Danke schön, Herr Kollege Beuth. – Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Herr Wilken das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich vor Jahrzehnten nach Frankfurt am Main gezogen bin, habe ich das deswegen getan, um an dem Ort Sozialwissenschaften zu studieren, der die Wiege der kritischen Theorie war.
Diese Tradition ist bis heute in der Stadt lebendig, aus meiner Sicht nicht genügend lebendig, aber sie ist auch lebendig in solchen Orten und Aktionen wie denen dieses Instituts, das Anfang dieser Woche geräumt worden ist.
Ich möchte Sie daran erinnern – Herr Beuth, das wissen Sie vielleicht nicht so genau, weil es in ländlicheren Regionen vielleicht doch etwas anders zugeht –, dass es eine gute Tradition von Oberbürgermeistern ist, sich um alle Menschen in der Stadt zu kümmern. Ich möchte an den OB Richard von Weizsäcker erinnern, der in Berlin Verhandlungen mit Hausbesetzern geführt hat. Ich bin sehr froh, dass wir in Frankfurt einen solchen OB haben. Sehr geehrter Herr Beuth, ich bin mir gar nicht einmal so sicher, ob nicht die Vorgängerin von Herrn Feldmann, nämlich die OB Roth, sehr ähnlich gehandelt hätte, wie jetzt Herr Feldmann gehandelt hat.
Ich glaube, ich kenne Frau Roth gut genug, und sie kennt mich gut genug, um zu wissen, dass das alles andere als eine Beleidigung ist.
In einer Stadt, in der 2 Millionen m² Bürofläche leer stehen, in einer Stadt, in der hemmungslos mit Immobilien spekuliert wird, in der es aber keinen Wohnraum für Studierende, für Rentnerinnen und Rentner und Geringverdienende gibt, ist es ein Unding, wenn man einem Institut, ei
nem kreativen und über ein Jahrzehnt lang geduldeten studentischen Projekt, jetzt einfach so den Boden entzieht.
Was sich am Montagmorgen im Kettenhofweg abgespielt hat, mag juristisch in Ordnung sein, politisch ist es eine Schweinerei.
Die Weltwirtschaft, der Euro und die europäischen Demokratien stecken tief in der Krise, in Frankfurt grassiert die Wohnungsnot, am 1. Mai wollen Neonazis durch die Stadt ziehen – und im ach, so liberalen Frankfurt hat man nichts Besseres zu tun, als das IvI zu räumen.
Meine Damen und Herren, wir haben in unserem Antrag, aus dem schon viel zitiert worden ist – ich bedanke mich dafür –, im letzten Absatz den Antrag aufgenommen, den Sozialdemokraten, Piraten und wir im Frankfurter Römer gestellt haben, um dem IvI eine neue Bleibe und damit den Fortbestand zu sichern.
Die Stadtregierung Frankfurt hat diesen Antrag auf „prüfen und berichten“ gesetzt. Das heißt, wir haben eine Chance in Frankfurt am Main, dass wir dort den Fortbestand des IvI sichern können.
Ich bitte Sie, die Fraktionen der Regierungsparteien hier im Hause, diesen Lösungsweg nicht zu gefährden. Ziehen Sie Ihren unsäglichen Antrag zurück.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Beuth, Sie haben sich so schön aufgeplustert. In Rechtsstaatsfragen sind Sie, wie wir wissen, der ganz große Spezialist. Ich darf Sie nämlich an den Fall Bergstedt erinnern, in dem Sie es zu verantworten hatten, dass Herr Bergstedt vier Tage rechtswidrig in Haft saß. Das ist eines von vielen Beispielen. Ich würde an Ihrer Stelle in Rechtsstaatsfragen etwas schmallippiger auftreten. Das gilt für Sie und Ihre CDUFraktion.
Außerdem würde ich Ihnen empfehlen: Genaues Lesen bildet. Wenn Sie hier schon aus dem Antrag der LINKEN zitieren, dann bitte auch die entscheidende Passage, Punkt 1, wo steht, „dass eine Hausbesetzung in Zeiten … eine notwendige Reaktion darstellt“. Also, wenn Sie schon zitie
Aber beim Lesen brauchen Sie wahrscheinlich auch eine Nachhilfestunde. Sie haben ja skandalisiert: Zehn Jahre gab es eine Besetzung. Da frage ich mich: Was hat denn in diesen zehn Jahren Ihre frühere CDU-Oberbürgermeisterin in dieser Frage unternommen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nur sagen: Die Räumung des IvI gehört wahrlich nicht zu den Glanzstunden der Frankfurter Stadtpolitik. Ich erkläre Ihnen auch, warum: Die Durchsetzung von Eigentumsrechten ist das eine. Die politische Auseinandersetzung mit dem IvI ist das andere. Genau das soll im Mittelpunkt meiner Rede stehen. Das ist auch das Entscheidende, nämlich die politische Auseinandersetzung mit dem IvI.
Es ist zutreffend, dass das Institut für vergleichende Irrelevanz ein Haus der Stadt im Kettenhofweg besetzt hat.
Einen Moment. Wir wollen doch wieder der Rednerin folgen. Das gilt sowohl für die Regierungsbank als auch für die Kolleginnen und Kollegen. – Frau Hofmann, bitte schön.
Die Universität hatte lange geduldet und akzeptiert, dass das IvI dort seinen Platz hat. Schließlich wurde das Gebäude von der Franconofurt AG erworben und die Räumung dieses Hauses gerichtlich durchgesetzt. Das ist richtig. Aber Fakt ist, dass das IvI seit vielen Jahren einen kritischen gesellschaftspolitischen Diskurs in vielerlei Hinsicht betreibt und ein Platz für die kritische Wissenschaft ist.
In den letzten Jahren haben dort renommierte Wissenschaftler Vorlesungen gehalten. Es wurden verschiedene Jugendprojekte durchgeführt. Und der Leiter des Instituts für Sozialforschung, Prof. Honneth, hat eingefordert und darum gebeten, dass diesem Projekt eine Chance gegeben wird.
Es kommt auch nicht von ungefähr, dass der Politikwissenschaftler Hirsch dem Rechtsstaat hier beitreten wollte. Das kommt nicht von ungefähr.
Ich frage Sie: Ist es nicht die Stadt Frankfurt am Main, die ganz in der Tradition der Sozialwissenschaft Adornos, Horkheimers und Habermas‘ steht? Ist das nicht die Stadt Frankfurt?