Protocol of the Session on May 22, 2013

Sie haben nicht den Mumm, hessische Interessen zu vertreten. Herr Al-Wazir, ganz nebenbei: Ihr stärkstes Argument war, dass 70 % der Bevölkerung Ihre Pläne für richtig halten würden. Nehmen Sie den „DeutschlandTrend“ der letzten Woche: 53 % der Leute erklären mittlerweile, die rotgrünen Pläne seien schädlich. 70 % erklären, sie seien davon aber nicht betroffen. Seien Sie versichert: Wir werden

jeden Tag sehr munter dafür sorgen, dass am Tag der Wahl, am 22. September, 70 % der Leute wissen, dass sie betroffen sind und dass das der falsche Weg ist.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Bouffier. – Wir treten in die neue Runde ein. Als nächster Redner hat sich Kollege Schmitt von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Ihnen stehen sieben Minuten Redezeit zu. Bitte schön.

(Günter Rudolph (SPD): Die Schuldenkönige haben eben gesprochen!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Hinweise auf den LFA finde ich interessant; denn der heutige Ministerpräsident hat damals im Kabinett dem von dem seinerzeitigen Ministerpräsidenten Koch ausgehandelten Länderfinanzausgleich zugestimmt, den er heute als „bescheuert“ bezeichnet.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir nehmen diese politische Selbstanzeige zur Kenntnis.

(Heiterkeit bei der SPD – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Herr Kretschmann hat das gesagt!)

Meine Damen und Herren, ich glaube, den Menschen in Hessen wird das auffallen. Denen wird auffallen, dass der Hessische Ministerpräsident gegen die Finanztransaktionssteuer, gegen die Vermögensteuer und gegen die Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 46 auf 49 % ist, dass er den Ankauf von Steuer-CDs als rechtswidrig bezeichnet hat und dass er dem Abkommen mit der Schweiz, das weiterhin eine Anonymisierung der Steuerdaten ermöglicht hätte, zustimmen wollte. Das finde ich interessant. Ich glaube, das macht in der Auseinandersetzung deutlich, wo der Ministerpräsident steht und welchen Schutzschild er aufbauen will.

Gerade die Auseinandersetzung um die Anonymisierung der Steuerdaten – dass es dabei bleibt – ist eine Schlüsselauseinandersetzung. Es geht darum, ob man die Steuergerechtigkeit, nämlich dass die Menschen, die Steuern zu zahlen haben, durchsetzen kann. Herr Ministerpräsident, wäre es nach Ihrem Willen gegangen, wäre dieses Abkommen durchgegangen.

Alles, was sich auf der europäischen Ebene momentan an Auseinandersetzungen entwickelt, nämlich dass Österreich einknickt, dass Luxemburg schon eingeknickt ist, dass die Schweiz deutliche Signale dahin gehend sendet, man müsse danach sicherlich einmal darüber reden, und dass die USA ein Abkommen durchsetzen konnten, bei dem die Steuerdaten bekannt gegeben werden müssen,

(Clemens Reif (CDU): Sagen Sie doch einmal etwas zu Ihren Steuerplänen!)

macht deutlich: Wenn es nach Ihrem Willen gegangen wäre, könnten Steuerflüchtlinge weiterhin in der Steueroase, anonym bleiben und sich vor der Strafverfolgung schützen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch das ist eine Auseinandersetzung. Da muss man, wie gesagt, wissen, wo der Ministerpräsident steht. Gleichzeitig – das kann ich nur wiederholen – befindet er sich an der Spitze einer Regierung, die die Erhöhung der Grunderwerbsteuer durchgesetzt hat. Sie hat die Schutzschirmgemeinden dazu gezwungen, die Grundsteuer und die Gewerbesteuer zu erhöhen. Das gehört zur Gesamtbetrachtung dazu.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie haben behauptet, ich hätte etwas Falsches gesagt, als ich hier erklärt habe – ich habe über die Vermögensteuer gesprochen –, dass wir damit nur 0,2 % der Bevölkerung belasten. Es gibt – die Kenner wissen das – eine Untersuchung des DIW, des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, durchgeführt von Herrn Bach. Sie ist im „DIW Wochenbericht“ 42/2012 auf den Seiten 12 ff. veröffentlicht worden. Es wurde das Vermögensteuermodell der vier SPD-regierten Länder untersucht. Ich zitiere aus dem, was auf Seite 15 steht:

Bei einem Steuersatz von 1 % könnte damit ein jährliches Steueraufkommen von 8,9 Milliarden € erzielt werden. Steuerpflichtig wären 143.000 Personen, das entspricht den reichsten 0,2 % der erwachsenen Bevölkerung.

