Zur Frage der Ausnahmen. Kollege Bocklet hat am Dienstag gesagt – ich zitiere aus dem vorläufigen Bericht –:
… wir glauben, dass jeder Träger in einer Kindereinrichtung ein Mittagessen vorhalten muss. Es kann keine kulturellen Gründe geben. Welche kulturellen Gründe sollen es sein? Die Kultur der Weight Watchers? Die Kultur: „Wir leben von Luft und Liebe“? Oder die Kultur: „Wir finden schon genug Mamas, die das Essen morgens vorbereiten“?
Mir gibt das wirklich zu denken. Der japanische Kindergarten in Frankfurt, mit dem Sie sich beschäftigt haben, hat an einem Tag in der Woche von 8:30 bis 12:30 Uhr geöffnet, dienstags bis freitags bis 15 Uhr. Das Mittagessen
wird, wie in Japan üblich, von den Müttern morgens zubereitet und in einer Lunchbox mitgegeben. Am Montag wird keine Lunchbox mitgegeben, da der Kindergarten früher schließt. An diesem Tag wird von einer deutschen Erzieherin ein Imbiss zubereitet, der die Kinder mit deutschem Essen vertraut machen soll. Wollen Sie dies de facto verbieten oder mit dem Entzug der Landesförderung bestrafen? Ist das die kulturelle Offenheit, die Sie so gern und zu Recht reklamieren? Ich glaube eher, dass Ihnen in Sachen KiföG langsam die Munition ausgeht.
Und schließlich gewinnt die Demokratie in einem ganz praktischen Sinne: Wir bringen heute ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren zu Ende – in einem Wahljahr. Wir brauchen keine Landtagswahl als „Anhörung“ zum KiföG, und wir brauchen keinen Betreuungsgipfel, der alle Fragen der Kinderbetreuung allumfassend, abschließend und zur Zufriedenheit aller lösen solle. Nein, wir machen ein gutes Stück Gesetzgebung, wir bringen es in aller Ruhe zum Abschluss, und wir sehen seiner Wirkung und dem Urteil der Wähler gelassen entgegen.
Dies ist ein gutes Gesetz, mit dem alle Beteiligten, insbesondere Kinder und Eltern, gewinnen. Es ist für Hessen als Familienland ein großer Fortschritt. Wir haben die Parlamentswoche mit einer guten Debatte über die Familienpolitik begonnen und waren uns in manchen Zielen einig. Heute können wir ein gutes Gesetz dazu beschließen. Deshalb bitte ich Sie alle um Ihre Zustimmung und danke Ihnen sehr für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Gesetz mit der Bezeichnung Kinderförderungsgesetz klingt zunächst einmal gut, wenn es diese Bezeichnung zu Recht trägt. Daran gibt es aber bei diesem Gesetzentwurf doch einige Zweifel. Ich haben nur zweieinhalb Minuten Redezeit, deshalb greife ich nur einen Punkt heraus.
Die Umstellung der Förderung – von der Gruppenförderung auf eine Kopfpauschale – führt dazu, dass Träger von Kindertagesstätten aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sein können, die Gruppengröße bis an die Grenze des rechtlich Möglichen anzupassen. Diese Grenze wird von den Fachleuten als deutlich zu hoch eingeschätzt.
Diese Regelung scheint mir von dem an sich richtigen Gedanken der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geprägt zu
sein. Ich bin durchaus ein Fan von wirtschaftlichen Lösungen, aber das Sparen an der falschen Stelle ist eben nicht wirtschaftlich. Das Denken in Haushaltsstellen, Ressorts und einzelnen Haushaltsjahren verstellt gelegentlich den notwendigen Blick auf das Ganze. Jeder Betrag, den wir bei der Kinderförderung sinnvoll ausgeben, bringt eine gute, vielleicht sogar die bestmögliche Rendite. Was in diesem Lebensabschnitt der Kinder versäumt wird, kann später, wenn aus den Kita-Kindern Schulkinder, Jugendliche oder junge Erwachsene geworden sind, nur mit hohem Aufwand wieder „repariert“ werden – wenn überhaupt. Für die dann fälligen „Reparaturmaßnahmen“ müssen wir sehr viel mehr Geld ausgeben, als wir bei den Kindertagesstätten einsparen konnten. Wenn wir uns mit einem falschen Sparansatz eine Verschlechterung der Betreuungsqualität „einkaufen“, haben wir also nichts gespart, sondern nur einen sehr teuren Kredit aufgenommen. Wir müssen ihn später mit Zins und Zinseszins zurückzahlen, und die Zinsen sind bei diesem „Geschäft“ leider nicht so günstig, wie sie derzeit am Kapitalmarkt üblich sind.
Was mit diesem Gesetz gefördert wird, ist mir nicht klar geworden. Die Kinder sind es jedenfalls nicht. Deswegen trägt das Gesetz seinen Namen nicht zu Recht, und deshalb lehne ich es ab.
Ich halte es im Übrigen für falsch, die Kinderbetreuung in der finanziellen Verantwortung der Kommunen zu belassen und diese lediglich mit Zuschüssen zu unterstützen. Wenn wir uns einig sind, dass Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen sind – wie Grundschulen, nur für eine andere Altersgruppe, und deshalb mit anderen Inhalten und anders organisiert –, dann sollten wir sie konsequenterweise dem Kultusministerium zuordnen, und das Land sollte die finanzielle Verantwortung dafür übernehmen. Die Erfahrungen der Kommunen könnte man trotzdem weiterhin nutzen, indem man sie dann mit der Geschäftsbesorgung beauftragt.
