Protocol of the Session on January 31, 2013

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das Wort hat Herr Abg. Heinz für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben schon viel über die Bedeutung der Anhörungen und auch über die Auswertungen der Anhörungen im Landtag gehört. Ganz so einfach, wie es sich der eine oder andere Vorredner gemacht hat, kann man es sich nicht machen. Man kann sich nach einer Anhörung nicht einfach das herausgreifen, was einem gerade passt, und das, was einem nicht passt, einfach beiseite wischen.

(Beifall des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU) – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Herr Kollege Rudolph, nein, das machen wir nicht. – Wir hatten eine breit angelegte Anhörung im Landtag zu Ihrem Gesetzentwurf. Es ehrt Sie auch, dass Sie seinerzeit die Initiative ergriffen haben.

Wir haben diese Anhörung sehr genau ausgewertet. Die Position der Muslime war sehr differenziert. Es gab muslimische Verbände, die uns erklärt haben, eine Bestattung ohne Sarg sei gar nicht zwingend notwendig. Es gab andere Muslime, die andere Ansichten vertreten haben.

Wir haben aber auch die Kommunen angehört, die durch ihre Spitzenverbände vertreten wurden. Sie hatten zuvor intern eine Anhörung. Sie haben sich sehr genau überlegt,

was für die hessischen Städte und Gemeinden gut ist und was praktikabel ist.

Bei der Auswertung der Anhörung haben wir gesehen, dass die Kommunen sehr große Bedenken gegen Ihren Entwurf hatten, denn der sollte das ganze Land über einen Kamm scheren. Die Kommunen haben vorgetragen, eine solche Regelung sei nicht für das gesamte Land geeignet, und sie haben gebeten: Bitte, Landtag, suche eine Regelung, die auch zu uns passt.

Unser Entwurf, den wir in der vergangenen Plenarrunde eingebracht haben, sieht deshalb vor, dass eine Bestattung ohne Sarg dann und nur dann möglich sein kann, wenn die Kommune das wünscht und für angebracht hält. Wir setzen ein Stück mehr Freiheit dem Zwang entgegen, den Sie den Kommunen aufs Auge drücken wollen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Wir scheren das ganze Land eben nicht über denselben Kamm, sondern wir geben allen 426 hessischen Städten und Gemeinden die Möglichkeit, vor Ort zu beraten und zu entscheiden, was klug ist: ob man die bestehenden Ausnahmeregelungen noch ein wenig erweitern will und ob man auf örtliche Gegebenheiten Rücksicht nehmen kann. Ich bin mir ganz sicher, in den kommenden Monaten und Jahren werden sich viele Lösungen herauskristallisieren,

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Leute wissen doch nicht mehr, was eigentlich gilt!)

die den Musliminnen und Muslimen in Hessen weiter entgegenkommen werden.

Um noch etwas Versöhnliches zu sagen: Den Beratungen im Ausschuss entnehme ich, dass Sie sich vermutlich auch heute enthalten werden.

(Günter Rudolph (SPD): Wir sind konsequent!)

Wenn es so kommt, wie im Ausschuss votiert wurde, werden wir ab dem Inkrafttreten am 1. März in Hessen eine Regelung haben, die die Bestattung ohne Sarg grundsätzlich ermöglicht, die den hier lebenden Muslimen ein Stück weit entgegenkommt, die auch einen Beitrag zur Integration leisten wird – die aber auf der anderen Seite auch unseren Städten und Gemeinden nicht etwas aufbürdet, das wir ihnen nicht aufbürden wollen und können.

Deshalb kann ich das Fazit ziehen: Unsere Lösung ist praktikabel. Sie erweitert bestehende Ausnahmen. Sie ist kommunalfreundlich, und sie ist auch ein wichtiger und gelungener Beitrag zur Integration in unserem Land.

Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf von CDU und FDP heute zustimmen. Er wird zum 1. März in Kraft treten. Dann werden wir uns sehr genau anschauen, was die Städte und Gemeinden in Hessen damit machen. Ich bin fest davon überzeugt, viele werden diese neuen Möglichkeiten nutzen. Dann werden wir sehen, wie diese Angebote angenommen werden.

Wenn wir zu einem späteren Zeitpunkt wieder über diese Thematik hier sprechen, werden wir sehen, dass die Integration in diesem Land ein gutes Stück weiter vorangekommen ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. von Zech, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mir die schriftlichen Anhörungsunterlagen zu dem Friedhofs- und Bestattungsgesetz nochmals sehr genau angesehen und die Einwendungen, die dort, vor allen Dingen von der kommunalen Familie, gekommen sind, genau geprüft, und daraus werde ich gleich noch etwas zitieren.

Meine Damen und Herren, die muslimische Bevölkerung in Deutschland macht zurzeit ca. 5 % der Bundesbürger aus. Die Sterbefälle jedoch spiegeln diesen Anteil noch nicht wider. Zwar gibt es in Deutschland weit über 200 muslimische Grabfelder, meist auf kommunalen Friedhöfen, doch sind die Fallzahlen insgesamt gering.

(Gerhard Merz (SPD): Ja, und?)

Das liegt aber auch an der Tatsache, dass sich bis heute rund 90 % aller in Hessen und in Deutschland lebenden Muslime nach ihrem Tod in die Herkunftsländer überführen lassen.

Hierfür sehe ich zwei wesentliche Gründe. Zum einen besteht der Wunsch, dort begraben zu werden, wo man geboren wurde. Zum anderen findet das Begräbnis dort nach den eigenen kulturellen Riten statt.

Für die in zweiter, dritter und späterer Generation hier geborenen Muslime ist der erste Grund nicht mehr gegeben. Dennoch besteht der Wunsch, nach eigenen Glaubensregeln begraben zu werden.