Meine Damen und Herren, um diese 0,2 % geht es. Ich stelle fest – ich gebe Ihnen das gern –, ich zumindest habe in dieser Debatte die Wahrheit gesagt und kann das auch belegen.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann das, was ich sage, wenigstens belegen. Herr Ministerpräsident, vielleicht unterscheidet uns das an der einen oder anderen Stelle.

Sie haben ausgeführt, die Bürgerversicherung wird für viele Menschen eine Belastung sein. Sie wissen ganz genau, dass in unserem Modell der Bürgerversicherung nicht nur – so, wie es heute bei der Krankenversicherung der Fall ist – die Arbeitseinkommen berücksichtigt werden. Ich sage Ihnen – es gibt Modellrechnungen –: Ein nicht unwesentlicher Teil der Menschen in Hessen und in ganz Deutschland wird durch dieses Modell bei den Krankenversicherungsbeiträgen entlastet; denn es kommen weitere Beiträge hinzu.

Auch mancher privat Versicherte, der mittlerweile alt ist, wird durch die Bürgerversicherung eine notwendige Entlastung erfahren; denn das Modell der Privatversicherung rentiert sich für die privat Versicherten gerade im Alter nicht mehr, und sie sind dann dankbar, wenn eine Bürgerversicherung eingeführt wird. Da Sie gerade über den Mittelstand gesprochen haben: Auch viele kleinere Unternehmer und viele Handwerker, die in eine Privatversicherung gelockt worden sind, werden am Ende von einem solchen Modell profitieren.

So viel zu der Frage: Was ist mit dem Mittelstand, und was ist mit dem Handwerk? – Wenn der Handwerkspräsident, der CDU-Mitglied ist, etwas anderes behauptet, kann ich es leider nicht verhindern. Dann muss er sich einmal erkundigen und sich mit den Tatsachen auseinandersetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der dritte Punkt, den ich ansprechen will, ist unsere Steuerkonzeption. Jeder muss selbst entscheiden: Ist unsere Konzeption, den Spitzensteuersatz zu erhöhen, richtig oder falsch? – Wir wollen den Steuersatz von 46 % um 3 Prozentpunkte auf 49 % erhöhen – jetzt kommt es –, und zwar bei Einkommen von über 100.000 € für Ledige und bei Einkommen von über 200.000 € für Verheiratete. Dann greift dieser um 3 Prozentpunkte erhöhte Satz von 49 %.

Meine Damen und Herren, Sie tragen immer eine Belastung der Einkommensbezieher vor. Dazu müssen Sie wissen: Davon betroffen, selbst wenn man ein Stückchen weiter heruntergeht, werden am Ende nicht einmal 3 % der Einkommensbezieher sein. Klar ist, es geht um die 3 % der Bezieher von über 100.000 bzw. 200.000 €. Die Belastung wird von 77 Cent bis auf andere Höhen beispielsweise bei Herrn Albrecht von Aldi ansteigen. Aber das ist die Auseinandersetzung, die man führen muss. Ich habe Ihnen vorgehalten, dass allein die 100 Reichsten in Deutschland in einem Jahr so reich geworden sind, wie zwei Drittel unserer Ausgaben in Hessen betragen. Dazu haben Sie nichts gesagt. Das ist die Grundauseinandersetzung: Wollen wir diejenigen, die sogar in der Krise reicher geworden sind, heranziehen? Ist es nicht nur legitim, sondern auch gerechtfertigt und gerecht, die Menschen, die erfolgreich sind und die sogar in der Krise reicher geworden sind, mit einer Vermögensteuer heranzuziehen? Oder wollen wir sagen: „Wir gehen da nicht dran“?

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wenn wir da nicht drangehen, wie sieht dann Ihr Modell zur Finanzierung des Staates aus?

