Protocol of the Session on February 27, 2013

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Tierschutz ist etwas, was in breiten Teilen der Bevölkerung auf Interesse und Zustimmung stößt. Das Eintreten für die Rechte der Tiere ist etwas, was in einer aufgeklärten und demokratischen Gesellschaft uns allen gut ansteht.

Inzwischen wurde dem gesetzlichen Gebot der verhaltensgerechten Unterbringung nach Art. 20a GG der Rang eines Verfassungsguts eingeräumt. Auf der Bundesebene wurde das Verbandsklagerecht zwar bereits eingeführt, aber noch nicht für den Tierschutz. Das muss sich ändern.

Dafür müssen sich auch die Länder einsetzen. Sie müssen vorangehen, wie das Land Bremen, das das Verbandsklagerecht schon eingeführt hat. Viele andere Länder werden folgen. Was ist mit Hessen? Hessen verweigert sich und entscheidet sich damit einseitig für die Interessen der Agrarwirtschaft und der Forschung.

Schon 2008, also vorneweg, hat meine Fraktion mit einem Antrag im Tierschutzbeirat die Einführung eines Verbandsklagerechts gefordert. Er wurde damals leider von CDU und FDP abgelehnt.

Warum halten wir dieses Recht für unbedingt notwendig und seine Einführung auch in Hessen für überfällig? Bisher lag das Klagerecht vor allem bei jenen, die einen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Umgang mit Tieren ziehen. Die Tierhaltung, die Tierverwertung und die Tierversuche müssen unseres Erachtens aber unter anderen Gesichtspunkten betrachtet werden. Wir haben nämlich auch eine ethische und moralische Verpflichtung gegenüber den Tieren. Tiere dürfen nicht zuvorderst als Waren betrachtet werden, mit denen hohe Gewinne einzufahren sind, wenn man die Herstellungskosten, die anfallen, bis sie auf der Ladentheke landen, möglichst weit herunterfährt.

(Beifall bei der LINKEN)

Gegen ihre nicht artgerechte Haltung und gegen ihre Ausbeutung können die Tiere nicht selbst protestieren. Sie haben keine Stimme. Wir reden miteinander, damit wir ihnen eine Stimme geben können.

Es ist aus unserer Sicht dringend erforderlich, dass endlich auch Tierschutzverbänden das Recht eingeräumt wird, gegen bestehende Missstände zu klagen. Das wird dazu beitragen, das strukturelle Ungleichgewicht zu beseitigen, das dazu führt, dass in einigen Bereichen des Tierschutzrechts inzwischen ein beträchtliches Vollzugsdefizit herrscht. Das wird auch von Verschiedenen anerkannt.

Dies hat bestimmte Gründe, die natürlich nicht allein mit der Einführung eines Verbandsklagerechts zu beseitigen sind. Als Beispiel sind die personelle Unterbesetzung und die Verlagerung von Kompetenzen der Tierschutzbehörde – auch in Hessen – zu nennen. Dennoch: Mit dem Verbandsklagerecht würden auch die Beamten der Veterinärund der Genehmigungsbehörden endlich unterstützt, die sich unter Berufung auf die durch die Rechtsprechung erweiterten Kontrollmöglichkeiten einem einseitigen, interessenorientierten Druck widersetzen könnten.

Leider ist es immer noch so, dass sich die genehmigende Behörde Folgendes überlegen muss, wenn eine Genehmigung für ein Vorhaben beantragt wird, durch das Tieren Leid zugefügt wird oder sie einer nicht artgerechten Haltung ausgesetzt werden: Verweigert sie die beantragte Genehmigung, muss sie mit verwaltungsgerichtlichen Klagen durch mehrere Instanzen und unter Umständen auch mit Entschädigungsklagen rechnen. Stellt sie dagegen ihre Bedenken zurück und genehmigt das Vorhaben, kann niemand eine richterliche Überprüfung der Vereinbarkeit mit den Vorschriften des Tierschutzgesetzes herbeiführen; denn die Belange von Tieren sind immer noch nicht einklagbar.

