Protocol of the Session on May 23, 2013

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Ulrich Wil- ken (DIE LINKE): Haben Sie mir eigentlich zugehört?)

Vielen Dank, Kollege Bauer. – Das Wort hat Herr Abg. Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Jetzt kommt ein entschlossenes Sowohl-als-auch!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erstaunlich, dass man jetzt im Landtag vor jeder Demonstration eine Grußadresse schicken muss,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Nicht bei jeder!)

aber das will ich nur am Rande sagen. Natürlich ist es selbstverständlich, gut und richtig – das zeichnet unser Gemeinwesen, unsere Demokratie aus –, dass sich Menschen friedlich unter freiem Himmel versammeln und ihre Meinung sagen dürfen. Das zeichnet uns aus; das ist grundgesetzlich geschützt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Es gilt der Grundsatz: Das muss alles friedlich passieren, und alles muss so passieren, dass man die Rechte Dritter nicht verletzt.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): So ist es!)

Dann soll bei uns jeder demonstrieren und seine Meinung frei äußern können. Das ist das Wesen unseres Grundgesetzes, und es ist das, was wir zu schützen und zu verteidigen haben. Von daher kann man es auch begrüßen, dass sich Menschen in Frankfurt zusammenfinden und dort im weitesten Sinne, was die Finanzkrise angeht, gegen die Politik der Europäischen Union demonstrieren. Das kann man natürlich begrüßen, aber alles unter friedlichen Aspekten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man sich das genauer anschaut, dann wird man dies alles in den Art. 5 und 8 unseres Grundgesetzes finden, aber – Herr Kollege Bauer hat es gesagt – friedlich und ohne Waffen.

Ich finde, es ist auch gut so, dass die Menschen dies tun. Es ist das, was auch wir von den Menschen haben wollen. Wir wollen, dass sich Menschen einmischen. Wir wollen, dass Menschen ihre Meinung sagen. Wir wollen eine partizipative Demokratie haben. Wenn sich so viele Menschen in Frankfurt versammeln, dann ist dies gut so, aber es muss, wie gesagt, unter friedlichen Aspekten geschehen.

Das muss einem nicht gefallen – das hat Herr Kollege Bauer eben für die CDU angedeutet –; man muss dazu, was dort passiert, nicht Hurra schreien. Man muss es aber akzeptieren. Das finde ich so auch richtig. Herr Kollege Dr. Wilken, ich glaube aber, dass man, wenn man solche Diskussionen führt, darauf achten muss, welchen Duktus man verwendet.

Ich finde, Sie sollten sich einmal die Überschrift Ihres Antrags anschauen. Wenn Sie von „Bankendiktatur“ und „Euro-Regime“ reden, dann finde ich, dass das ein Duktus ist, über den Sie noch einmal nachdenken sollten. Wenn Sie sich einmal Flugblätter der anderen Seite, nämlich der rechten Seite, der NPD, anschauen, werden Sie feststellen, dass die die gleichen Begriffe verwenden. Ich finde, das sollten Sie nicht tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich finde, dass Sie auch das, was Sie von „verordneter Kürzungspolitik“ und anderem im ersten Teil Ihres Antrags schreiben, noch einmal genauer durchlesen sollten. Es muss einem nicht gefallen, man muss nicht dahinterstehen, man kann dagegen auch demonstrieren, aber im

Großen und Ganzen haben darüber demokratisch gewählte Parlamente diskutiert und entschieden. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Es muss einem nicht gefallen. Da Sie aber in einem solchen Antrag eine solche Sprache, einen solchen Duktus verwenden, sollten Sie das noch einmal genauer nachlesen, Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN.

Wogegen man überhaupt nichts sagen kann, sind die letzten beiden Sätze, die Sie in Ihrem Antrag verwenden: dass der Landtag begrüße, dass damit der Ausdruck politischer Meinungsvielfalt zum Tragen komme. Das kann man begrüßen; auch kann man begrüßen, dass einmal darüber nachgedacht werden müsse, ob nicht im Kontext der Europäischen Union, im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik, vielleicht nachgearbeitet werden muss. Das sind durchaus Dinge, die richtig sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Ihrem Antrag steht aber so vieles drin, dem man nicht zustimmen kann. Deswegen sage ich Ihnen ganz deutlich, dass wir uns bei Ihrem Antrag enthalten werden.

