Während der ganzen Diskussion um die Sicherungsverwahrung dürfen wir den eigentlichen Leitgedanken nicht vergessen: Gefährliche Straftäter, die ihre Strafe verbüßt haben, aber noch immer eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen, müssen nun anders als gewöhnliche Häftlinge behandelt werden. Die Sicherungsverwahrung muss sich daher evident vom Strafvollzug unterscheiden, wobei der Schutz und die Sicherheit der Bevölkerung an erster Stelle stehen.
Dennoch müssen auch Sicherungsverwahrte eine klare Perspektive haben, in die Gesellschaft zurückkehren zu können, sobald eine Gefährlichkeit nicht mehr gegeben ist. Daher ist auch die Sicherungsverwahrung vom Resozialisierungsgedanken geprägt, dem wir als Landesgesetzgeber Rechnung tragen.
Gerade Arbeit leistet einen wichtigen Beitrag zur Resozialisierung. Gleichwohl kann aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Arbeitspflicht, wie die SPD sie fordert, nicht eingeführt werden. Die Verpflichtung zur Arbeit ist eine Zwangsmaßnahme, die den Sicherungsverwahrten zusätzlich zum Freiheitsentzug belastet und nicht im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist.
Dies hat auch das Landgericht Marburg erst kürzlich so gesehen und eine Disziplinarmaßnahme aufgehoben, die gegen einen Sicherungsverwahrten wegen Arbeitsverweigerung verhängt worden war. Die Sicherungsverwahrung soll gerade keine zusätzliche Bestrafung darstellen oder ansonsten geltende Höchststrafen ausweiten. Mit dem endgültigen Verbüßen der Haft ist die Tat geahndet.
Wir haben uns daher entschieden dafür ausgesprochen, das Therapieangebot auch bei sogenannten untherapierbaren Fällen nicht einzuschränken. Sicherlich gibt es Sicherungsverwahrte, die mit den momentan vorhandenen Angeboten schwer oder auch gar nicht zu erreichen sind. Aber das Bundesverfassungsgericht lässt in seiner Entscheidung erkennen, dass Motivierungs- und Behandlungspausen gerade nicht vorgesehen sind. Auch bei Unwillen oder Unfähigkeit soll der Sicherungsverwahrte wenigstens jederzeit die Möglichkeit geboten bekommen, sich für eine Therapie zu entscheiden. Im Gegenteil, die Inhaftierten, die an ihrer Therapie nicht mitwirken, bedürfen besonderer Motivation. Sowohl die Einstellung als auch die persönliche Situation der Einzelnen kann sich ändern. Außerdem werden ständig neue Behandlungsmethoden entwickelt, die viele neue Chancen enthalten.
Wir geben die Sicherungsverwahrten nicht auf. Allein die Hoffnung, bei entsprechend positiver Entwicklung wieder eine klare Aussicht darauf zu erhalten, freizukommen, lässt diese ansonsten schuldunabhängige Maßnahme der Besserung und Sicherung verhältnismäßig erscheinen.
Nun komme ich zum Fazit der bisher gemachten Ausführungen. Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutige Vorgaben gemacht, wie der Verwahrungsvollzug konkret umzusetzen ist: einerseits durch rechtliche Vorgaben, andererseits durch die Ausgestaltung des Vollzugs in den räumlich vom Strafvollzug getrennten Therapieeinrichtungen. Dieser Gesetzentwurf erfüllt die Anforderungen an einen fort
Schönen Dank, Herr Kollege Paulus. – Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Dr. Wilken jetzt das Wort. Bitte schön, Herr Dr. Wilken.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir halten die Sicherungsverwahrung, also die präventive Sicherungshaft, nach wie vor für einen falschen Weg. Unser Bedürfnis nach vermeintlich immer mehr Sicherheit schränkt in vielen Bereichen bedenkenvoll Freiheitsrechte ein. So ist es auch mit der Sicherungsverwahrung.