Nur mit dem Verbandsklagerecht kann ein solcher Gewissenskonflikt vermieden werden, und deshalb sollten wir alle heute ein entsprechendes Gesetz beschließen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dem Gesetzentwurf der SPD stimmen wir ausdrücklich zu, da er unserer Ansicht nach die Rechte der Tiere am vertretbarsten berücksichtigt. Das ist auch das Anliegen des Entwurfs der GRÜNEN. Allerdings haben wir hier Bedenken, was die Ausweitung z. B. auf Stiftungen angeht. Wir haben die Befürchtung, dass nicht unbedingt immer Tierschützer von diesem Recht Gebrauch machen werden. Genau das sollte für uns aber meiner Meinung nach im Vordergrund stehen.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Trotz dieser Bedenken stimmen wir auch diesem Gesetzentwurf zu, da er auf jeden Fall in die richtige Richtung geht. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN)

Schönen Dank, Frau Cárdenas. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Sürmann das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst etwas Grundsätzliches: Ich glaube, es steht außer Frage, dass alle Fraktionen das Ziel verfolgen, unsere Mitgeschöpfe zu schützen. Wir sind uns auch darin einig, dass das eine elementare gesellschaftliche Aufgabe ist.

(Zuruf von der SPD: Das sagt auch noch ein Jäger!)

Da vorne bei den GRÜNEN sitzt auch einer. Ich glaube, das ist eine falsche Bemerkung, die da gerade gemacht wurde. Auch in der SPD-Fraktion gab es einen. All das ist miteinander vereinbar.

Zu Recht ist der Tierschutz als Staatszielbestimmung in Art. 20a Grundgesetz niedergelegt. Auch über die Notwendigkeit von Maßnahmen zum Tierschutz sind wir uns alle einig; denn wir wissen, dass sich die Tiere nicht selbst Gehör verschaffen können. Also muss sich der Mensch darum kümmern. Wir streiten also nicht darüber, ob Tierschutz stattfindet, sondern darüber, wie es mit ihm effektiv weitergehen kann.

SPD und GRÜNE schlagen Regelungen vor, die mit denen in Nordrhein-Westfalen weitgehend übereinstimmen: ein Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen. Wir haben, wie schon festgestellt worden ist, ein solches Recht in Bremen. Bremen ist nicht gerade ein agrarisches Flächenland. Das Land Bremen ist klein; die Voraussetzungen sind dort etwas anders als bei uns.

Im Saarland sind sie mit ihrem Verbandsklagerecht immer noch nicht zu Potte gekommen. Das stand schon unter Schwarz-Grün-Gelb zur Diskussion, und jetzt wird immer noch darüber debattiert. Es ist immer noch nicht da. Bei dem dortigen Verbandsklagerecht sieht man einen etwas anderen Weg vor als den, der hier vorgeschlagen ist; denn es ist vorgesehen, dass, wenn nach dreimaliger Aufforderung die Veterinärbehörde bzw. die oberste Behörde nicht tätig wird, ein Klagerecht greift. Im Unterschied dazu kön

nen entsprechend den Vorschlägen, die gemacht werden, die Tierschutzverbände hier immer klagen, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind.

SPD und GRÜNE erklären also, die Vereine, die ein Klagerecht haben, müssen anerkannt werden. Die GRÜNEN machen das von keinen Voraussetzungen abhängig. Das adelt eher den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion. Dort heißt es nämlich, die Klageberechtigten müssen eine Sachkenntnis haben, die über das Normalmaß dessen hinausgeht, was in einem durchschnittlichen Tierschutzverein vorhanden ist. Das ist, wenn man ein Verbandsklagerecht einführen will, eine vernünftige Überlegung.

Geklagt werden kann nach den Entwürfen im Wesentlichen gegen die Erlaubnis und die Genehmigung des Schächtens von Tieren sowie des Kürzens der Schnabelspitzen von Hühnern – damit diese sich nicht gegenseitig verletzen – und der Schwänze von Kälbern. Bei Tierversuchen soll es ein Klagerecht geben. Wir werden uns nachher noch einmal darüber unterhalten, an welcher Stelle wir eigentlich darüber diskutieren müssen. Ein Klagerecht gibt es auch gegen die Zucht und das Halten von Tieren beispielsweise in Zoos, in Tierheimen oder zu Erwerbszwecken.

