Protocol of the Session on May 23, 2013

(Beifall bei der LINKEN)

Uns allen ist die Welt aufgegeben. Deshalb wollen wir, dass schon in der Schule diese gemeinsame Verpflichtung für unsere Welt und unsere Gemeinschaft in Hessen und in Deutschland ernst genommen wird, statt die Kinder fein säuberlich sortiert erst einmal in Ihrer tragenden Sicht zu unterrichten und sie, wenn sie in ihrer Religion gefestigt sind – wie Sie immer sagen –, tatsächlich miteinander darüber ins Gespräch kommen zu lassen.

Ich habe das in meiner letzten Rede zu dem Thema ausführlich dargestellt und werde jetzt darauf hier nicht mehr weiter eingehen. Aber mit Ihrem letzten Teil der Überschrift sind Sie endlich wieder in Ihren geliebte Wahlkampfmodus gefallen: „statt rot-grün“. Sie meinen damit vermutlich die Politik in anderen rot-grün geführten Bundesländern. Aber Sie wollen natürlich auch auf die Opposition in Hessen einschlagen. Und das finde ich schäbig, meine Damen und Herren.

(Clemens Reif (CDU): Na, na, na!)

Gerade weil wir uns alle der Bedeutung bewusst waren, den dieser Schritt für die Muslime in Hessen hat, ist dieses Thema von Oppositionsseite nie für billigen Populismus oder Profilierung der eigenen parteipolitischen Position benutzt worden. Sie wissen, dass wir LINKE uns auch ein ganzes Stück bewegt haben. Wenn, dann wurde z. B. vonseiten der GRÜNEN lediglich überlegt, ob es sinnvolle Zwischenschritte geben könnte, die für mehr Kinder ein Angebot bedeuten würden.

Für mich bedeutet das, dass Sie auch diesen bisherigen Konsens, ein gemeinsames Signal über alle Fraktionsgrenzen hinweg an die Menschen muslimischer Glaubenszugehörigkeit zu senden, damit aufkündigen. Das ist eigentlich schade. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. – Das Wort hat der Kollege Schork, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Weil es in der politischen Debatte immer wieder hoch

kommt und angesprochen wird, will ich zu Beginn meiner Rede eines klarstellen: Die Einführung des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts war ein gemeinsames Projekt der CDU und der FDP.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ohne die Zustimmung und die Mitwirkung des Hessischen Ministerpräsidenten und ohne die Zustimmung und Mitarbeit der CDU-Landtagsfraktion wäre dieses Projekt nicht zustande gekommen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das steht im Koalitionsvertrag. Ich verrate auch kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass dieser Koalitionsvertrag auf einem Parteitag der CDU nahezu einstimmig gebilligt wurde. So viel will ich zu dem Thema sagen, die CDU hätte etwas gegen die Einführung des bekenntnisorientierten Islamunterrichts.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und bei der FDP)

Wir haben allerdings gemeinsam mit der FDP Wert darauf gelegt, dass die Voraussetzung des Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz eingehalten werden.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Er besagt: Es muss einen einheitlichen Ansprechpartner geben. Außerdem muss der Unterricht als Regelunterricht in staatlicher Verantwortung erfolgen. – So haben wir es eingeführt. Das heißt, es muss dafür ein Kerncurriculum geben, er muss in deutscher Sprache und durch staatliche Lehrkräfte erfolgen.

Genau das haben wir erreicht, und genau das setzen wir um. Ich bin Herrn Kollegen Merz ausdrücklich dafür dankbar, dass er das anerkannt und begrüßt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Wir können jetzt darüber diskutieren, warum das so lange gedauert hat. Frau Kollegin Öztürk, wenn man so ein Projekt durchführen will, weiß man, dass immer zwei dazugehören. Sie wissen, dass in der Vergangenheit, also in den letzten 10 bis 15 Jahren, die Frage der Ansprechpartner, die Frage des Kerncurriculums und die Frage, wie das bei den islamischen Religionsgemeinschaften organisiert wird, zumindest sehr stark in der Diskussion waren. Es musste erst einmal die Voraussetzung dafür geschaffen werden, nämlich der einheitliche Ansprechpartner, um dann tatsächlich den bekenntnisorientierten Islamunterricht, so wie er in der Verfassung vorgesehen ist, einzuführen.

Das hat seine Zeit gebraucht. Aber wir haben es so, wie es in unserem Koalitionsvertrag steht, in dieser Legislaturperiode umgesetzt. Das haben Sie nicht geglaubt.

