Protocol of the Session on March 21, 2013

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einführung des Betreuungsgeldes war falsch, ist falsch und bleibt falsch. Ich freue mich auf eine neue Bundesregierung, die das als Erstes wieder abschafft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Frau Kollegin Wiesmann, es ist schon bemerkenswert, wenn man die Historie der Entstehung dieses Betreuungsgeldes betrachtet, wie es völlig offensichtlich war, als es um die Schaffung von Krippenplätzen ging, dass die CSU verzweifelt versucht hat, ihre Klientel im ländlichen Raum in Bayern mit diesem Betreuungsgeld zu bedienen, und wie Sie jetzt sozusagen nachwirkend versuchen, eine familienpolitische Sinnstiftung dieser absoluten Mittelverschwendung darzustellen. Das ist schon absurd.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Lassen Sie mich nur in einem Punkt darauf eingehen. Wenn über zwei Drittel aller Eltern nach wie vor ihre Kinder zu Hause betreuen – in Klammern: betreuen müssen, obwohl sie vielleicht arbeiten gehen wollen und müssen –,

(Widerspruch bei der FDP)

dann gibt es doch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der FDP und auch lieber Herr Minister, der Sie dazwischenrufen, und auch Sie, Herr Pentz, Untersuchungen darüber, wie hoch die Bedarfe von Eltern sind, die Wahlfreiheit suchen, die sich Wahlfreiheit wünschen und sie nicht finden. Es ist doch geradezu absurd, mit diesem Betreuungsgeld darauf antworten zu wollen.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Zurufe von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, zeigen Sie mir eine Familie in diesem Land, die wegen 150 € im Monat sagt: Jetzt kann ich es mir erlauben, zu Hause zu bleiben. – Das ist doch geradezu absurd bei dieser geringen Summe. Wenn es Ihnen darum gegangen wäre, Wahlfreiheit herzustellen für Familien, die ihr Kind zu Hause betreuen wollen, dann wäre es folgerichtig gewesen, zu sagen: Wir verlängern die Zahlung des Elterngeldes, das eine kluge Einrichtung ist. – Aber diese 150 € sind weder eine Antwort auf das eine noch auf das andere. Es ist weder Fisch noch Fleisch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Frau Wiesmann, als wir das hier vor einem Jahr diskutiert haben, haben Sie gesagt: Im Übrigen plädiere ich gegen diese Ausgleichssubstitution. – Deshalb sollte das Betreuungsgeld auch nicht an die Nichtinanspruchnahme von außerfamiliärer Betreuung gebunden sein. Ich freue mich deshalb, dass Sie jetzt eigentlich gegen dieses Betreuungsgeld stimmen müssten. Denn es ist geregelt, dass diese Leistungen nur an Familien für ein Kind ausgezahlt werden, das keine Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch § 22 in Anspruch nimmt. Das ist mit anderen Worten eine Fernhalteprämie, gegen die Sie gesprochen haben. Sie ist aber Gesetzesbestandteil. Deswegen stimmen Sie bitte dagegen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Nein, es ist eine Mittelverschwendung. Warum? – Wenn wir darüber nachdenken, dass nach wie vor noch 8.000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren fehlen und dass immer noch Zehntausende von Plätzen bei der Betreuung von Grundschulkindern fehlen, wenn wir darüber reden, dass dieses KiföG nicht entsprechend den Qualitätsanforderungen ausgestaltet werden kann, weil Gelder fehlen – auch in Hessen, weil wir ja eines der höchstverschuldeten Ländern bei der Neuverschuldung sind –,

(Zurufe von der CDU)

wenn alldem so ist, dann müssen Sie doch verstehen, dass wir damit finanzielle Ressourcen entziehen, um Wahlfreiheit und qualitativ hochwertige Betreuung herzustellen. Deshalb ist und bleibt dieses Betreuungsgeld falsch, und wir werden das in einer neuen Bundesregierung auch wieder abschaffen. – Ich danke Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Das Wort hat der Abg. Mick für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die SPD hat eine Aktuelle Stunde zum Thema Betreuungsgeld beantragt. Herr Merz hat zurückgenommener als sonst, aber auch dieses Mal wieder in den düstersten Farben den Untergang des Abendlandes an die Wand gemalt, wenn dieses Betreuungsgeld kommen wird.

(Zurufe von der SPD: Nein, nein!)

Ich möchte auf eine interessante Tatsache hinweisen, die ich Ihnen von der SPD jetzt nicht ersparen kann. Das hatten wir in diesem Haus noch nicht angesprochen. Ansonsten sind alle Argumente ja schon dreimal ausgetauscht worden. Deswegen möchte ich noch einmal darauf hinweisen. Am 26.09.2008 verabschiedete die Große Koalition im Bund unter Beteiligung der SPD das Kinderförderungsgesetz. Im Bund gibt es auch eines. Darin heißt es:

Ab 2013 soll für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in Einrichtungen betreuen lassen wollen oder können, eine monatliche Zahlung (z. B. Betreuungsgeld) eingeführt werden.

(Zuruf von der SPD: Ah!)

Der damalige Bundesfinanzminister, ein gewisser Peer Steinbrück, sagte dazu, es handele sich um einen „vernünftigen Kompromiss“. Der damalige SPD Generalsekretär Hubertus Heil bezeichnete das Gesetz – und das ist besonders schön – inklusive der Barauszahlung als „Quantensprung, der jungen Eltern endlich wirklich Wahlfreiheit ermöglicht“.

