Dass ein materielles Problem besteht und wir uns da auf dünnem Eis befinden, das wussten wir vorher; deswegen die Frage nach der Aufsicht. Dass aber der Verwaltungsgerichtshof sogar sagt, die Weisung war aus formellen Gründen rechtswidrig, weil auf die Anhörung verzichtet wurde, das – Frau Puttrich – ist Ihre ureigene Verantwortung.
Ich kann Ihnen auch sagen, worin da das Problem liegt. Für Sie war RWE quasi ein Verbündeter. Offensichtlich konnten Sie es sich nicht vorstellen – –
und zwar von der ersten Sekunde des Versuchsstadiums an, Biblis stillzulegen und die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verkürzen,
und Schwarz-Gelb ein Verbündeter von RWE. So viel Geschichtsklitterung hätte ich noch nicht einmal Ihnen zugetraut.
Offensichtlich konnten Sie sich nicht vorstellen, dass das, was wir Ihnen immer über die Energiekonzerne gesagt haben – dass man denen nicht trauen darf –, wirklich stimmt. Offensichtlich konnten Sie es sich nicht vorstellen, dass einer Ihrer Verbündeten die Treue, die Sie ihm gegenüber gezeigt haben, nicht zurückzahlt, sondern im Zweifel selbst Sie verklagt.
Frau Puttrich, meine sehr verehrten Damen und Herren von Schwarz-Gelb und auch Herr Ministerpräsident, insofern muss ich Ihnen sagen: Sie sind Opfer Ihrer eigenen bösen Taten im Vorfeld geworden. Das ist das Grundproblem.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Judith Lannert (CDU): Das ist eine Frechheit!)
Wissen Sie, die GRÜNEN in Hessen haben eine lange Geschichte des Umgangs mit den Hanauer Atomfabriken und dem Atomkraftwerk in Biblis. Wir haben immer gesagt, wir machen einen sicherheitsorientierten Gesetzesvollzug. Sie haben diese Linie aufgegeben. Deswegen waren Sie nicht mehr in der Lage, eine ordnungsgemäße Stilllegungsverfügung zu schreiben. Das ist doch das Grundproblem.
Deswegen von dieser Stelle aus: Die Landesregierung hat bei ihrer Aufgabe, eine rechtssichere Stilllegungsverfügung zu schreiben, ganz offensichtlich versagt. Jetzt sind wir in der Situation, dass dem Land Schadenersatzforderungen drohen. Dabei will ich an dieser Stelle nochmals sagen: Ich fordere auch RWE auf, den gesellschaftlichen Konsens endlich zu akzeptieren und nicht auf Schadenersatz zu klagen. Ich weiß, RWE ist eine Aktiengesellschaft. Aber auch E.ON ist eine Aktiengesellschaft, und offensichtlich gab es dort aktienrechtlich kein Problem, auf eine Klage zu verzichten.
Ich füge ausdrücklich hinzu: Die politische Verantwortung gilt. Wir haben in Hessen auch dazu eine lange Geschichte. Als es politische Verantwortung noch als Kategorie in der hessischen Landespolitik gab, da sind Ministerinnen und Minister wegen sehr viel weniger zurückgetreten.
Wir müssen jetzt mit den Ergebnissen Ihrer fehlerhaften Politik leben. Ich kann nur hoffen, dass die Folgen nicht in der Höhe eintreten, hoffentlich gar nicht eintreten. Dass wir aber eine Landesregierung haben, die den Atomausstieg jahrelang nicht wollte und alles dafür getan hat, dass er nicht kommt, dann den Atomausstieg rückgängig gemacht hat und dabei erst dafür gesorgt hat, dass Biblis überhaupt noch am Netz war, es dann aber nicht geschafft hat, wenigstens eine formell korrekte Stilllegungsverfügung zu erlassen, das ist wirklich ein starkes Stück. Das muss Konsequenzen haben.
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN – Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Herr Kollege Al-Wazir, erstens muss ich Ihnen sagen: Ihr Verhalten ist in der Nähe eines pharisäerhaften Verhaltens. Was wäre denn eigentlich geschehen, wenn sich die Landesregierung zur damaligen Zeit, nach Fukushima, anders verhalten hätte, als sie sich verhalten hat? Das ist doch die Grundsatzfrage.
Zum damaligen Zeitpunkt haben Sie doch alles, aber auch alles getan, damit der Ausstieg aus der Kernenergie so schnell erfolgen konnte, wie er auch erfolgte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte ein Zweites sagen, hinsichtlich des Vorwurfs, wir seien Verbündete von RWE.
Ich kann Ihnen nur sagen: Verbündete schalten sich nicht gegenseitig die Kraftwerke ab, und Verbündete verklagen sich auch nicht anschließend. – Das nur zur Richtigstellung.
Herr Al-Wazir, ich möchte Ihnen auch sagen, wo die Verbündeten sitzen. Die Verbündeten sitzen dort, wo beispielsweise Herr Clement ist, der ehemalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und ehemalige Wirtschaftsminister von der SPD: heute ein Lobbyist der Atomwirtschaft, der Kernenergie.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ich möchte Ihnen einen zweiten Verbündeten nennen: den ehemaligen Wirtschaftsminister Müller, der heute noch wesentliche Verantwortung für die SPD in Nordrhein-Westfalen übernommen hat. Das sind die Verbündeten der Kernenergie, der Atomwirtschaft, niemand anderes. Das möchte ich Ihnen hier einmal ins Stammbuch schreiben.
Werter Kollege Clemens Reif, wir haben eine lange Geschichte der juristischen Auseinandersetzungen zwischen der Hessischen Landesregierung und der RWE in Sachen Biblis A und B. Es gibt sogar eine Geschichte in Sachen Biblis C, aber die kennt kaum jemand.
Wissen Sie, worin der Unterschied besteht zwischen der Zeit von 1991 bis 1999, in der eine Regierung von RotGrün die Verantwortung im hessischen Umweltministerium und damit auch über die Atomaufsicht hatte, und Ihnen jetzt?
Das ging hin bis zu dem Punkt, dass am Ende RWE sogar Geld für die Rücknahme des Bauantrags für Biblis C zahlen musste, an den sich kaum noch einer erinnern kann.
(Karlheinz Weimar (CDU): Meine Verfügungen sind nie umgesetzt worden! – Gegenrufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Sie können sicher sein: Wenn GRÜNE die Verantwortung getragen hätten, dann hätten wir zumindest in formeller Hinsicht keinen Fehler begangen.
In der materiellen Frage – Stichwort: dreimonatiges Abschalten der drei ältesten Atomkraftwerke – bestand das Problem vielleicht darin, dass alle Ministerpräsidenten, die bei der Bundeskanzlerin saßen, der CDU oder der CSU angehörten. Sie können sicher sein: Wenn wir die Verantwortung getragen hätten, hätten wir Herrn Röttgen und Herrn Hennenhöfer aufgefordert, uns anzuweisen, weil dann nämlich die Frage, wer im Zweifel für die materiellen Folgen einzutreten hat, glasklar beantwortet gewesen wäre. Wenn man aber parteipolitisch verbunden ist, kommt einem das Juristische oft nicht mehr so klar vor.