Bevor wir in der Debatte fortfahren, begrüße ich auf der Tribüne unseren langjährigen Kollegen und Freund Walter Lübcke, den Regierungspräsidenten von Nordhessen. Herzlich willkommen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mich in dieser Debatte nicht mehr zu Wort melden. Ich habe es jetzt getan, weil ich den Antrag von CDU und FDP gelesen habe und kurz den Abs. 3 daraus zitieren möchte. Da heißt es:
Der Landtag stellt fest, dass der Jahrestag der Machtübernahme Mahnung und Verpflichtung ist, die politische Stabilität der Bundesrepublik Deutschland zu schützen und zu verteidigen sowie den politischen Extremismus rechter, linker oder islamistischer Prägung zu bekämpfen.
Meine Damen und Herren, ich halte diesen Absatz für hoch problematisch und möchte die Regierungsfraktionen darum bitten, darüber nachzudenken, ob sie diesen Absatz in diesem Haus wirklich so beschließen wollen. Linke und religiöse Minderheiten waren Opfer der Nazis. Ich halte es für grundfalsch, sie am Jahrestag in eine Reihe mit den Nazis zu stellen. Das halte ich für falsch und auch für geschichtsvergessen.
Ich warne vor dieser Gleichsetzung, weil sie historisch falsch ist, weil sie auch in der Gegenwart falsch ist und weil sie relativierend wirkt. Frau Kollegin Schulz-Asche hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der NSU – was uns alle schockiert hat – zehn Menschen ermordet hat, dass seit 1990 mindestens 180 Menschen durch rechte Gewalt ums Leben gekommen sind.
Das zeigt doch, von welcher Seite die Bedrohung für unsere Demokratie ausgeht. Wir haben mittlerweile teilweise verfestigte militante Nazistrukturen. Ich denke, dass sich Demokraten doch diesen Nazistrukturen geschlossen und gemeinsam entgegenstellen sollten, meine Damen und Herren.
Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Bedrohung durch die radikale Rechte sollte der Landtag diesen Absatz so nicht beschließen. Ich bin davon überzeugt, dass viele Mitglieder der Regierungsfraktionen diesem Absatz nicht mit gutem Gewissen und voller Überzeugung zustimmen werden können – das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Ich
Deswegen will ich sagen: Wir können dem Antrag von CDU und FDP sonst in Gänze zustimmen. Aber wir können diesem Abs. 3 nicht zustimmen, weil wir ihn für relativierend halten. Deshalb möchte ich Sie bitten, darüber nachzudenken, ob Sie diesen Abs. 3 wirklich so in dieser Form zur Abstimmung stellen wollen. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen. – Bitte sehr, Herr Kollege Schaus, zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident, entsprechend der Ansage unserer Fraktionsvorsitzenden beantrage ich, den Abs. 3 des Antrags der CDU und der FDP getrennt abzustimmen.
Danke sehr. – Dann können wir jetzt zur Abstimmung kommen. Ich rufe zuerst den Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 18/6889, auf. Wer ihm seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die LINKE. Dagegen? – CDU und FDP. Damit ist dieser Entschließungsantrag abgelehnt.
Dann rufe ich den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP auf. Das ist die Drucks. 18/6933. Hier ist gebeten worden, dass wir gesondert über den Punkt 3 abstimmen. Deshalb lasse ich zuerst über die Punkte 1, 2, 4, 5 abstimmen. Wer diesen Punkten seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist das ganze Haus.
Dann lasse ich über den Punkt 3 abstimmen. Wer gibt ihm seine Zustimmung? – Das sind CDU und FDP. Dagegen? – Das sind SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die LINKE. Dann stelle ich fest, dass der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der FDP zu den Punkten 1, 2, 4 und 5 einstimmig und zu Punkt 3 mit Mehrheit beschlossen wurde.
