Zweitens. Sie haben gesagt, dass Sie sich auf Ihrem Bundesparteitag konkret mit dem Thema befasst und intensiv diskutiert haben. Nicht nur die GRÜNEN, sondern sehr viele Menschen außerhalb der CDU haben das mit großem Interesse beobachtet, was auf diesem Parteitag mit einem Antrag passiert, der fordert, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften im Steuerrecht gleichzustellen, und sich dafür ausspricht, die Familien in den Mittelpunkt des Steuerrechts zu stellen. Wir haben erlebt, dass dieser Antrag mit 60 % Neinstimmen und 40 % Jastimmen abgelehnt wurde. Das bedauern wir sehr. Gerade das spricht dafür, wie „intensiv“ Sie sich mit dem Thema befasst haben
Wir haben einen Antrag eingebracht, der in den Formulierungen mit dem Antrag identisch ist, der auf dem CDUParteitag gestellt wurde. Wenn Sie genau zugehört hätten, hätten Sie gemerkt, dass die Begründung, die ich in meiner Rede vorgelesen habe, die Begründung des Antrags auf dem CDU-Parteitag gewesen ist.
Wie gesagt, Sie haben, von daher gesehen, noch einen weiten Weg vor sich. Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich einige von Ihnen auf den Weg gemacht haben, dafür zu kämpfen, dass eingetragene Lebenspartnerschaften in unserer Gesellschaft nicht länger diskriminiert werden.
Schönen Dank, Frau Schulz-Asche. – Frau Kollegin Ravensburg hat jetzt die Möglichkeit, darauf zu antworten.
Sehr geehrte Frau Schulz-Asche, Sie verwechseln einen ganz wesentlichen Grundsatz des Steuerrechts mit Steuergerechtigkeit. Das Steuerrecht hat schon immer eine Privilegierung verschiedenster Gruppen vorgesehen, ohne dass damit automatisch – das möchte ich betonen – eine Diskriminierung der Nichtprivilegierten gemeint ist. Das hat mit diesem Einzelfall insofern zu tun, als auch er von diesem Grundsatz erfasst wird.
Wichtig ist uns bei der Steuergerechtigkeit, dass man nicht, indem man alle gleich behandelt, eine Benachteiligung der Kinder herbeiführt. Das geht nicht.
Aber wenn Sie uns unterstellen, wir würden mit Steuergerechtigkeit meinen, dass wir die gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften nicht gleichstellen, sage ich: Ich sehe das völlig anders. – Wir wollen Ehe und Familie über das Ehegattensplitting fördern. Wir wollen – das habe ich betont – dieses Ehegattensplitting weiterentwickeln. Wir überlegen uns – Sie sagen da nichts anderes –, es in Richtung Familiensplitting weiterzuentwickeln.
Ich habe in meiner Rede auch betont, dass wir die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den gleichge
schlechtlichen Lebenspartnerschaften ganz gelassen abwarten. Wir werden diese Entscheidung selbstverständlich in unser Konzept einbeziehen.
Dass auf dem Bundesparteitag der CDU über einen Antrag, in dem das Ehegattensplitting betont wird, entschieden worden ist, ist zutreffend. Aber auch dort steht die Förderung der Familien im Vordergrund. Dieser Antrag ist mit großer Mehrheit beschlossen worden: nicht gegen die Familien und gegen die Kinder, sondern für sie.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Ravensburg, das war wirklich ein beachtlicher Klimmzug, mit dessen Hilfe Sie uns eben erklären wollten, dass Gleichbehandlung Ungleichheit und irgendwie auch Nichtgleichheit bedeutet.
Ihren Hinweis auf den Mittelweg fand ich allerdings außerordentlich interessant. Herr Kollege Merz und ich haben uns die ganze Zeit überlegt, wie denn nun ihr Mittelweg bei der Besteuerung von Familien und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aussieht: Wahrscheinlich würde der Kompromiss darin bestehen, dass ein schwuler Mann eine lesbische Frau heiratet.
Tatsächlich ist die Besteuerung von Familien und Ehepaaren dringend überprüfungsbedürftig; denn unser Steuersystem beruht an dieser Stelle auf dem wirklich überholten Familienbild vom männlichen Haupternährer und der weiblichen Zuarbeiterin. Wenn Sie sich anschauen, wie junge Leute in diesem Land ihr Leben gestalten wollen, und wenn Sie nachlesen, was die verehrte Frau Staatssekretärin Müller-Klepper – leider ist sie nicht da – uns heute Morgen in der Presse über neue Väter und neue Familienstrukturen mitgeteilt hat, erkennen Sie, dass ein Steuersystem, das auf dem Bild vom männlichen Hauptverdiener und der weiblichen Nebenbeiarbeiterin beruht, aus der prähistorischen Mottenkiste stammt.