Ich habe die Liste nicht verändert. Ich könnte sie verändern, das tue ich aber nicht. – Herr Bocklet, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, Herr Kollege Merz, so weit liegen wir in unseren Auffassungen nicht auseinander, als dass Sie sich nicht noch wenige Minuten gedulden könnten.
von Erzieherinnen und Erziehern, von Eltern, von Familien, die gegen diesen Gesetzentwurf protestiert haben – das
ist der seit Jahrzehnten massivste Protest gegen eine Gesetzesvorlage. Wir haben bis zum Schluss gehofft, dass bei der Landesregierung oder bei den sie tragenden Fraktionen Einsicht einkehrt. Die Uneinsichtigkeit hat sich aber durchgesetzt. Wir GRÜNE betonen: Das Kinderförderungsgesetz in der vorliegenden Fassung war falsch, ist falsch und bleibt falsch.
Bis heute trudeln Protestschreiben ein. Ich habe gerade wieder ein Bündel Schreiben aus meinem Fach genommen. Städte, Kommunen und sonstige Träger protestieren. Es nimmt kein Ende.
Die haben wir uns gegenseitig geschickt? – Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP und der CDU, das ist eine Form von Realitätsverlust. Besser kann man das eigentlich nicht beschreiben.
Wenn Sie wirklich glauben, dass wir uns das selbst schreiben, haben Sie die Zeichen der Zeit wirklich nicht verstanden. Die geistige Armut, die Sie hier an den Tag legen, ist kaum mehr zu unterbieten.
Wir können gerne noch einmal über die Frage diskutieren: Welche Herausforderungen müsste ein zukunftsgewandtes Kinderförderungsgesetz erfüllen? Nehmen wir in der Kürze der Zeit nur das Beispiel Grundschulkinderbetreuung – wir könnten über viele Punkte reden, wir haben auch schon über viele gesprochen –, weil wir der Auffassung sind, dass das das größte Kinderbetreuungsproblem im Lande Hessen darstellt. Nur 400 der 1.200 Grundschulen – das ist schon großzügig gerechnet – haben eine Landesförderung bekommen. Zehntausende von Eltern haben noch immer keinen Grundschulbetreuungsplatz gefunden. Sind Sie dieses Thema im KiföG angegangen? – Nein. Das zeigt, dass Sie eine der größten Herausforderungen nicht verstanden haben.
Frau Wiesmann, wenn Sie darauf hinweisen, dass das eine kultusministerielle Angelegenheit sei, dann will ich Ihnen sagen: Die Ausbaugeschwindigkeit liegt bei 60 Grundschulen pro Jahr. Bei diesem Ausbautempo brauchen wir noch weitere zwölf Jahre, bis wir eine flächendeckende Grundschulkinderbetreuung haben. Das wollen wir nicht – aber vielleicht Sie.
Ich will gar nicht auf die Details eingehen, z. B. Betreuung von Dienstag bis Donnerstag nur bis 14:30 Uhr. Das ist ja schon Kleingedrucktes und würde die Regierungsfraktionen wahrscheinlich überfordern. Sie brauchen doch nur darüber nachzudenken, wie der Minister auf die Anmerkung geantwortet hat, dass es einen errechneten Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren gibt, nämlich 58.000 Plätze. Dazu hat der Sozialminister am Dienstag in der Fragestunde gesagt: Was interessieren mich denn die Wünsche der Eltern? Wir werden doch erst am 1. August wissen, wie hoch die Nachfrage ist. – Das ist
Sie nehmen die Sorgen der Eltern, wenn es um eine qualitativ gute Kinderbetreuung geht, nicht ernst. Schauen Sie sich doch den Fachkräftebedarf und den Fachkräftemangel an. Seit fünf Jahren wissen Sie, dass wir auf einen Fachkräftemangel zusteuern. Im Jahr 2007 und zuletzt im Jahr 2009 haben die GRÜNEN ein Sofortprogramm gefordert, um den Erzieherinnen- und Erziehermangel zu bekämpfen. Hätten Sie damals auf uns gehört, hätten wir heute genug ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher. Das haben Sie verschlafen.
Zum Thema Qualität. Zur Finanzierung mussten Sie doch gezwungen werden. Sie haben sich nämlich geweigert, bei der Mindestverordnung eine auskömmliche Finanzierung der Kommunen sicherzustellen. Die Kommunen haben mehrere Jahre verloren, ein eigenes Potenzial aufzubauen, eigenständig noch mehr Kinderbetreuung anzubieten. Erst durch ein Urteil wurden Sie gezwungen, bei der Mindestverordnung eine auskömmliche Finanzierung vorzunehmen.
Nach diesen verlorenen Jahren, nach der Tatsache, dass Sie gezwungen werden mussten, kommt jetzt hinzu, dass Qualitätsabsenkungen doch möglich sind. Vor allem dann, wenn der Kämmerer in der Tür steht und auf das KiföG deutet, bedeutet das die Gefahr und das Risiko, dass es in diesem Land zu Qualitätsabsenkungen in der Kinderbetreuung kommt. Wir GRÜNE wollen keine Qualitätsabsenkungen in Kinderbetreuungseinrichtungen. Das KiföG ist Murks, und es bleibt auch Murks.
Diese Landesregierung und die Fraktionen der CDU und der FDP haben sage und schreibe fünf Jahre gebraucht, um diesen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Herausforderungen einer aktuellen, zukunftsgewandten Kinderbetreuung auch nicht annähernd gerecht wird. Das ist zutiefst blamabel. Der Wechsel ist nötiger denn je.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir nähern uns langsam, aber sicher nicht nur der Gespensterstunde, sondern auch dem vorläufigen Abschluss eines Gesetzgebungsverfahrens, das zu einer einzigartigen Welle des Protests im gesamten Land geführt hat: einer Welle des Protests von Eltern, von Beschäftigten, von Trägern, von