Protocol of the Session on January 30, 2013

Das sind Zahlen, die vom finanzpolitischen Sprecher der GRÜNEN auf Bundesebene kommen. Sie sehen daran, dass es für Ihr Herummäkeln überhaupt keinen Grund gibt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Nicht Mäkeln, Erfinden!)

Hessen ist in Sachen Bekämpfung der Steuerhinterziehung bestens aufgestellt, auf jeden Fall viel besser als zu Zeiten, als Sie regiert haben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Ihnen geht es um etwas ganz anderes. Sie wollen de facto davon ablenken, dass Sie durch Ihr destruktives Neinsageverhalten im Bundesrat das deutsch-schweizerische Steuerabkommen verhindert haben, ein Abkommen, das nicht nur Hessen 192 Millionen € gebracht, sondern auch die Kommunen finanziell gestärkt hätte und natürlich auch den Bund.

(Zuruf der Abg. Brigitte Hofmeyer (SPD))

Für viel schlimmer halte ich die entstandene Situation. Bei den Kapitaleinkünften haben wir in Deutschland die Quellensteuer eingeführt. Das heißt, derjenige, der in Deutschland Kapitaleinkünfte bei deutschen Banken hat, bekommt die Quellensteuer abgeführt. Mit dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen hätten wir die Möglichkeit bekommen, dass genau die gleichen Steuersätze bei Deutschen abgezogen worden wären, die entsprechende Gelder in der Schweiz haben.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Die SPD schützt die Reichen!)

Insoweit wäre das eine gerechte Möglichkeit gewesen. Im Übrigen hätte es dann auch überhaupt keinen Anreiz mehr für Deutsche gegeben, das Geld illegal in der Schweiz anzulegen; denn man hätte es in der Schweiz genauso zu versteuern wie in Deutschland. Das hätte bedeutet, dass viel Geld in Deutschland bleiben und damit zur Stärkung des Finanzplatzes in Frankfurt beitragen würde. Auch in der Hinsicht schaden Sie Hessen, Herr Schäfer-Gümbel.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Beste ist, dass in Ihrem Antrag, den Sie wahrscheinlich nicht mit Experten abgestimmt haben, steht, dass Sie die strafbefreienden Selbstanzeigen abschaffen wollen. Haben wir nicht vor Kurzem Debatten im Landtag gehabt, wo Herr Al-Wazir sich auf Aussagen des hessischen Finanzministers berufen hat, dass wir alleine in Hessen 4.000 Selbstanzeigen hatten und dass wir über 440 Millionen €

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wegen der Steuer-CDs, die Sie nicht kaufen wollten!)

sie sind gekauft worden, wie Sie wissen – dadurch eingenommen haben, und zwar wegen der Selbstanzeigen und nicht wegen der CDs?

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie sehen daran, dass das Instrument der Selbstanzeigen sehr nützlich ist. Tatsache ist doch, dass wir in der Schweiz über 400 Kreditinstitute haben. Wenn dann einmal von fünf Kreditinstituten CDs gekauft worden sind, können Sie doch nicht aus den CD-Daten die großen Steuereinnahmen generieren, sondern nur dadurch, dass Sie die Menschen verunsichern und dass es dann Selbstanzeigen gibt. Wenn Sie jetzt aber die Wirkung der Selbstanzeigen aufheben wollen, machen Sie auch diesen Weg kaputt. Auch in dieser Hinsicht schaden Sie Hessen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Schäfer-Gümbel, ich finde, es würde einem Sozialdemokraten gut anstehen, auch an die Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Finanzverwaltung zu denken. Von denen erwarten Sie doch, wenn weiterhin SteuerCDs angekauft werden, dass sie nach Schweizer Recht eine Straftat begehen. Wenn dann sie irgendwann einmal Urlaub in der Schweiz machen, werden sie dort strafrechtlich verfolgt. – Es hat auch etwas mit Fürsorgepflicht gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu tun. Auch in dieser Hinsicht schaden Sie Hessen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – La- chen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der größte Hohn, den wir hier erleben, ist doch, dass der Mann, der dem Finanzplatz Frankfurt schadet, der, wie er heute wieder einmal gezeigt hat, von Steuern nichts versteht,

(Lachen bei der SPD)

bei Steinbrück ausgerechnet der Finanzplatzexperte werden soll.

