechtes Angebot sein. – Ich finde, auf diese Idee muss man im Ministerium auch erst einmal kommen, Frau Ministerin.

(Beifall bei der LINKEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Wenn man sonst keine Ideen hat!)

Die Lage der Bibliotheken war bisher schon schwierig, und mit dem sogenannten Kommunalen Schutzschirm drohen weitere Schließungen. Es drohen die Reduzierung von Öffnungszeiten und Kürzungen bei den Anschaffungsetats. Nach Angaben des Landesverbands Hessen des Deutschen Bibliotheksverbands ist rund ein Viertel aller öffentlichen Bibliotheken in Hessen von Kürzungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem sogenannten Kommunalen Schutzschirm betroffen. Eine Presseerklärung vom August 2012 trug den Titel: „Kommunaler Schutzschirm … Bibliotheksverband in Sorge um öffentliche Bibliotheken in Hessen“.

Herr Lenz, CDU-Landtagsabgeordneter und damaliger Vorsitzender des Hessischen Bibliotheksverbands, hat in dieser Presseerklärung erklärt: Der Schutzschirm werde „die ohnehin angespannte Situation der Büchereilandschaft zusätzlich verschärfen“, und es bestünde „die Gefahr, dass für ein niedriges Sparvolumen Leistungen großflächig zerschlagen werden“. – Als ich diese Presseerklärung des

Vorsitzenden des Bibliotheksverbands, also Herrn Lenz, gelesen habe, habe ich mich, ehrlich gesagt, gefragt, warum denn dann der Abg. Lenz dem Kommunalen Schutzschirm und damit der Gefährdung öffentlicher Bibliotheken im Landtag überhaupt zugestimmt hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie viel der Landesregierung die Bibliotheken wert sind, konnte man im Entwurf für den Leitfaden für Schutzschirm-Kommunen nachlesen. Darin wurde den Kommunen empfohlen, die Öffnungszeiten von Büchereien zu reduzieren oder sie saisonal ganz zu schließen. Die Beschaffungsetats könnten gekürzt werden, Personal abgebaut und Stadtteilbibliotheken geschlossen werden. Das waren alles Empfehlungen für Kommunen.

Dann schreibt die Ministerin in der Antwort auf meine Kleine Anfrage: Es sei einzig und allein die Entscheidung der jeweiligen Kommune, welche Einsparmaßnahmen sie unternehme und ob sie Bibliotheken schließe. Das sei „Ausdruck der kommunalen Selbstverwaltung“. Frau Ministerin, das ist wirklich ein schlechter Witz. Die Landesregierung kürzt 344 Millionen € bei den Kommunen, was verfassungswidrig war, was wir seit dieser Woche wissen, dann wird ein sogenannter Schutzschirm aufgelegt, mit dem die Kommunen einen Teil der gekürzten Mittel wiederbekommen, aber nur unter harten Sparauflagen, und dann sprechen Sie von kommunaler Selbstverwaltung und freier Entscheidung der Kommunen. Frau Ministerin, das ist wirklich ein Hohn.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Finanzminister freut sich angesichts des Kommunalen Schutzschirms öffentlich über „ungeahnte Einsparmöglichkeiten in den Kommunen“. Was sind denn diese „ungeahnten Einsparmöglichkeiten“? – Das bedeutet eben die Schließung von Bibliotheken, die Schließung von Jugendzentren und die Zerstörung der kommunalen Infrastruktur. Die Auflagen des Schutzschirms bedeuten weitere Schließungen von Bildungs- und Kultureinrichtungen. Deshalb haben wir den sogenannten Schutzschirm nicht nur im Landtag abgelehnt, sondern lehnen ihn auch vor Ort in der Umsetzung ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn was bedeutet der sogenannte Schutzschirm in der Praxis? – In Darmstadt wurden zwei Stadtteilbibliotheken geschlossen, so hat es die grün-schwarze Koalition in Darmstadt beschlossen. Damit fällt nicht nur die wohnortnahe Bücherausleihe weg, sondern auch die Vorlesetage, die Bastelstunden für die Kinder, ein Ort der Begegnung. In Zukunft müssen Anwohner quer durch die Stadt fahren, um zur nächsten Bibliothek zu kommen. Die Einsparungen für die Stadt betragen lächerliche 57.000 €. In Darmstadt soll jetzt ein Bücherbus eingesetzt werden. Bücherbusse können sinnvolle Ergänzungen zu Bibliotheken sein, aber sie sind eben kein Ersatz. Die wichtige soziale Funktion der Stadtbücherei kann ein Bücherbus nicht ersetzen.

Das hat sich auch in Frankfurt gezeigt. Dort wurde 2011 nach 98 Jahren die Stadtteilbibliothek im Riederwald geschlossen. Die Stadtteilbibliothek hat mit der örtlichen Grundschule und dem Kindergarten eng zusammengearbeitet. Es war der einzige kulturelle Treffpunkt im Stadtteil. 80.000 € sollten damit eingespart werden. Da kann ich nur sagen: minimale Einsparungen, maximaler Schaden.