Dann rufe ich den Tagesordnungspunkt 68 auf, Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 18/6934. Wer stimmt zu? – SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die LINKE. Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – CDU und FDP. Damit ist dieser Antrag einstimmig beschlossen worden.
Nun hat sich der Kollege Bellino, der Geschäftsführer der CDU-Fraktion, nach § 88 unserer Geschäftsordnung zu Wort gemeldet zu einer Erklärung zur Abstimmung. Herr Kollege Bellino, Sie haben das Wort, maximal drei Minuten. Bitte sehr.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in weiten, wie ich meine, in sehr weiten Teilen
eine sehr würdevolle Diskussion dieses nicht einfachen, aber sehr wichtigen Tagesordnungspunktes erlebt.
Ich glaube, dass dies auch für das Haus spricht, dass wir unabhängig davon, wann Wahltermine sind, unabhängig davon, wie wir uns in anderen Themen streiten können, dann doch wissen, wann es sich gebührt, mit der entsprechenden Tonalität, mit der entsprechenden würdevollen Diskussionsführung und mit den richtigen Worten Zeichen zu setzen. Ich hoffe, dass uns dies auch außerhalb des Raumes gelungen ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir – CDU und FDP – haben uns zu dem Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN enthalten, da wir einerseits einen eigenen Antrag formuliert haben, der sich inhaltlich in weiten Bereichen mit dem deckt, was dort seitens der Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD präsentiert wurde, zum anderen aber uns nicht einigen konnten bezüglich eines gemeinsamen Antrags.
Wenn ich sage, das ist nicht gelungen, dann hat das nichts damit zu tun, dass wir unterschiedlicher Auffassung in der Würdigung oder, besser, in der Ächtung der dunkelsten Geschichte unseres Landes bezüglich unserer unvergessbaren Geschichte sind, sondern damit, dass wir uns an der einen oder anderen Stelle nicht einig waren, als es um den Blick auf die aktuelle Situation ging. Da ging es auch um den eben angesprochenen Abs. 3.
Es geht nicht um Linke oder Rechte. Es geht um Extremisten, egal aus welcher Ecke sie kommen. Darin wurden wir uns nicht einig. Wir haben gesagt, das ist aber für uns kein Anlass, gegen den Antrag von GRÜNEN und SPD zu stimmen, sondern, uns zu enthalten und unseren eigenen Antrag, der inhaltlich weite Teile des Hauses hinter sich weiß, entsprechend zu unterstützen, damit wir nicht in diese Diskussion hineinkommen, in die wir hätten hineinkommen können. Ich denke, dass es notwendig und sinnvoll war, dies in dieser Form kurz zu begründen. – Besten Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Bellino. Das war eine Erklärung zur Abstimmung nach § 88 unserer Geschäftsordnung.
Beschlussempfehlung und Bericht des Unterausschusses Datenschutz zu dem 40. Tätigkeitsbericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten (Drucks. 18/5409) Stellungnahme der Landesregierung betreffend den 40. Tätigkeitsbericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten (Drucks. 18/6553) – Drucks. 18/6759 zu Drucks. 18/5409 zu Drucks. 18/6553 –
Berichterstatter ist der Kollege Rudolph. – Es wird auf den Bericht verzichtet, und wir können beginnen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Akustisch bin ich verständlich, hoffe ich jedenfalls.
Für den Tätigkeitsbericht im öffentlichen Bereich hatte ich bislang zehn Minuten Redezeit. Da ich für den privaten Bereich mit berichte, müsste ich doppelte Redezeit beanspruchen. Das will ich Ihnen ersparen. Allerdings habe ich den öffentlichen Bereich in sieben Schritten präsentiert. Das heißt, ich benötige 14 Schritte – damit Sie sich psychisch darauf einstellen können, wie lange ich brauche. Ich habe mir 15 Minuten als Maximum gesetzt. Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden.
