Protocol of the Session on March 21, 2013

Dieser Vorwurf ist so hart, dass man ihn nur dann erheben darf, wenn man ihn mit klaren Fakten untermauern kann. Das, meine Damen und Herren, können die GRÜNEN nicht. Dieser makabere Vorwurf ist in keiner Weise durch Statistiken zu belegen. Deswegen fordere ich Frau Müller auf, sich bei ihrem Redebeitrag für ihre Pressemeldung zu entschuldigen, insbesondere bei den Angehörigen der Opfer von Verkehrsunfällen, denn deren Leid versuchen die GRÜNEN schamlos auszuschlachten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Damit haben Sie von den GRÜNEN definitiv eine Grenze überschritten.

Die Zahl der Verkehrstoten in Hessen ist von 2000 bis 2010 etwa um die Hälfte zurückgegangen. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Dennoch ist jeder Unfall und jeder Verkehrstote eine Aufforderung an uns, weiterhin an Verbesserungen zu arbeiten.

Dabei ist die Verkehrssicherheit in Deutschland schon heute deutlich höher als in anderen Ländern, die im Übrigen zumeist ein generelles Tempolimit auf ihren Autobahnen haben.

Auch auf den hessischen Autobahnen ist die Zahl der Verkehrstoten im Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr um fünf auf 36 Unfalltote zurückgegangen. Gestiegen ist demgegenüber die Zahl der Verkehrstoten auf den Land- und den Kreisstraßen. Wie die GRÜNEN aus diesen Zahlen einen Zusammenhang zwischen Verkehrstoten und einem generellen Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen herauslesen wollen, ist nicht nur mir schleierhaft. Auch einigen Journalisten ist das schleierhaft, die sich mit den Zahlen beschäftigt haben. Ich zitiere aus dem „Faktencheck“ der dpa vom 17. März. Dort heißt es:

Warum es in Hessen mehr Verkehrstote gibt, ist schwierig zu klären, die Statistik gibt keinen eindeutigen Hinweis. Sie widerlegt aber Müllers Zuspitzung,

nicht meine, sondern die von Frau Müller von den GRÜNEN –

dass die Aufhebung des Tempolimits auf bestimmten Strecken zu mehr Todesopfern geführt hat.

Meine Damen und Herren, die GRÜNEN kämpfen schon lange für Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen. Aber mit den jetzt erhobenen Vorwürfen hat die Debatte definitiv einen neuen Tiefpunkt erreicht. Das kann so nicht weitergehen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das von den GRÜNEN immer wieder betriebene Spiel, ihre Politik auf der Angst der Menschen aufzubauen, ist schon schwierig. Jetzt aber auch noch Verkehrstote zur Durchsetzung der eigenen Ziele zu missbrauchen, ohne einen Zusammenhang belegen zu können, meine Damen und Herren, treibt diese Politik definitiv auf die Spitze. Da müssen wir gegenhalten. Die GRÜNEN haben alle Anstands- und Benimmregeln über Bord geworfen. Es geht nur noch darum, an die Macht zu kommen – koste es, was es wolle.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, ich will zur Frage der Verkehrssicherheit kommen. Hier kann sich die Arbeit der Hessischen Landesregierung wirklich sehen lassen. Insgesamt ist die Zahl der Verkehrstoten trotz steigender Verkehrsbelastung stark rückläufig. Wir arbeiten weiter daran, die Zahl der Verkehrsunfälle zu reduzieren.

Dabei schauen wir genau hin und stellen fest, dass die Mehrzahl der Unfälle auf Bundesstraßen passiert, gefolgt von den Landstraßen. Im Übrigen, meine Damen und Herren: Auf diesen beiden Straßenarten gibt es klare Geschwindigkeitsbeschränkungen. Trotzdem ist hier – anders als auf den Autobahnen – überhöhte Geschwindigkeit eine der Hauptunfallursachen.

Was heißt das für uns? Es bedeutet, dass die richtige Geschwindigkeit mitunter witterungsabhängig ist. Man kann nicht immer einheitlich sagen: 80, 100 oder 120 km/h ist die richtige Geschwindigkeit. Deswegen setzen wir ja auch auf Verkehrsleitsysteme, meine Damen und Herren, mit denen man die Geschwindigkeit den jeweiligen Umständen anpassen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU)

Wir lehnen ein generelles Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen ab. Das ist Placebopolitik aus den Achtzigerjahren. Es konterkariert die erfolgreichen Maßnahmen im Bereich der Verkehrstelematik, die wir in den letzten Jahren umgesetzt haben. Es erhöht auch nachweislich nicht die Verkehrssicherheit, meine Damen und Herren.