Dann wurde ein Bücherbus eingesetzt, der einmal die Woche kommt, nämlich montags zwischen 13:00 Uhr und 14:30 Uhr. Zu dieser Zeit haben aber leider Berufstätige keine Zeit, Bücher auszuleihen, und auch die meisten Schüler haben keine Zeit, weil sie zu der Zeit noch in der Schule sind. Wenn dann der Bücherbus aufgrund dieser ungünstigen Zeiten überhaupt nicht nachgefragt wird, kommt als Nächstes das Argument: Der lohnt sich ja überhaupt nicht, den kann man auch noch einsparen.

Wie bei den Büchereien: Auch hier wurden die Öffnungszeiten immer weiter reduziert, teilweise auf nur noch zwei Ausleihnachmittage in der Woche. Wenn dann die Menschen die Bücherei logischerweise weniger nutzten, hieß es: Das rentiert sich nicht mehr, das kann man auch dichtmachen.

In Kassel – ebenfalls Schutzschirm-Kommune – ist die Schließung von drei Stadtteilbibliotheken geplant. In der Stadtverordnetenversammlung haben SPD, GRÜNE und FDP gegen die Stimmen der LINKEN und der CDU für die Schließung der Stadtteilbibliotheken gestimmt. Zur Begründung wurde dann angeführt, dass Stadtteilbibliotheken nicht mehr zeitgemäß seien und dass sie zu wenig genutzt würden.

Die Einsparung durch die Schließung der Büchereien beläuft sich nach Aussage der Stadt auf 360.000 € pro Jahr. Das ist eine Zahl im Promillebereich des Stadthaushalts.

In Kassel hat sich eine Initiative Stadtteilbibliotheken gegründet, die von einem breiten Bündnis getragen wird und die die Schließung mit einem Bürgerbegehren verhindern will. Es heißt „Rettet unsere Büchereien“. Damit ist sie relativ erfolgreich. Innerhalb von nur zehn Tagen kamen annähernd doppelt so viele Unterschriften zusammen, wie nötig gewesen wären. Damit ist zum ersten Mal in der Geschichte Kassels ein Bürgerbegehren erfolgreich. Wir wünschen der Bürgerinitiative viel Erfolg beim Bürgerentscheid am 30. Juni für den Erhalt der Büchereien und den ersten hoffentlich erfolgreichen Bürgerentscheid in Kassel.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir lehnen den sogenannten Kommunalen Schutzschirm ab. Er gefährdet kommunale Bibliotheken, Schwimmbäder und Jugendzentren. Die Kommunen brauchen höhere Einnahmen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Es kann doch nicht sein, dass wir in einer der reichsten Volkswirtschaften der Welt ernsthaft darüber diskutieren, ob wir uns Stadtteilbibliotheken noch leisten können, während sonst für jeden Unsinn Geld da ist.

Was wir brauchen, ist ein Landesprogramm zum Erhalt von Bibliotheken. Die Landesregierung muss die Mittel erhöhen. 1,25 Millionen € für über 400 Bibliotheken sind geradezu lächerlich, zumal es in den letzten zehn Jahren nicht mal einen Inflationsausgleich gegeben hat – Herr Lenz nickt –, und das, obwohl die Bibliotheken beispielsweise durch die Digitalisierung und die Veränderung der Medienlandschaft vor neuen Aufgaben standen.

Die Landesregierung muss sich mit den Kommunen und den Bibliotheken an einen Tisch setzen. Sie müssen den Finanzbedarf ermitteln, damit die Bibliothekslandschaft in Hessen nicht weiter ausdünnt.

Meine Damen und Herren, im Jahr 2010 hat der Hessische Landtag ein Bibliotheksgesetz beschlossen. Schon damals hat DIE LINKE darauf hingewiesen, dass ein solches Gesetz sowohl Mindeststandards als auch verbindliche Rege

lungen zur Finanzierung beinhalten muss, weil es sonst wirkungslos ist. Bibliotheken sind zum Leidwesen vieler Kommunalpolitiker keine Pflichtaufgaben. Eine Kommune ist in der finanziellen Not eben gezwungen, die Gemeindestraße weiter zu teeren, aber die Stadtteilbibliothek im Zweifelsfall zu schließen. Zu einer funktionsfähigen Infrastruktur gehören aber nicht nur Verkehrswege, sondern auch Kultur- und Bildungseinrichtungen. Deshalb heißt es im Schlussbericht der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages: „Öffentliche Bibliotheken sollen keine freiwillige Aufgabe sein, sondern eine Pflichtaufgabe werden.“

Das heißt dann eben auch, dass das Land sie ausreichend finanzieren muss. Das fordern auch der Deutsche Bibliotheksverband und die Gewerkschaft ver.di. Wir brauchen Mindeststandards und kein Bibliotheksgesetz, das faktisch gar nichts regelt.