(Zurufe von der CDU: Was? – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

In Thüringen gibt es eine Große Koalition. Auch dort regiert die SPD. Dort gibt es ein Betreuungsgeld. Die dortigen SPD-Minister freuen sich, dass die Bundesregierung das jetzt für den Bund einführt, da Thüringen seines dann sparen könnte.

(Zuruf von der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, man kann das alles kritisieren. Sie wissen, dass auch die FDP dazu sehr kritisch stand. Aber wer wie Sie in dieser Frage so einen Schlingerkurs fährt, sollte ganz kleine Brötchen backen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wir als Liberale haben das auch kritisch gesehen. Ich habe immer schon gesagt – auch letztes Mal –, beim Betreuungsgeld kommt es auf die Ausgestaltung an. Deswegen haben wir als Liberale in der Bundesregierung dafür gestritten, dass das Betreuungsgeld um eine Bildungskomponente, nämlich das sogenannte Bildungssparen, ergänzt wurde.

(Beifall bei der FDP)

Das Geld kann auf ein Bildungskonto eingezahlt werden, und das kommt insbesondere den Kindern aus sozial

schwachen Haushalten zugute. Deutschland hinkt bei diesem Thema noch hinterher. Wir haben das geändert, weil wir für mehr Bildungsgerechtigkeit, frühkindliche Bildung und lebenslanges Lernen auch in der Bundesregierung sorgen wollten.

Herr Merz, in einem Punkt sind wir uns einig: Kinderbetreuung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und natürlich braucht Kinderbetreuung auch mehr Geld. Deswegen hat die schwarz-gelbe Landesregierung, um wieder einmal auf die Landesebene zu kommen, die Mittel hierfür von 60 Millionen € am Ende der Zeit von Rot-Grün, 1999, auf 355 Millionen € im Jahr 2012 gesteigert.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir werden durch das neue Kinderförderungsgesetz des Landes die Mittel auf 424 Millionen € erhöhen. Dazu kommen 2013 und 2014 noch Investitionszuschüsse in Höhe von 100 Millionen €. Und da sind noch nicht einmal die Mittel für die Sprachförderung und für die Qualifizierte Schulvorbereitung, die Sie ja wieder abschaffen wollen, mit eingerechnet.

Mit dem Kinderförderungsgesetz geben wir aber nicht nur mehr Geld, sondern wir setzen darüber hinaus noch mehr Anreize für Qualität in den Einrichtungen. Wir unterstützen die Kitas in Problembezirken. Wir geben mehr Mittel für die Inklusion aus, und wir erhöhen die Personalstandards.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann es kurz zusammenfassen: Wir tun etwas für die Familien in diesem Land. Schwarz-Gelb schreibt den Familien nicht vor, welches Lebensmodell sie wählen sollen, sondern wir sorgen für Wahlfreiheit und bessere Kinderbetreuung, während Sie unter Rot-Grün nur Bildungsabbau und linke Ideologie zu bieten haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Deswegen ist dies eine sehr gute und erfolgreiche Familienpolitik, die wir in Bund und Land auch nach dem 22. September erfolgreich fortsetzen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Mick. – Das Wort hat Frau Abg. Schott für DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Mick, tut das eigentlich weh, wenn man etwas verteidigen muss, was man in Wirklichkeit gar nicht haben will?

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Hans-Christian Mick (FDP))

Es ist doch unsäglich, dass wir schon wieder über dieses Betreuungsgeld reden müssen. Aber der Grund ist eigentlich ein guter, nämlich dass wir zumindest ein kleines Licht am Horizont sehen, und zwar in der Initiative im Bundesrat, sodass noch einmal darüber nachgedacht werden muss, dieses entsetzliche Betreuungsgeld doch noch

abzuschaffen. Denn wenn man sich einmal überlegt, welchen Zweck es erfüllt, dann kommt man doch als Erstes zu dem Ergebnis, dass es einen unglaublichen Mitnahmeeffekt geben wird. Das betrifft all diejenigen, die sich sowieso entschieden hätten, zu Hause zu bleiben, um ihr Kind zu betreuen, die das jetzt noch mit zusätzlichen 100 € gedankt bekommen. Das erzielt gar keinen sinnvollen Effekt, weil die Wahlfreiheit auch hier nicht unterstrichen ist. Sie hätten sich ohnehin so entschieden.

Dann gibt es eine Gruppe, die vermutlich ganz scharf rechnen wird. Das ist die Gruppe mit einem relativ kleinen Einkommen. Da wird gegeneinander gesetzt, was eine Frau durch ihre Erwerbstätigkeit verdient, was die Kinderbetreuung in einer Einrichtung kostet, was das Wegegeld bzw. das Hin- und Herfahren kostet, wie groß der Stress ist und was man davon hat, wenn es das alles nicht gibt und dafür die 100 €. Diese kleine Zielgruppe wird sich unter Umständen – gegen alle emanzipatorischen, gegen alle Bildungsansätze – tatsächlich aus monetären Gründen für das Betreuungsgeld entscheiden, klasse.

(Manfred Pentz (CDU): Sie glauben wohl, die Leute seien doof!)

Nein, die können an dieser Stelle genau rechnen und kommen zu dem Ergebnis, dass sie mit diesem kleinen Geld mindestens quitt sind.

Die Folgen, die wir damit sozialpolitisch und bildungstechnisch auslösen, müssen Sie später mit viel Geld wieder auslöffeln.

Im Übrigen widerspricht es einem Teil seines Sinnes: Wenn ich nämlich jemanden mit 100 € zu Hause belassen kann, statt einen Betreuungsplatz zu finanzieren, der ein Vielfaches davon kostet, dann ist das Betreuungsgeld an dieser Stelle auch noch ein Sparpaket.