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Schäfer-Gümbel, es geht offensichtlich darum, dass sich die SPD als Volkspartei sehr breit aufstellt: auf der einen Seite Peer Steinbrück, ein Mann, der sich von Großindustrie, Banken und anderen für seine Reden viel Geld geben lässt, und auf der anderen Seite ein Schäfer-Gümbel, dessen Reden keinen Cent wert sind.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Caspar. – Für die Fraktion DIE LINKE hat sich ihr Vorsitzender van Ooyen zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Lieber Herr Caspar, ich bin es eigentlich gewohnt, dass Sie sehr vergesslich sind: Was geht mich mein Geschwätz von gestern an? – Wir haben es schon erlebt im Zusammenhang mit der Grunderwerbsteuer.

Gestern hatten wir beide ein Gespräch mit Steuerfahndern, die sehr eindeutig gesagt haben, dass sie gar nicht dazu kommen, alle Fälle, die sie bearbeiten, auch wirklich zu Ende zu bringen, also sehr offensiv. Deswegen hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie darüber nachdenken, wie wir die Steuerfahnder in die Lage versetzen können, wenigsten ihre Arbeit zu machen – aber nichts davon heute.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber lassen Sie mich zu dem Vorschlag der SPD kommen, der natürlich in den Wahlkampfgetümmeln, seit es klar ist, dass wir im September wählen werden, neu vorkommt. Meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich begrüße ausdrücklich, dass Sie sich nach einigem Nachdenken dazu entschließen, unsere Forderungen zu übernehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch in den Haushaltsberatungen hat es die SPD leider nicht geschafft, unserem Haushaltsantrag zur Einstellung von zusätzlich 100 Betriebsprüfern und Steuerfahndern zuzustimmen; Sie haben sich enthalten. Gleichzeitig hat aber die SPD einen Haushaltsantrag eingebracht, in dem sie Mehreinnahmen aus der Einstellung von immerhin 50 Betriebsprüfern bzw. Steuerfahndern schon einmal veranschlagt hat. Zufälligerweise haben wir genau die Zahl gefordert – nämlich 100 –, die sich nunmehr die SPD wünscht. Es wäre schön gewesen, wenn sich die SPD im Dezember unserem Antrag angeschlossen hätte, um die Steuerfahnder und Betriebsprüfer dann auch wirklich einzustellen.

Wie dem auch sei, die SPD fordert nun ein Aktionsprogramm für Steuergerechtigkeit. Dazu kann man nur sagen, dass dies in Hessen bitter nötig ist. Während rot-grüne, schwarz-rote und schwarz-gelbe Bundesregierungen in der Regel mit Zustimmung der Hessischen Landesregierung die angemessene und leistungsgerechte Besteuerung von großen Einkommen und großen Vermögen unterbunden haben, hat die Landesregierung es zudem versäumt, Steuerbehörden angemessen auszustatten, um Steuerbetrug wirksam zu bekämpfen. Die Politik der Hessischen Landesregierung war seit der Ära Roland Koch der Losung verpflichtet, die Armen ärmer und die Reichen reicher zu machen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Gehören Sie zu den Reichen oder zu den Armen?)

Ich gehöre zu den Ärmeren.

(Lachen bei der CDU und der FDP)

Herr Dr. Wagner, ich habe eine proletarische Vergangenheit. Ich stehe auch als angestellter Pädagoge dazu.

(Clemens Reif (CDU): Ein verarmter Honecker-Millionär!)