In der Gesamtbetrachtung der Anhörung und insbesondere der Stellungnahmen der kommunalen Familie haben wir als Koalitionsfraktionen unseren Gesetzentwurf eingebracht. So soll es zukünftig den Gemeindevorständen gestattet sein, die sarglose Bestattung aus religiösen Gründen zuzulassen.

Der Hessische Städte- und Gemeindebund sprach sich bei dem Sargzwang für das bestehende Regel-/Ausnahmeverhältnis aus, wonach des grundsätzlich beim Sargzwang bleiben soll, es bei entsprechenden religiösen oder weltanschaulichen Gründen aber Ausnahmemöglichkeiten geben soll. Das entspricht sowohl einem klaren Bekenntnis zur eigenen Kultur als auch einem Ausdruck von Respekt und Toleranz gegenüber anderen Auffassungen.

Der Hessische Städtetag führte aus – ich zitiere –:

Mit einer ganz deutlichen Mehrheit stehen unsere Mitgliedskommunen dem Ansinnen, die Sargpflicht abzuschaffen, sehr kritisch gegenüber. Eine Bestattung ohne Sarg führte zu großen Schwierigkeiten in den Gemeinden.

Ich zitiere weiter:

Wie eine einwohnerstarke Mitgliedstadt mitteilt, ist derzeit keiner der Grabmacher bereit, eine Bestattung im Tuch durchzuführen. Als Hauptgrund werde die seelische Belastung angeführt.

Weiter wird dort ausgeführt:

Aus unserer Mitgliedschaft stammt der Hinweis, dass in unseren Regionen eher lehmige wasserhalti

ge und zum Teil sogenannte „bestattungsmüde“ Böden zu finden sind. Durch die Verwendung von Särgen zur Bestattung könne die Auflösung des Körpers beschleunigt werden. Während sich Körper, die direkt im Boden liegen, langsamer verändern, könne der Sarg die Zersetzung beschleunigen und damit zugleich der Bildung von Wachsleichen entgegenwirken.

Das war aus der Stellungnahme des Hessischen Städteund Gemeindebunds. Aus diesen Gründen sind wir davon überzeugt, dass die Entscheidung darüber, wo eine sarglose Bestattung durchgeführt werden kann, nur auf lokaler Ebene getroffen werden kann. Sollte es Muslimen nicht gestattet werden, in ihrem eigenen Gemeindegebiet nach ihren Gebräuchen eine Bestattung durchzuführen, dann gehen wir davon aus, dass eine Beerdigung in einer anderen Gemeinde oder Stadt, z. B. in eigenen Grabfeldern, möglich gemacht wird.

Wir werden diese Entwicklung und Handhabung beobachten, um zu sehen, ob hier eine Nachbesserung des Gesetzes erforderlich sein wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Schaus für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind der SPD dankbar für die Initiative, die sie ergriffen hat. Wir denken, damit hat sie ein wichtiges Thema angesprochen, ein Thema, bei dem es eigentlich notwendig wäre, dass möglichst viele Gemeinsamkeiten gesucht werden, statt das Trennende zu betonen.

In der Anhörung selbst haben sich sowohl die katholische wie auch die evangelische Kirche ebenso wie islamische Verbände für den SPD-Gesetzentwurf ausgesprochen. Auch wir unterstützen ihn. Im Gegensatz zu dem nachträglich eingebrachten Gesetzentwurf von CDU und FDP halten wir es für sinnvoll, dass in allen Gemeinden gleiche Regelungen bestehen und dass wir in unserer Verantwortung als Landesgesetzgeber darüber eine Entscheidung treffen.

Wir sind der Meinung, dass die Bedenken, die von den beiden Spitzenverbänden vorgetragen wurden – also vom Städtetag und vom Städte- und Gemeindebund –, eher mit der Umsetzung und mit den damit eventuell zusammenhängenden Kosten zu tun haben. Das ist nachvollziehbar und berechtigt. Dennoch sollten wir ganz bewusst nicht die Entscheidung in jede einzelne Gemeinde geben, um die Gefahr zu verhindern, dass dadurch vor Ort konträre oder vielleicht sogar kontroverse Diskussionen über dieses Thema stattfinden.

Zentraler Punkt für uns ist und bleibt aber, dass Ausnahmebestattungen von Muslimen, die in Deutschland gelebt haben, hier gestorben sind und hier beigesetzt werden sollen, zu erträglichen Kosten ermöglicht werden müssen. In diesem Sinne sprechen wir uns sehr dafür aus, dies auch als eine Integrationsaufgabe zu verstehen und zu behan

deln. Es ist wichtig, den SPD-Antrag zu unterstützen, der eine solch klare Regelung enthält.

Wir wollen in dieser Diskussion aber auch betonen, dass die Anregungen, die z. B. von der Ahmadiyya-Gemeinde – einer der beiden Partner bei der Umsetzung des Islamunterrichts – gekommen sind und die weitergehende Fragen im Hinblick auf die Ausrichtung der Gräber oder die Dauer der Liegezeiten ansprechen, gemeinsam in der nächsten Legislaturperiode diskutiert und angegangen werden sollten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat der Innenminister Boris Rhein.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will es ganz kurz machen. Es ist schon gesagt worden, was zu sagen war. Im Namen der Landesregierung schließe ich mich den Ausführungen von Herrn von Zech und von Christian Heinz an. Der entscheidende Unterschied – und das zeichnet diese Koalition aus – ist, dass wir den Gemeinden die Freiheit geben. Sie wollen sie zu einem Tun zwingen. Das ist der entscheidende Unterschied.

Die Regelungen und die Kompromisslösung, die wir gefunden haben, sind genau richtig, um denjenigen, die ihr Anliegen zu Recht vortragen und diese Regelung wünschen, gerecht zu werden.