Ich habe gesagt, dass wir die Demonstrationen, die im Lande Hessen stattfinden, demnächst nicht bei jedem Plenum zu begrüßen brauchen. Das muss alles unter friedlichen Aspekten geschehen, und das muss – das sollten auch die Kolleginnen und Kollegen der LINKEN zur Kenntnis nehmen – so geschehen, dass die Rechte Dritter nicht verletzt werden. Daher sind die Ankündigungen, auf die es auch hinausläuft, z. B. die Europäische Zentralbank zum Erliegen zu bringen, problematisch. Darüber muss man sich einfach im Klaren sein.

Es gibt Verträge der Bundesrepublik Deutschland mit Partnern in der Europäischen Union, was den besonderen Schutz der Europäischen Zentralbank angeht. Daher muss man vorsichtig sein und darf nicht so leichtfertig zu solchen Dingen aufrufen. Ich finde, das sollten Sie sich noch einmal genauer überlegen. Da werden unter Umständen die Rechte Dritter verletzt, und das ist auch mit den Art. 5 und 8 des Grundgesetzes nicht vereinbar.

Von daher ist es gut, dass die Menschen ihr Recht wahrnehmen, dass sie gegen soziale Verwerfungen demonstrieren, sich engagieren. Man muss es aber nicht mit Hurrarufen tun, und vor allen Dingen muss man es so tun, dass man sagt: Wir begrüßen, dass es friedlich und mit vernünftigen Zielsetzungen passiert. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das hätte jetzt auch von CDU und FDP kommen können! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Das hat der Kollege Frömmrich nicht verdient!)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Mick, FDPFraktion.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute im Hessischen Landtag nicht zum ersten Mal über dieses Thema.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Es fällt während der ganzen Debatte auf, dass wir, wenn wir über diese sogenannte Blockupy-Bewegung sprechen, über zwei Aspekte sprechen: Wir sprechen zum einen über die Inhalte und zum anderen über die Form, in der diese Inhalte vermittelt werden. In der Diskussion werden die Inhalte immer sehr stark zurückgedrängt, weil sehr viel Zeit auf die Form verwendet wird. Dass das so ist, haben sich zum Großteil leider auch die Veranstalter selbst zuzuschreiben, da sie sich in der Vergangenheit nicht immer klar von gewalttätigen Aktionen distanziert haben. Das muss man einfach so klar sagen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der LINKEN)

Auch jetzt wird wieder für den 31. Mai im Internet unter anderem zu Aktionen zivilen Ungehorsams aufgerufen. Wenn man sich anschaut, was in den vergangenen Jahren unter dieser Überschrift bei diesen Demonstrationen gelaufen ist, dann muss man sagen, dass das zumindest missverständlich ist, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Deswegen haben die Stadt Frankfurt und auch die Landesregierung bei früheren Veranstaltungen harte, aber leider notwendige Maßnahmen ergreifen müssen, um auch die Zivilbevölkerung vor Ausschreitungen zu schützen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das wurde aber teuer für die Polizei!)

Ich möchte noch einmal betonen – das habe ich bei den vergangenen Diskussionen auch immer wieder getan –, dass ich eine offene Stadtgesellschaft will, in der alle politischen Gruppierungen im Rahmen des Grundgesetzes natürlich ihre Meinung kundtun und demonstrieren können. Das ist überhaupt keine Frage. Das haben auch alle Vorredner hier betont. Ich denke, da sind wir uns vollkommen einig.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Dass zu einer solchen offenen Stadtgesellschaft natürlich auch Demonstrationen von linksgerichteten Gruppierungen wie Blockupy gehören, ist auch für uns selbstverständlich. Aber ich fordere hier noch einmal diejenigen auf, die diese Proteste und diese Demonstration organisieren, einen ganz klaren Trennungsstrich zu gewaltsamen Aktionen zu ziehen. Ich verstehe immer noch nicht, was daran so schwer ist.