Auch wenn die Beschäftigten der Steuerbehörden – ich hatte das kurz erwähnt und darauf verwiesen, dass wir gestern das Gespräch hatten, Herr Caspar – zum Teil mit erheblichem persönlichem Engagement versuchen, Steuerehrlichkeit herzustellen, ist die hessische Steuerverwaltung an einer Kapazitätsgrenze angelangt.

Das hat ja der Finanzminister mittlerweile auch verstanden und zieht sogar in Betracht, Steuerfahnder wieder in den Landesdienst zu nehmen, die dereinst noch für verrückt erklärt wurden, nachdem sie Banken durchsucht hatten.

Verschärft wird die Belastung der hessischen Steuerverwaltung etwa dadurch, dass neue Besteuerungen von 60.000 hessischen Rentnerinnen und Rentnern anstehen oder auch die elektronische Lohnsteuerkarte zu mehr Aufwand führt. Der Landesverband Hessen der Deutschen Steuer-Gewerkschaft hat in einer Entschließung am 1. November 2012 erklärt, dass es bei den Beschäftigten der hessischen Steuerverwaltung als besonders verheerend empfunden wird, „dass trotz zusätzlicher Belastungen noch ein Stellenabbau wegen der ‚Schuldenbremse‘ betrieben wird“.

Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft geht davon aus, dass in Hessen mittlerweile ein Mehrbedarf von 1.200 zusätzlichen Beamtinnen und Beamten in der Steuerverwaltung besteht. Es ist also höchste Zeit, die Steuerverwaltung in

Hessen wieder in die Lage zu versetzen, Steuerehrlichkeit, aber auch Steuergerechtigkeit zu sichern.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn die SPD hier und heute einen Antrag stellt, bei dem sie ein Aktionsprogramm für mehr Steuerehrlichkeit fordert, ist das richtig und wichtig. Denn die Menschen in diesem Land haben zu Recht das Gefühl, dass man die Großen schont, wenn es um die Verfolgung von Steuerstraftaten geht.

Während etwa jeder Arbeitnehmer brav seine Steuern über die Lohnsteuerkarte abrechnet, unterschreibt die schwarzgelbe Bundesregierung mit Billigung der Hessischen Landesregierung ein Steuerabkommen mit der Schweiz, das es Steuersündern ermöglicht, weiter unerkannt zu bleiben.

(Ulrich Caspar (CDU): Jetzt ist es doch weiter so! – Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Jetzt werden sie überhaupt nicht verfolgt!)

Sie wollen die doch gar nicht verfolgen. Herr Müller, das glaubt Ihnen doch sowieso keiner.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Das ist unglaublich! – Gegenruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der gelbe Tinnitus! – Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Aber, das sage ich ausdrücklich, Steuergerechtigkeit und Steuerehrlichkeit sind zwei Seiten derselben Medaille. Beide sind die Grundvoraussetzungen für die Finanzierung des Staates aus Steuermitteln. In Deutschland wurde die Herstellung der Steuergerechtigkeit auf der einen und der Steuerehrlichkeit auf der anderen Seite in den vergangenen Jahren vernachlässigt.

Die Folgen sind die Finanznot öffentlicher Haushalte auf der einen und das Anwachsen privaten Reichtums einiger weniger auf der anderen Seite. Verantwortlich für diese Fehlentwicklung sind sowohl die Bundes- als auch die Landesregierung. Das schließt die SPD und die GRÜNEN mit ein, denn ausgerechnet die rot-grüne Bundesregierung war es, die unter Bundeskanzler Schröder massive Steuersenkungen durchsetzte.

Jetzt kommt Ihnen das vielleicht vor, als sei das alles ziemlich lange her. Aber tatsächlich stellt sich die Frage, was davon zu halten ist, dass die hessische SPD, ihrem Kanzlerkandidaten folgend, nun ein Aktionsprogramm für mehr Steuerehrlichkeit fordert. Ich habe mich da ein wenig gewundert, dass die SPD hier Vorschläge macht, die ausschließlich für mehr Steuerehrlichkeit sorgen sollen. Das ist, wie gesagt, zweifellos richtig. Aber es reicht nicht aus.