Außerdem soll ein Klagerecht bestehen, wenn im Fall der Misshandlung von Tieren Anordnungen der zuständigen Behörde zur Wegnahme unterbleiben – auch darüber müssen wir uns unterhalten – oder zu Unrecht getroffen werden. Zu diesem Zweck sollen die anerkannten Vereine rechtzeitig informiert werden und Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten: immer bei der Vorbereitung von tierschutzrelevanten Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie vor jeder Erteilung von bau- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen für das Halten von Tieren zu Erwerbszwecken.

Das klingt – zugegeben – zunächst einmal nach einem praktikablen Ansatz und ist zweifelsohne ein hehres Ziel. Aber wir müssen uns die Folgen anschauen, die daraus entstehen könnten. Ich will sie zwar nicht überhöhen, aber zumindest einmal aufzählen.

Wir haben das Problem, dass die Biomediziner dann viel Zeit vor Gericht verbringen müssen – mehr als im Labor – und dass wir dadurch Gefahr laufen, die medizinische Forschung zu behindern. Auch wenn ich das nicht in den Vordergrund stellen will, möchte ich sagen: Das bringt, gerade weil wir in Hessen viel Forschung haben, durchaus auch einen Standortnachteil mit sich. Wir hätten zu Beginn wahrscheinlich mit einer Klagewelle zu rechnen, die die Justiz im Zweifel nicht beherrschen könnte. Da müssen wir aufpassen.

Noch eines: Dass das Verbandsklagerecht dann repressiv wirkt und keine präventive Wirkung entfaltet, versteht sich ebenfalls von selbst. Das ist die Gefahr dabei: dass wir nur Repression, aber keine Prävention haben, indem wir verhindern, dass Tiere misshandelt oder schlecht behandelt werden.

An der Stelle müssen wir die Anhörung noch einmal durchleuchten. Frau Hammann hat eben im Plenum opponiert. Es geht um die Frage, was der Deutsche Richterbund dazu gesagt hat. Der Hinweis in der Stellungnahme, dass wir in §§ 15 und 16b des Tierschutzgesetzes möglicherweise eine abschließende Regelung haben, die die Länderkompetenz für ein solches Verbandsklagerecht verbietet, ist ernst zu nehmen. Nun ist das nicht gerichtlich überprüft.

Frau Dr. Pauly-Bender, Sie können den Kopf schütteln. Aber es ist nicht überprüft, auch nicht das Bremer Gesetz. Alle anderen Initiativen, die noch laufen, sind im parlamentarischen Verfahren.

(Zurufe der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Günter Rudolph (SPD))

Da gibt es rechtlich noch gar nichts zu überprüfen. Deswegen muss man sich die Stellungnahme des Richterbundes sehr genau ansehen. Ich befürchte, die haben recht, dass die Regelungskompetenz nur beim Bund liegt, weil das Verbandsklagerecht grundsätzlich immer der absolute Ausnahmefall ist. Wenn wir ein Gesetz verabschieden, wo es nicht die absolute Ausnahme, sondern der Regelfall ist, dann haben wir an der Stelle ein Problem.

Ich will trotzdem fairerweise auch auf die Dinge eingehen, die Frau Hammann genannt hat. Sie hat gesagt, dass wir bei den Tierversuchen, bei der sogenannten §-15-Kommission, eine Einseitigkeit haben. Denn wenn die Kommission nicht mit einem Tierversuch einverstanden ist, gibt es für die Kommission keine Möglichkeit, gegen denjenigen vorzugehen, der die Erlaubnis trotzdem erteilt. Da scheint mir Regelungsbedarf zu sein. Denn umgekehrt ist es so: Derjenige, der einen Tierversuch abgelehnt bekommt, hat immer ein Klagerecht. Aber die Kommission, die darauf achten soll, dass die Tierversuche auch wirklich notwendig sind und ordnungsgemäß durchgeführt werden, hat kein Klagerecht.

Das kann man über ein Klagerecht oder über eine andere objektive Behörde lösen. Ich habe mich mit dem Staatssekretär schon einmal darüber unterhalten, wie man das technisch machten könnte. Es wäre durchaus denkbar, dass man darüber nachdenkt, ob das letzte Wort an der Stelle das Ministerium hat.