(Beifall bei der FDP – Dr. Ulrich Wilken (DIE LIN- KE): Weil sie es getan haben und Sie es nicht lesen!)

Nach diesem kurzen Eingehen auf die Form möchte ich jetzt noch einmal auf die Inhalte zu sprechen kommen. Denn ich finde, dass das auch einmal thematisiert werden muss. Aus meiner Sicht liefert die Blockupy-Bewegung bislang keinerlei vernünftige Ansätze, wie wir die Wirtschaftskrise tatsächlich nachhaltig überwinden können. Die Kernforderungen der Bewegung erschöpfen sich neben der üblichen Antikapitalismusrhetorik und den Forderungen nach einem wie auch immer gearteten Systemwechsel in den üblichen Schuldzuweisungen und Forderungen aus dem linkspopulistischen Instrumentenkasten. Die Schuld an der Finanzkrise wird der Deregulierung der Wirtschaft zugeschrieben, ohne dabei zu erwähnen, dass die Immobilienblase in den USA gerade nicht durch das Heraushalten des Staates aus der Wirtschaft, sondern durch ein aktives Eingreifen der US-Regierungen seit den Siebzigerjahren entstanden ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es wird gefordert, dass das Schuldendiktat der Euroschuldnerländer aufgehoben werden soll. Von der Knechtschaft der Schulden sollen diese befreit werden, ohne zu erwähnen, dass die Verpflichtungen freiwillig eingegangen wurden.

Bonuszahlungen an Bänker sollen eingeschränkt bzw. verboten werden. Das wird teilweise auch schon von der EUKommission umgesetzt. Auch das ist falsch. Es erhöht die Fixkosten von Banken und verringert ihre Flexibilität, bei Abschwüngen Kosten zu reduzieren.

Dazu kommt noch der alte Dauerbrenner: Die Finanztransaktionssteuer soll eingeführt werden. Auch das ist falsch.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Aber die Bundesrepublik hat ja schon zugestimmt!)

Selbst wenn man davon absieht, dass die Bestrafungswirkung, die ihre Befürworter ihr zumessen, nicht eintreten wird, spricht ein viel wichtigerer Punkt dagegen: Selbst die EU-Kommission, die diese auch befürwortet, geht davon aus, dass die Einführung einer solchen Steuer in der EU ca. 1 % Wirtschaftswachstum kosten würde. In einer Zeit, in der wir in einer Wirtschaftskrise sind und jedes kleine Prozentpünktchen an Wirtschaftswachstum benötigen, ist die Einführung einer solchen Maßnahme geradezu töricht.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich könnte die Liste jetzt beliebig fortsetzen. All das geht aus unserer Sicht in die falsche Richtung. Was wir brauchen, ist etwas anderes. Wir brauchen höhere Eigenkapitalanforderungen für Banken. Wir brauchen ein Insolvenzrecht für Banken, damit große Institute endlich geordnet abgewickelt werden können und nicht mehr too big to fail sind, dass sie Staaten und Steuerzahler durch eine Insolvenz in Haftung nehmen können.

Und wir brauchen generell eine Politik, die konsequent auf die Schaffung von Wirtschaftskraft, Arbeitsplätzen und Haushaltskonsolidierung ausgerichtet ist. Für all das liefert die Blockupy-Bewegung keinerlei vernünftige Ansätze.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Deswegen sage ich abschließend zu den Inhalten und zur Form: Inhaltlich begrüßen wir und begrüße ich die Blockupy-Bewegung nicht, aber ich würde mir wünschen – jetzt zur Form –, dass die Demonstranten ihre Meinung natürlich kundtun können und dass das alles in friedlichem Rahmen geschieht. Davon können wir alle nur profitieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Abg. Grumbach für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Manchmal besteht das Gute in einer Veränderung. Eine der Veränderungen, die ich positiv registrieren kann, ist die verbale Abrüstung.