Als altgedienter Hochschullehrer weiß ich, dass die Aufmerksamkeit von Zuhörern bei maximal fünf Minuten liegt, wenn man den Stoff nicht mit lockeren Sprüchen aufpeppt. Das ist mir zur Gewohnheit geworden. Man hält mir deshalb bisweilen vor, dass ich meine Tätigkeitsberichte nicht seriös genug abliefere. Aber das wird von mir erwartet. Es wird zunehmend schwerer, diesen Erwartungen zu entsprechen. Meine Ausgriffe auf die Unterhaltungsbranche, auf den Pop-, Rock- und Schlagersektor stoßen auf Altersgrenzen.
Einerseits will ich Sie nicht mit mir vertrauter Musik, Filmtiteln oder Fernsehserien konfrontieren, die Sie gar nicht kennen können – einige von Ihnen doch, aber die meisten von Ihnen nicht. Andererseits fehlt mir der Bezug zu Rihanna oder zu Pink. Ich will nicht Fragen der Gegenwart mit Beispielen aus der Vergangenheit beantworten. Aber, Herr Wagner, weiterhin „Rock’n’Roll will never die“ – jetzt ist er leider nicht mehr anwesend, aber die Message wird er empfangen.
Vielmehr stecken auch im deutschen Schlager immer noch mehr Lebensweisheiten, als man ahnt. Daher habe ich die letzten 50 Jahre daraufhin untersucht, welches Lied jeweils am 30. Januar Platz 1 der deutschen Hitparade war und welche datenschutzrechtlichen Fragestellungen und Schlüsse für den Bericht daraus gezogen werden können.
Legt man § 23 Verwaltungsverfahrensgesetz zugrunde, wonach die Amtssprache Deutsch ist, war der Ertrag gering. Es gab überhaupt nur neun deutsche Titel, aber immerhin. Die habe ich als Muster genommen, um Schlüsse für den Datenschutz daraus zu ziehen.
Im weitesten Sinne datenschutzrechtlich relevant war der Kanzlersong „Gerd-Show“ von Elmar Brandt von 2002; Sie erinnern sich. Ob das aber eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts war oder ob es sich um eine erlaubte Satire im Licht der „Titanic“-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelte oder, noch besser, im Sinne des Bernd-Spier-Hits von 1964 „Das kannst Du mir nicht verbieten“, brauchen wir mangels Zuständigkeit nicht zu klären.
Ein vergleichbarer Sachverhalt spielte sich aber in Hessen ab – „Die Drei von der Lärmquelle“, eine Aktion der Frankfurter Flughafengegner, Sie erinnern sich –, und zwar am 19. Januar 2012. Auch hier mussten wir nicht tätig werden. Die Aktion wurde im vergangenen Jahr nicht an mich
herangetragen. Das spricht für die Toleranz der Betroffenen, die ich durch Nichteinmischung respektiert habe.
Was den schriftlichen Tätigkeitsbericht betrifft, so verweise ich zunächst auf die Kernpunkte. Das bedeutet nicht, dass die sonstigen Teile des Berichts weniger wichtig wären. Das mit dem Kern ist ohnehin so eine Sache. Mit kernigen Sprüchen ist man leicht bei der Hand, oder: Was dem Pudel sein Kern ist, ist dem Datenschutz sein Kernbereich privater Lebensgestaltung. Das ist der Bereich, wo die Menschenwürde unmittelbar und uneingeschränkt gilt. Dieser Kernbereich ist mir natürlich ebenso ein Anliegen wie dem Bundesverfassungsgericht, aber die Formulierung in der Abhörentscheidung vom 7. Dezember 2011 hilft, ehrlich gesagt, nicht sonderlich weiter.
Ich zitiere aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts – mal sehen, ob wir gemeinsam einen Schluss daraus ziehen können –:
Ob eine Information dem Kernbereich zuzuordnen ist, hängt davon ab, in welcher Art und Intensität sie aus sich heraus die Sphäre anderer oder Belange der Gemeinschaft berührt.