Das ist der eigentliche Grund, warum Sie jetzt anfangen, in den Krümeln zu suchen. Denn Sie haben es uns schlicht und einfach nicht zugetraut. Wir haben Ihnen das Gegenteil bewiesen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und bei der FDP)

Das wurde mehrfach berichtet. Auch Sie wissen, dass zurzeit an der Universität in Gießen Lehrerinnen und Lehrer für das Lehramt für das Fach Islam ausgebildet werden. Wenn Sie die Zahl richtig in Erinnerung haben, wissen Sie, dass es um die 50 sind, die dort in der Ausbildung sind. Zum Wintersemester 2014 werden die ersten ausgebildeten

Lehramtsstudenten aus diesen Studiengängen in den Vorbereitungsdienst des Landes Hessen gehen. Dort werden sie ihre Vorbereitung machen, sodass absehbar ist, wann ausgebildete Lehrkräfte für das Fach Islam den Schulen zur Verfügung stehen werden.

Auch Sie wissen, dass wir eine Zwischenlösung gefunden haben. Das geschah im Übrigen in Übereinstimmung mit den beiden Religionsgemeinschaften. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Wir können jetzt also mit dem Projekt starten.

Eines ist doch völlig klar, auch das will ich hier sehr deutlich sagen: Das ist der erste Schritt. Etwas anderes haben wir nie gesagt. Natürlich muss, aufbauend auf den Erfahrungen, die wir ab dem kommenden Schuljahr sammeln werden, die Frage geprüft werden, ob es weitere Schritte geben muss.

Ich glaube, es ist vernünftig, dass man sagt: Jawohl, wir schauen uns einmal an, ob die Dinge, die wir uns gemeinsam für den bekenntnisorientierten Islamunterricht wünschen, auch tatsächlich so in Erfüllung gehen. Dann wird geprüft, ob es weitere Schritte geben muss. Ich gehe davon aus, dass weitere Schritte folgen werden. Das sage ich hier klar und eindeutig.

Zum Schluss sage ich noch einmal: Das ist ein gemeinsames Projekt der Koalition aus CDU und FDP. Wir sind froh und glücklich, dass wir dieses Ergebnis in dieser Legislaturperiode erreicht haben und dass wir mit dem kommenden Schuljahr mit dem bekenntnisorientierten Islamunterricht starten können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort erhält nun die Kultusministerin, Frau Staatsministerin Beer.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die erstmalige Einführung eines verfassungsgemäßen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts in Deutschland ist meines Erachtens ein sehr wichtiger Schritt. Frau Öztürk, das ist auch ein sehr großer Schritt. Das ist vor allem ein unglaublich gutes Signal für die Muslime in unserem Land, also nicht nur in Hessen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Es mag sein, dass es in anderen Bundesländern schon früher Versuche gegeben hat, über Hilfskonstruktionen zu irgendeinem Ziel zu kommen. Aber, mit Verlaub: Keines dieser Bundesländer befindet sich jetzt im Regelzustand, so wie es Hessen mit seinem bekenntnisorientierten Islamunterricht ab dem nächsten Schuljahr sein wird. Das zeigt, dass dieses Projekt der Landesregierung und dieses gemeinsame Projekt der CDU und der FDP trägt. Das entscheidende Signal an alle Muslime in unserem Land ist, dass sie genauso anerkannt sind und dass sie ihre Kinder hier genauso erziehen können sollen, und zwar in religiösen Fragen, wie es die Mitglieder aller religiösen Gemeinschaften in diesem Land können.

Dass wir diesen Weg innerhalb einer Legislaturperiode gehen konnten, lag auch an der ausgesprochen intensiven und

engen Zusammenarbeit mit denjenigen, die ein Interesse daran hatten, dieses Projekt zum Erfolg zu führen. Deswegen möchte ich die Gelegenheit heute nutzen, mich zu bedanken. Zum einen möchte ich mich bei den Mitgliedern der islamischen Religionsgemeinschaften bedanken, die sich mit uns gemeinsam auf den Weg gemacht haben. Es waren eine ganze Menge Gruppierungen, die im Rahmen unseres runden Tisches gemeinsam gestartet sind, um über die Frage zu diskutieren, wie dieser Weg aussehen kann und wie das zum Erfolg geführt werden kann.

Herr Merz hat schon darauf hingewiesen, dass auch die Mitglieder der islamischen Religionsgemeinschaften einen großen Weg zurückgelegt haben. Das haben sie. Das haben sie aber auch in der Diskussion untereinander getan. Dieses Projekt hat Früchte getragen, von denen wir alle in den nächsten Jahren noch positive Auswirkungen sehen werden.

Es war insbesondere für die beiden Antragsteller ein weiter Weg, sich nach internen Diskussionen auf dieses Projekt einzulassen. Aber es war auch ein weiter Weg, ihre Gemeinschaft so zu gestalten, dass sie den Anforderungen und Voraussetzungen des Grundgesetzes entsprechen konnten. Frau Cárdenas, da geht es nicht um die Hessische Verfassung, sondern da geht es schlichtweg um das Grundgesetz unseres Landes.