Es geht nicht nur um Telematik. Wir setzen auch auf die Beseitigung von Bahnübergängen. Wir setzen auf Maßnahmen, die das Risiko des Falschfahrens reduzieren. Wir setzen auf Überholstreifen auf Landstraßen, wo es erforderlich ist und wo sich unfallgefährdete Bereiche befinden. Wir setzen auf Rüttelstreifen und auf die gezielte Ergänzung von Schutzeinrichtungen wie Fahrbahnteiler, wo diese erforderlich sind. Wir setzen auf Fahrsicherheitstraining und weitere Schulungen.

Im Bereich der Infrastruktur setzen wir auf die Nutzung intelligenter Verkehrssteuerung wie die temporäre Seitenstreifenfreigabe, dynamische Wegweisung und effizientes Baustellenmanagement. Mit all diesen Projekten wird die Staugefahr reduziert und damit die Verkehrssicherheit erhöht, meine Damen und Herren.

Wir setzen aber insbesondere auch auf intelligente Fahrzeugtechnik, beispielsweise bei Fahrerassistenzsystemen oder Fahrzeugkommunikationssystemen. Solche müssen unbeirrt jeder ideologischen Vorstellung weiter gefördert und verbessert werden.

Wir haben bereits viel Potenzial erschlossen, aber in diesem Bereich stecken noch weitere erhebliche Möglichkeiten, um die Zahl der Verkehrsunfälle und der Verkehrstoten zu verringern.

Meine Damen und Herren, wer einer Landesregierung angesichts all dieser Anstrengungen und Bestrebungen vorwirft, dass sie mit ihrer Politik die Zahl der Verkehrstoten erhöhe, der hat jeglichen Anstand verloren. Das kann kein Zustand sein, wenn wir in diesem Hause dauerhaft zusammenarbeiten wollen – Wahlkampf hin, Wahlkampf her.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, dass die GRÜNEN mit diesen Äußerungen eine rein ideologische Politik verfolgen, wird auch deutlich, wenn man sich den Antrag der GRÜNEN durchliest. In Ziffer 5 steht ziemlich eindeutig, wie Sie sich vorstellen, Verkehrssicherheit erreichen zu können: durch Verkehrsvermeidung und durch eine Verlagerung des Verkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel. Das sind die Wege, die die GRÜNEN beschreiten wollen. Da sind wir wieder bei der alten Ideologie: weg von der Straße – hin zum ÖPNV, hin zur Schiene. Das ist der ideologische Hintergrund, vor dem diese Anschuldigungen erhoben wurden – nicht aber Statistiken oder Erkenntnisse, die Sie der Straßenverkehrsstatistik entnehmen konnten.

Weshalb kämpfen Sie denn immer noch so verbissen gegen den Autoverkehr, liebe Grüne? Für Sie sind Autos immer noch die Feinde, die es zu bekämpfen gilt. Sie leben noch immer in den Achtzigerjahren. Unterhalten Sie sich doch bitte einmal mit Verkehrsexperten. Die werden Ihnen erklären, dass der ideologische Kampf zwischen Auto, ÖPNV und Schiene in der Praxis längst der Vergangenheit angehört. Heute geht es um die Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger. Es geht um Multimodalität. Leider leben die GRÜNEN noch immer in der Vergangenheit. Kommen Sie bitte endlich in der Gegenwart an und hören Sie auf, diesen einseitigen Kampf gegen den Autoverkehr zu führen. Das ist nicht mehr zu ertragen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Ich will einmal einen Vergleich ziehen und ein Beispiel nennen. Wenn man Politik machen wollte wie Sie, dann müsste man in Zeiten einer Grippewelle Kampagnen gegen die ÖPNV-Nutzung fahren und sagen: „Zugfahren macht krank!“, denn die Ansteckungsgefahr im Großraumabteil eines Zuges ist sicher deutlich höher als im eigenen Auto.