Zum Zweiten räume ich ein, wir brauchen eine Möglichkeit, Veterinärämter anzuweisen, einzuschreiten, wenn es objektiv notwendig ist. Da haben wir im Moment durch die Kommunalisierung, die wir zumindest teilweise wieder auflösen müssen, ein Problem. Daran arbeiten wir. Wir reden darüber, wie man das machen kann, ohne Probleme innerhalb des Verwaltungsablaufs zu bekommen.

Insgesamt steht die FDP-Fraktion einem Verbandsklagerecht in der Form wie hier vorgeschlagen nicht nur kritisch, sondern ablehnend gegenüber, während wir bei den anderen Punkten durchaus bereit wären, uns zu bewegen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Schönen Dank, Herr Kollege Sürmann. Das war eine Punktlandung. – Mit einer Restredezeit von rund einer Minute hat sich Frau Dr. Pauly-Bender noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident, die zeitliche Bemessung ist sehr großzügig. Ich möchte nur drei Argumente nennen. Herr Sürmann, Sie hatten alle Gelegenheit, mit uns in ein Gespräch einzutreten. Sie sind dem Landestierschutzbeirat sogar noch eine

Spezialität schuldig, nämlich ein von Ihnen angeregtes Sonderverfahren für Laborversuche. Das ist nicht gekommen.

Bei dem Kollegen von der CDU, Herrn Dietz, habe ich etwas sehr vermisst und nehme an, dass ich das auch bei der Frau Ministerin vermissen werde. Ihre eigene Tierschutzbehörde, die Landestierschutzbeauftragte, die auch einen Mitarbeiterstab hat, die Ihre Einrichtung ist, hat die Landestierschutzverbandsklage angeregt und hat ihre Notwendigkeit an hessischen Vollzugspraktika belegt. Das blieb unwidersprochen. Dazu haben wir weder von Herrn Dietz noch von Herrn Sürmann irgendeinen Hinweis erhalten. Auch Ihre eigene Behörde geht im Übrigen davon aus, dass eine Landestierschutzklage eingeführt werden kann. Ich gehe davon aus, dass auch da Prüfungen stattfinden. Insofern können wir mit Ihren Repliken nur sagen: Offenbar sind Sie falschen Informationen aufgesessen oder wollen falsche Informationen im Land verbreiten. Die Lösung, die wir vorschlagen, ist nicht nur im Sinne des Tierschutzes, sondern sie ist auch möglich und zeitgerecht. Das sehen wir im Saarland.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Schönen Dank, Frau Dr. Pauly-Bender. – Für die Landesregierung hat jetzt Frau Staatsministerin Puttrich das Wort. Bitte schön, Frau Puttrich.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Eines sollte man nicht infrage stellen, nämlich dass, egal welche Position man vertritt, um Tierschutz in bestem Maße zu gewährleisten, er nur deshalb nicht gewährleistet würde, weil ein Verbandsklagerecht nicht eingeführt wird.

Zweitens. Ich glaube, wir können alle bestätigen – da möchte ich mich den Ausführungen des Herrn Sürmann anschließen –, dass der Verfassungsrang des Tierschutzes für alle Beteiligten einen hohen Wert hat.

Die Frage ist immer, welchen Weg man zu diesem Ziel geht. Da gibt es in der Tat unterschiedliche Bewertungen. Frau Dr. Pauly-Bender, ich möchte darauf hinweisen, dass die Tierschutzbeauftragte keine Behörde ist. Die Tierschutzbeauftragte ist vielmehr unabhängig. Das ist auch in Ordnung. Eine Tierschutzbeauftragte kann durchaus auch einmal eine andere Position vertreten als die Landesregierung. Insofern ist die Tierschutzbeauftragte auch nicht die Erfüllungsgehilfin der Landesregierung, sondern unabhängig. Darauf lege ich großen Wert, und ich glaube, die Tierschutzbeauftragte auch.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das heißt allerdings in der Tat, dass wir zu unterschiedlichen Bewertungen kommen können. Wir haben uns bei unterschiedlichen Positionen schon darüber ausgetauscht, dass wir das Verbandsklagerecht nicht als weiteren Baustein eines verbesserten Tierschutzes betrachten.

Von mehreren Seiten ist auf die Anhörung Bezug genommen worden, in der es unterschiedliche Positionen gab. Was nicht gering zu schätzen ist, ist in der Tat der Auf