Mit der Sicherungsverwahrung wird massiv gegen das Prinzip des Schuldstrafrechts verstoßen; denn Inhaftierte werden für Taten eingesperrt, die sie noch gar nicht begangen haben. Damit suggerieren wir der Bevölkerung, dass es eine Sicherheit vor Straftätern gäbe, die es so nie geben kann.
Meine Damen und Herren, wir werden nicht müde, Sie daran zu erinnern, dass alle wissenschaftlichen Untersuchungen nachweisen, dass das Rückfallrisiko auch bei Schwerststraftätern nach ihrer Haftentlassung bei 10 % der Straftäter liegt. Das heißt, wir sperren 90 % in die Sicherungsverwahrung ein, wenn 10 % eventuell rückfällig werden können. Das ist ein falsches Verständnis von Sicherheit.
Ich möchte einen zweiten Aspekt ansprechen, weil ich vermute, dass ihn niemand sonst aus der Anhörung vortragen wird. Von den Praktikern ist in der Anhörung durchaus auch gesagt worden, dass wir uns dem Prinzip des Abstandsgebots, also dass ein Sicherungsverwahrter anders behandelt werden muss als ein Häftling, permanent von der falschen Seite nähern, nämlich von der Seite der Haftbedingungen. Wir sollten, wenn wir schon diesen Irrweg gehen, uns zumindest die Mühe machen, den Weg von der anderen Seite her zu kommen, also von der Lebenswelt draußen lebender Menschen, um Sicherungsverwahrung weitestgehend an allgemeine Lebensverhältnisse anzupassen.
Das ist eine Argumentation, die noch von niemand anderem aufgenommen worden ist. Wir werden diese Diskussion aber weiterverfolgen.
Meine Damen und Herren, statt mit der präventiven Sicherungshaft, vulgo Sicherungsverwahrung, weiter so zu tun, als würden wir einen Schritt für mehr Sicherheit in der Bevölkerung gehen, rate ich uns allen: Sparen wir uns die Sicherungsverwahrung und verwenden die Gelder lieber für Opfer und Opferverbände. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Wilken. – Als nächster Redner hat sich Herr Kollege Honka von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auf den Vortrag meines Vorredners kann ich nur sagen: Bei so viel Ideologie hilft gar nichts. Von daher hilft es auch nicht, darauf einzugehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP so- wie des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Wir haben es – das ist wohl unwidersprochen – mit dem schwierigen Thema der Sicherungsverwahrung zu tun. Ich glaube, die Bundesländer haben sich auch nicht darum gerissen, dass dieses Thema von den Ländern und nicht mehr vom Bund zu regeln ist. Aber das ist dank der Föderalismuskommission nun mal so. Und aufgrund der Urteile des Bundesverfassungsgerichts nehmen wir diese Aufgabe an und nehmen sie auch ernst, wie ich finde.
Wir hatten, das ist bereits angeklungen, im September des vergangenen Jahres eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf unserer Landesregierung. Es war eine gute Anhörung. Wir hatten knapp drei Stunden die Anzuhörenden zu Gast. Wir konnten ihnen ausführlich Fragen stellen. Das war sehr vernünftig, was wir dort zu hören bekommen haben. Wir haben vor allen Dingen die Botschaft mitgenommen, dass der Gesetzentwurf in seiner Grundanlage gut und richtig war. Das hat uns als Koalitionsfraktionen natürlich besonders gefreut.
Nichts ist jedoch so gut auf unserem Planeten, dass nicht doch die eine oder andere kleine Stellschraube zu verbessern wäre. So haben wir natürlich als Koalitionsfraktionen die Anregungen, die noch gekommen sind, gern aufgegriffen – auch das ist bereits angeklungen. Zum Beispiel in der Frage der Begutachtung, ein oder zwei Gutachter, ob es immer zwei sein müssen, haben wir jetzt einen pragmatischen Weg gefunden, der alle Bedenken aufgreift und gleichzeitig die notwendige Gewähr dafür bietet, dass die gebotenen rechtsstaatlichen Entscheidungen auch richtig getroffen werden können.