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Bitte.

Das haben wir bei den Schutzschirmgemeinden gesehen. Unser Konzept sieht anders aus. Meine Damen und Herren, ich bin mir sehr sicher, dass unser Modell eines Steuerkonzepts eher in der Bevölkerung Zustimmung erreicht als Ihre falschen Behauptungen an dieser Stelle. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmitt. – Als nächster Redner hat sich Kollege Al-Wazir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Auch hier beträgt die Redezeit sieben Minuten. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens stelle ich fest: Das war die erste Oppositionsrede des Abg. Volker Bouffier.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Wolf- gang Greilich (FDP))

Wer 16 Minuten lang von diesem Pult aus redet, ohne eine einzige eigene Vorstellung zum Besten zu geben,

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es! – Clemens Reif (CDU): Sie haben nicht zugehört!)

der hat offensichtlich keine eigenen Gestaltungsvorstellungen mehr für die Zukunft. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer die nicht mehr hat, der wird abgewählt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP) und Peter Beuth (CDU) – Glockenzeichen der Präsidentin)

Zweitens. Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, Sie hätten heute im „Wiesbadener Kurier“ eine Grafik gesehen, nach der Hessen das stärkste Bundesland vor Bayern und Baden-Württemberg sei.

(Ministerpräsident Volker Bouffier: So ist es!)

Dazu muss ich Ihnen sagen: Das verwundert mich sehr. Wenn Bayern oder Baden-Württemberg – das ist der Stand von letztem Monat – Arbeitslosenquoten von etwas über 3 % und wir eine Arbeitslosenquote von knapp 6 % haben, meinen Sie, da stehen wir besser da als Bayern oder Baden-Württemberg? Herr Ministerpräsident, finden Sie es in Ordnung, wenn die Neuverschuldung pro Kopf im letzten Jahr in Hessen 252 € war und in Baden-Württemberg null, weil die ihren Haushalt ausgeglichen haben, und in Bayern sogar minus 79 €, weil die Schulden zurückgezahlt haben? Herr Ministerpräsident, finden Sie, da stehen wir besser da?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich finde das, ehrlich gesagt, abenteuerlich. Herr stellvertretender Bundesvorsitzender, der Bund macht unter der Mitverantwortung der CDU in diesem Jahr geplante 17 Milliarden € Nettoneuverschuldung – angesichts einer Wirtschaftslage, die so gut ist wie selten zuvor, wenn man sich die Zuwächse der letzten Jahre anschaut. Sie haben unter Ihrer Verantwortung einen Haushalt vorgelegt und die Mehrheit hat ihn beschlossen, der 1,3 Milliarden € Nettoneuverschuldung für das Jahr 2013 vorsieht. Herr Ministerpräsident, wo sind Ihre Antworten auf diese Fragen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Da kann man sich doch nicht hierhin stellen und das Spiel machen: Regierung fragt Opposition.

Aber Sie haben mir Fragen gestellt. Ich will antworten. Erstens. Die Frage zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Ja, wir sind dafür, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz nur noch für das gilt, wofür er ursprünglich vorgesehen war, nämlich für Nahrungsmittel und Kulturgüter, wie z. B. Tageszeitungen und Bücher, und nicht mehr für die Mövenpick-Freunde von der FDP oder für bayerische Skilifte, weil Herr Seehofer wieder irgendetwas durchgesetzt hat. – Ausdrücklich ja, wir sind dafür.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie haben gesagt, wir sind dafür, die Betreuungspauschale abzuschaffen. Herr Ministerpräsident, ein bisschen Ehrlichkeit in der Debatte muss man schon walten lassen. Wir haben bisher die Situation, dass wir ein Kindergeld von 184 € und einen Kinderfreibetrag haben, der dazu führt,

dass Leute, die mehr verdienen, deutlich mehr entlastet werden als um 184 €. Wir haben einen Vorschlag, übrigens zur Steuervereinfachung, gemacht, in dem wir gesagt haben: Wir wollen das alles zusammenführen, diese ganzen kleinen Pauschalen, Stichwort: Steuerklasse II und Sonstiges, und einen Betrag einführen, Stichwort: Kindergrundsicherung, der in der Größenordnung von 300 € liegt.