Meine Damen und Herren, das wollen wir nicht. Wir Liberale wollen den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben, was sie tun müssen und was möglicherweise zu gefährlich für sie ist. Wir wollen keine Verbotsrepublik und keinen Autoritätsstaat, der den Menschen von morgens bis abends vorgibt, was für sie gut ist, welches Risiko sie eingehen dürfen und was sie noch tun dürfen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir trauen den Menschen zu, dass sie eigenverantwortlich für sich entscheiden können, welche Risiken sie eingehen wollen. Ob sie das Auto, den Bus, den Zug oder das Fahrrad nehmen wollen, ist die Entscheidung eines jeden Einzelnen. Das ist nicht Aufgabe des Staates.

Wir schaffen für die Menschen die Rahmenbedingungen, damit sie Wahlfreiheit haben. Das ist der gewaltige Unterschied zwischen der Politik der FDP und der Politik der GRÜNEN. Wir setzen auf Freiheit und Verantwortung. Die GRÜNEN setzen auf Vorgaben und staatliche Regelungen.

Meine Damen und Herren, ich bin sehr sicher, dass wir mit unserer Position die richtige haben. Verkehrssicherheit ist für uns ein wichtiges und herausgehobenes Thema. Wir arbeiten seit Jahren intensiv und erfolgreich an Verbesserungen. Das zeigen auch alle Statistiken seit 2000. Ich garantiere Ihnen, wir werden weiterhin intensiv daran arbeiten, die Straßen sicherer zu machen und die Zahl der Unfälle weiter zu reduzieren. Aber wir wollen das sachlich und gezielt angehen und nicht mit einer Ideologie und mit politischem Krawall, wie das die GRÜNEN hier versuchen.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es kann und darf nicht sein, dass Verkehrstote für die Durchsetzung ideologischer Ziele benutzt werden. Das verurteilen wir aufs Schärfste. Deswegen, Frau Müller, bitte ich Sie noch einmal, entschuldigen Sie sich gleich an dieser Stelle bei den Angehörigen der Opfer von Verkehrsunfällen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Müller. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Wissler von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Kollegin Wissler, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Statistische Bundesamt hat vor Kurzem die Zahlen zu den Todesopfern im Straßenverkehr für das Jahr 2012 veröffentlicht. Demnach sank die Zahl der Verkehrstoten bundesweit um 10 % im Vergleich zum Vorjahr.

In zwölf Bundesländern wurden weniger Menschen im Straßenverkehr getötet als im Jahr zuvor. Nur in vier Bundesländern gab es eine steigende Zahl der Verkehrstoten. Ich zitiere aus der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes:

Besonders stark war die Zunahme in Hessen mit + 20 Todesopfern...

Das entspricht einer Zunahme von 7,6 %.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

283 Menschen kamen 2012 auf hessischen Straßen ums Leben, und auch das statistische Risiko, im Straßenverkehr zu sterben, liegt in Hessen über dem Bundesdurchschnitt.

Nun schreiben CDU und FDP in ihrem Antrag, dass sich die Zahl der Verkehrstoten von 2000 bis 2010 mehr als

halbiert habe. Herr Müller, Sie können aber nicht ignorieren, dass diese Zahl seit 2010 leider wieder ansteigt und dass jetzt schon das zweite Jahr in Folge diese Zahl steigt. Sie müssten sich fragen, warum das so ist.

Herr Minister, Ihr Vorgänger, Herr Posch, hat erst 2010 auf vielen hessischen Autobahnabschnitten Tempolimits aufgehoben oder angehoben. Die Begründung lautete damals, dass die Straßen in gutem Zustand und die Unfallzahlen zurückgegangen seien.

Ich sage ganz ehrlich, ich habe das schon damals nicht verstanden, weil man, wenn die Unfallzahlen zurückgehen, sich als Verkehrsminister freuen sollte, dass man offenbar etwas richtig gemacht hat, und alles so belassen kann, wie es ist. Aber sinkende Unfallzahlen zum Anlass zu nehmen, die Tempolimits abzuschaffen, widerspricht doch jeder Logik.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das haben wir damals kritisiert. Seitdem sind die Zahlen der Verkehrstoten angestiegen. Dann muss man einmal fragen, ob es einen Zusammenhang gibt.

Die FDP und der Wirtschaftsminister werfen jetzt den GRÜNEN vor, sie würden Verkehrstote für parteipolitische Zwecke missbrauchen, weil sie nach dem Zusammenhang zwischen Verkehrspolitik in Hessen und Verkehrstoten fragen. Ich finde: Wenn die Zahlen bundesweit sinken und in Hessen steigen, ist es mehr als legitim, diese Frage zu stellen, ob es dort einen Zusammenhang gibt.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))