Auch die Lösung, dass wir während der Umbaumaßnahmen in Schwalmstadt die Gebäude in Weiterstadt als Zweiganstalt nutzen können, was heute Morgen zum Thema Staatsvertrag vonseiten der SPD groß thematisiert worden ist, ist die einzig pragmatische Lösung, die wir dort haben. Sie ist pragmatisch und richtig. Von daher ist es auch klug, dass wir sie so getroffen haben, wie sie jetzt getroffen ist.
An der Stelle hört schon die große Frage der Gemeinsamkeiten auf. Dann sind wir bei dem wichtigen Thema der Arbeitspflicht für Sicherungsverwahrte. An dieser Stelle hat der Kollege Paulus schon darauf hingewiesen, es gibt vom zuständigen Landgericht eine dezidierte Aussage, die ganz kurz vor unserer Beratung ergangen ist. Wir hatten sie glücklicherweise kurzfristig vor unserer Ausschussberatung. Ich möchte nur einen Satz daraus zitieren, weil er den Kern dessen trifft, worum es geht. Der Satz lautet:
Denn nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 kann an der sich aus § 68 Abs. 1 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 Hessisches Strafvollzugsgesetz ergebenden Arbeitspflicht für die Sicherungsverwahrten nicht länger festgehalten werden.
Wenn ich diesen Satz nehme, der sich mit der derzeitigen Rechtslage beschäftigt und dezidiert auslegt, wie es zukünftig nicht mehr sein kann, dann ist es nur klug und einfach folgerichtig, dass wir diese Rechtslage auch für die Zukunft anders festlegen, dass wir keine Arbeitspflicht für Sicherungsverwahrte aus reiner allgemeinpolitischer Ansicht festlegen. Ich stelle wieder einmal fest, die hessische SPD befindet sich dort ganz allein auf einem Sonderweg, wenn sie das immer noch fordert.
(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Geisterfahrer! – Gegenruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sagt der Richtige! – Zuruf des Abg. Alfons Gerling (CDU))
Das ist bedenklich. Es ist erstaunlich. Frau Kollegin Hofmann kann noch einmal erklären, warum das andere sozialdemokratische Justizminister nicht machen. Aber wenn die das nicht machen und Sie es hier fordern, dann kann ich nur sagen: Die hessische SPD befindet sich auf einem Sonderweg.
Das besonders Bedenkliche daran ist, wenn wir an die Zusammenarbeit mit dem Bundesland Thüringen denken: In ihrem Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz – oder wie es dort immer heißt – gibt es aus gutem Grund ebenfalls keine Arbeitspflicht. Ich kann nur sagen: Es wäre extrem unvernünftig, wenn wir uns jetzt auf einen Sonderweg der hessischen SPD einlassen und so etwas in unser Gesetz hineinschreiben würden. Der sozialdemokratische Justizminister in Thüringen ist auf dem richtigen Weg wie wir auch. Von daher ist es klug und richtig, dass wir die Regelung so treffen, wie wir sie treffen wollen.
Meine Damen und Herren, das Thema Sicherungsverwahrung ist nicht ganz einfach, vor allen Dingen, wenn wir uns betrachten – das ist ein Stück weit angeklungen –, dass wir es mit relativ schwieriger Klientel zu tun haben. Wir haben dort viele Menschen, die, auch nach Verbüßung der Haft, hochgefährlich und deswegen in Sicherungsverwahrung sind. Das macht niemand aus Vergnügen, und kein Richter ordnet das aus purer Langeweile an. Dessen müssen wir uns bewusst sein.