Sie haben sich umgestaltet. Sie haben ihre Satzung geändert. Sie haben uns unabhängige Ansprechpartner für Fragen des Religionsunterrichts geliefert. Da gab es teilweise heftige Diskussionen auch innerhalb der bis dahin geltenden Strukturen dieser beiden Kooperationspartner. Aber sie sind diesen Weg gegangen, weil es ihnen wichtig ist, dass sie, wie alle anderen Religionsgemeinschaften in diesem Land auch – es sind bereits elf –, ihre Kinder in unseren Schulen in religiösen Fragen entsprechend ausbilden lassen können. Deshalb konnten sie diesen Weg gemeinsam mit uns gehen.

Ich bedanke mich an dieser Stelle auch bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht nur aus dem Kultusministerium, sondern auch aus dem Integrationsministerium und darüber hinaus sehr herzlich, die diesen Weg so zügig gestaltet haben. Alle 14 Tage eine Sitzung mit beiden Kooperationspartnern war das Faktum, das es erst ermöglicht hat, so zügig in die Umsetzung zu kommen. Wir können vor allem auch ein Angebot machen, dass der abgefragten Nachfrage zurzeit entspricht.

Sicherlich ist es so, dass wir mit 28 Klassen an 27 Standorten anfangen werden. Aber wir haben auch nicht mehr Anmeldungen für die Mindestgrößen dieser Klassen aus dem Kreis der beiden Kooperationspartner.

Ich bin der festen Überzeugung, dass sich dies erweitern wird – auch wenn ich nicht glaube, dass wir an allen knapp 1.200 Grundschulen solche Klassen werden bilden können. Wir werden das auch nicht müssen. Selbst unsere Kooperationspartner gehen davon aus, dass sie in den nächsten Jahren ein ungefähres Angebot von 50 Klassen erreichen werden.

Das zeigt, dass allen Unkenrufen zum Trotz das, was jetzt nach Anmeldelage da ist, auch abgedeckt werden kann, und zwar auf einem qualitätsvollen Niveau: nicht mit irgendwelchen muttersprachlichen Hilfskräften, sondern mit Lehrkräften, die die Voraussetzungen für den hessischen Staatsdienst haben, d. h. erstes und zweites Staatsexamen, die eine pädagogische, aber auch fachwissenschaftliche

Ausbildung haben. Sie werden mit diesen Kindern arbeiten und dabei auch die fachwissenschaftlichen Grundlagen ihrer eigenen Religion vermitteln.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich freue mich insbesondere darüber, dass wir sehr viel Unterstützung aus der Gesellschaft für diese Einführung des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts bekommen haben, und zwar nicht nur aus den Kreisen der muslimischen Eltern und den muslimischen Gemeinden, sondern auch darüber hinaus. Denn das zeigt, dass in Hessen diese Willkommenskultur gelebt wird, dass es normal ist, dass sämtliche Religionsgemeinschaften hier ihren Unterricht abhalten können, sofern sie sich an die gemeinsamen Spielregeln halten. Das ist beim bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht jetzt der Fall.

Ich freue mich auch, dass die Diskussion um die Einführung des bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts noch einmal ein ganz anderes Schlaglicht auf die Bildung in unseren Schulen geworfen hat. Meines Erachtens kommt das in der häufig sehr aufgeregten ideologischen Debatte etwas zu kurz: Die Ausbildung in unseren Schulen geht weit über den Aspekt der Wissensvermittlung hinaus. Wir versuchen, die jungen Menschen für das Leben fit zu machen. Dazu gehören auch soziale Kompetenzen. Solche sozialen Kompetenzen kann man nicht entwickeln, ohne Wertefragen zu diskutieren und Haltungen zu diesem Gemeinwesen zu entwickeln, in dem wir alle miteinander zusammenleben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Dass es jetzt auch weiteren breiten Schichten unserer Bevölkerung möglich ist, genau diese Fragen von Werten und einer Richtschnur für das Leben zu behandeln, die Auseinandersetzung mit den eigenen religiösen Inhalten zu führen – und damit ihren Kindern auch eine Basis zu geben, jenseits der Interpretation von Ideologen, die wir aus dem Internet oder aus anderen Auftritten kennen –, ist meines Erachtens nicht nur ein Aspekt der Normalität des Zusammenlebens der Religionen, sondern auch ganz wichtig für die kulturelle und auch für die Wertegrundlage unserer Gesellschaft.

Ich finde es schön, dass damit auch genau diese Haltungsfragen, diese Wertefragen für einen größeren Teil der Schülerinnen und Schüler in unseren Schulen wieder zum Tragen kommen. Wir versuchen, dies allen Kindern zu vermitteln. Der Ethikunterricht ist auch für die, die dies nicht im Zusammenhang mit einem religiösen Bekenntnis haben wollen, wichtig. Wir haben damit jetzt ein weiteres Angebot. Wir können auf die Bedürfnisse von mehr Menschen reagieren. Damit werden wir unsere Kinder allesamt fit machen für ein Leben in der Zeit nach der Schule. Genau das muss das Ziel eines qualitätsvollen Unterrichts sein, nicht nur in Hessen. – Herzlichen Dank.