Jochen Paulus
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Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Versuch, Kindern den Weg zum Abitur von bisher 13 auf zwölf Schuljahre zu verkürzen, war gut gemeint. In der Praxis haben sich jedoch Nebenwirkungen gezeigt, die offensichtlich nicht gewollt waren.
Vielleicht ist es versäumt worden, parallel zur Verkürzung der Schulzeit die Stoffpläne zu entrümpeln. Die Konzentration der Verkürzung auf die Mittelstufe hat die Probleme jedoch verschärft. Für die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler bedeutet die Verkürzung der Mittelstufe in erster Linie eine Menge Stress und erhebliche Einbußen an Lebensqualität.
Die Einführung der Möglichkeit, zwischen G 8 und G 9 zu wählen, war ein Schritt in die richtige Richtung. Aber er war unvollständig. Die aktuellen Jahrgänge der Klassen 5 und 6 haben diese Wahlmöglichkeit in vielen Fällen nicht. Begründet wird dies im Wesentlichen mit dem Bestandsschutz für diejenigen, die sich auch beim Vorhandensein einer Wahlmöglichkeit für G 8 entschieden hätten.
Viele Elterninitiativen haben schlüssig dargelegt, wie man das Problem lösen kann: durch Parallelangebote in Kleingruppen, wenn es keine vollständigen G-8-Klassen geben kann. Das bedeutet Mehraufwand, klar, aber der ist dem Land zumutbar, gewissermaßen als eine Art Schadenersatzleistung für die nicht vollständig durchdachte durchgängige Einführung von G 8, die seinerzeit für alle verbindlich war.
Ich möchte eine Wahlmöglichkeit für alle Betroffenen, auch für die jetzt ausgeschlossenen Jahrgänge. Für die Zukunft sollte es aus meiner Sicht und aus Sicht der Alternative für Deutschland eine Wahlmöglichkeit an jedem Ort geben. Dort, wo die Schülerzahlen ein paralleles Angebot von G 8 und G 9 nicht ermöglichen, sollte in jedem Fall G 9 angeboten werden.
Es hat sich gezeigt, dass G 8 für eine Minderheit der Schüler der geeignete Weg zum Abitur ist. Für die anderen war der Preis für den Vorteil, ein Jahr früher zum Abitur zu kommen, zu hoch. Für diejenigen, die auf dem Weg dorthin eine Klasse wiederholen müssen, weil G 8 für sie nicht geeignet ist, entfällt sogar dieser Vorteil. Wir sollten daher vermeiden, dass Schüler von der Erfahrung „Schule gleich Stress“ geprägt werden. Die Schüler müssen zwar angemessen gefordert werden – das ist richtig –, aber Überforderung über einen langen Zeitraum ist ein Irrweg.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Gesetz mit der Bezeichnung Kinderförderungsgesetz klingt zunächst einmal gut, wenn es diese Bezeichnung zu Recht trägt. Daran gibt es aber bei diesem Gesetzentwurf doch einige Zweifel. Ich haben nur zweieinhalb Minuten Redezeit, deshalb greife ich nur einen Punkt heraus.
Die Umstellung der Förderung – von der Gruppenförderung auf eine Kopfpauschale – führt dazu, dass Träger von Kindertagesstätten aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sein können, die Gruppengröße bis an die Grenze des rechtlich Möglichen anzupassen. Diese Grenze wird von den Fachleuten als deutlich zu hoch eingeschätzt.
Diese Regelung scheint mir von dem an sich richtigen Gedanken der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geprägt zu
sein. Ich bin durchaus ein Fan von wirtschaftlichen Lösungen, aber das Sparen an der falschen Stelle ist eben nicht wirtschaftlich. Das Denken in Haushaltsstellen, Ressorts und einzelnen Haushaltsjahren verstellt gelegentlich den notwendigen Blick auf das Ganze. Jeder Betrag, den wir bei der Kinderförderung sinnvoll ausgeben, bringt eine gute, vielleicht sogar die bestmögliche Rendite. Was in diesem Lebensabschnitt der Kinder versäumt wird, kann später, wenn aus den Kita-Kindern Schulkinder, Jugendliche oder junge Erwachsene geworden sind, nur mit hohem Aufwand wieder „repariert“ werden – wenn überhaupt. Für die dann fälligen „Reparaturmaßnahmen“ müssen wir sehr viel mehr Geld ausgeben, als wir bei den Kindertagesstätten einsparen konnten. Wenn wir uns mit einem falschen Sparansatz eine Verschlechterung der Betreuungsqualität „einkaufen“, haben wir also nichts gespart, sondern nur einen sehr teuren Kredit aufgenommen. Wir müssen ihn später mit Zins und Zinseszins zurückzahlen, und die Zinsen sind bei diesem „Geschäft“ leider nicht so günstig, wie sie derzeit am Kapitalmarkt üblich sind.
Was mit diesem Gesetz gefördert wird, ist mir nicht klar geworden. Die Kinder sind es jedenfalls nicht. Deswegen trägt das Gesetz seinen Namen nicht zu Recht, und deshalb lehne ich es ab.
Ich halte es im Übrigen für falsch, die Kinderbetreuung in der finanziellen Verantwortung der Kommunen zu belassen und diese lediglich mit Zuschüssen zu unterstützen. Wenn wir uns einig sind, dass Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen sind – wie Grundschulen, nur für eine andere Altersgruppe, und deshalb mit anderen Inhalten und anders organisiert –, dann sollten wir sie konsequenterweise dem Kultusministerium zuordnen, und das Land sollte die finanzielle Verantwortung dafür übernehmen. Die Erfahrungen der Kommunen könnte man trotzdem weiterhin nutzen, indem man sie dann mit der Geschäftsbesorgung beauftragt.