Das heißt, wir haben als verantwortliche Politiker vor allen Dingen den Auftrag, nicht nur die Sicherungsverwahrung richtig zu lösen und richtig im Sinne von möglichst viel Therapie für die zu regeln, die therapiert werden wollen, sondern auch für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen, weil wir gegenüber dieser einen Schutzauftrag haben.
Ich glaube, diese beiden Anliegen sind in unserem Gesetzentwurf sehr vernünftig geregelt; sie sind vernünftig austariert. In diesem Sinne kann ich Sie nur bitten: Geben Sie diese unbegründete Enthaltung auf, bekennen Sie sich vonseiten der Opposition dazu. Damit meine ich nur noch SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; die Fraktion ganz links von Ihnen lasse ich dabei außen vor. Stimmen auch Sie dem Gesetzentwurf zu. – Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Willi allein zu Haus!)
Danke schön, Herr Kollege Honka. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Hofmann von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nein, ich werde die LINKEN hier nicht außen vor lassen, sondern an der Frage noch einmal stellen. Der Wortbeitrag von Dr. Wilken hat deutlich gemacht, dass Sie glücklicherweise in der Frage hier im Hause alleine dastehen. Es ist abenteuerlich, was Sie eben vorgetragen haben.
Gefährlichste Menschen, von denen alle Gutachten sagen, sie sind so gefährlich, dass sie mit höchster Wahrscheinlichkeit wieder schwerste Straftaten verüben werden, sollen in Freiheit gelassen werden, aber dann machen wir etwas für die Opfer – das ist wirklich abenteuerlich und absolut inakzeptabel.
(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): Das ist absolut zynisch!)
Nun zur Sache zurück. In der Tat ist es so, dass das Bundesverfassungsgericht in einer bemerkenswerten Entscheidung vom 04.05.2011 einen Paradigmenwechsel in der Frage eingeleitet hat, wie Sicherungsuntergebrachte – ich verwende ausdrücklich diesen Terminus – in Zukunft untergebracht werden sollen, mit neuen Standards im Hinblick etwa auf die Therapie. Und das ist auch gut so. Nun beraten wir in zweiter Lesung, wie das Land Hessen diesen gesetzlichen Auftrag ausfüllt. Herr Paulus, ich weiß nicht, ob wir auf verschiedenen Veranstaltungen waren, weil Sie gesagt haben, das Gesetz sei auf positive Resonanz gestoßen.
Wir haben zahlreiche Anregungen aus der Anhörung aufgenommen, Sie wohl auch. Ich möchte mich noch einmal bei Ihnen bedanken. Nachdem wir einen Änderungsantrag zu diesem Gesetzentwurf vorgelegt haben, sind Sie auch in die Puschen gekommen und haben einige Änderungen in unserem Sinn aufgenommen. Ich weiß zwar, dass Sie zum Jagen getragen werden müssen. Aber das haben Sie auf jeden Fall gemacht.
(Lachen des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP) – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Dann können Sie ja zustimmen!)
Ich möchte fünf zentrale Punkte aus unserer Sicht benennen. In der Tat ist es aus der Anhörung ersichtlich geworden, dass wir nicht immer zwingend zwei Gutachter brauchen, um vollzugsöffnende Maßnahmen zu gewähren. Warum nicht? – Weil der Erkenntniszuwachs gering ist. Die Sicherungsuntergebrachten, die in der Einrichtung sind, sind forensisch schon sehr gut erfasst. Auch die Gutachten, die zurate gezogen werden, werden von der Anstalt selbst, dem Justizministerium und der Vollstreckungskam
mer überprüft. Außerdem birgt die Zweitbegutachtung die Gefahr in sich, dass Verzögerungen entstehen.
Meine Damen und Herren, schließlich kostet es unnötig Steuergelder, wenn wir das immer zwingend vorschreiben würden. Insofern haben wir jetzt eine vernünftige Regelung in unserem Änderungsantrag vorgeschlagen.