Dann braucht man – da kann ich auch den GRÜNEN nicht folgen – eine Reform des Ehegattensplittings, die Kinderund Familienzeiten, aber genauso Pflegezeiten adäquat berücksichtigt. Familie ist da, wo Menschen füreinander einstehen: für Jüngere oder für Ältere. Man braucht auch eine vernünftige Entlastung, was die Kinder betrifft, aber nicht über die Steuer; denn ein Chefarztkind ist, ehrlich gesagt, nicht mehr wert als das Kind einer Putzfrau.
Vielmehr brauchen wir ein neues, faires Kindergeld, das die Kinder gleich behandelt, sich steigenden Einkommen anpasst – es muss also insgesamt gestaffelt sein – und gerade bei armen Kindern für angemessene Korrekturen sorgt. Wir wissen, dass auch die letzte Reform des SGB II
an dieser Stelle auf größte verfassungsrechtliche Bedenken stößt. Da gäbe es allerdings eine Menge zu tun. Aber darum geht es hier gar nicht.
Was die Gleichbehandlung von homosexuellen und lesbischen Partnerschaften betrifft, kann man feststellen, die CDU befindet sich noch in den Fünfzigerjahren. Vielleicht kennen Sie diese hübsche Anekdote von Adenauer: An Adenauer wurde die Bitte herangetragen, er möge den Außenminister von Brentano entlassen; denn schließlich sei dieser homosexuell. Adenauer antwortete, er sehe dazu überhaupt keinen Anlass, bei ihm habe von Brentano es noch nicht versucht.
Diese Haltung – historisch heiter – weist vor allen Dingen auf eine Toleranz der Verdrängung ins Unsichtbare. So versuchen Sie mit letzter Kraft, die Bastionen der Fünfzigerjahre zu erhalten. Wenigstens bei der steuerlichen Behandlung sollen gleichgeschlechtliche Partnerschaften irgendwie noch einmal ins Abseits gedrängt werden. Meine Damen und Herren, Sie sind noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Das ist das eigentliche Problem.
Das ist doch der eigentliche Gegenstand der Debatte, abgesehen von der fiskalischen Erwägung. Da würde mich sehr interessieren, wie viele Fälle es nach der Einschätzung des Herrn Finanzministers in Hessen gibt, in denen homosexuelle Partner auf die Steuerklassen 3 und 5 kommen. Ich halte das für eine Rarität. Wie viele gleichgeschlechtliche Paare gibt es überhaupt, bei denen ein Partner arbeitet und den anderen vollständig versorgt? Das kommt gar nicht vor. Unter fiskalischen Aspekten ist das eine völlige Scheindebatte.
Deshalb sage ich: Es geht in der Union um einen Kulturkampf. Wenn man am Abgrund steht, werden auch die inneren Schlachten heftig. Genau das beobachten wir an dieser Stelle. Heute Morgen konnten wir eine Reihe von Beispielen dafür sehen.
Man könne feststellen, dass in der Union ein „konservatives Rebelliönchen“ gestartet ist, schreibt die „Zeit“, als Teile der Union an ganz vielen Stellen versuchen, wieder einen Rechtsruck in Gang zu bringen, in der Hoffnung, die Substanz irgendwie zu erhalten. „Fünf Herren mittleren bis gehobenen Alters, gekleidet in dunklen Zwirn mit farbenfroher Krawatte“ versuchen, die Union wieder auf Kurs zu bringen, weil sie Angst vor einer Sozialdemokratisierung ihrer Partei haben.
Allerdings hat sich der CDU-Parteitag einen Bärendienst erwiesen, als er zu genau dem Ergebnis kam. Das hatte eine ausschließlich symbolische Bedeutung. Um nichts anderes ging es. Es ging um die Frage, ob man in den konservativen Mief der Bonner Republik der Fünzigerjahre zurückwill oder ob sich die Union auf den Weg in eine moderne, zukunftsfähige Gesellschaft macht. Genau darum ging es.
Herr Dr. Wagner, meinen Glückwunsch: Diesmal hat es geklappt. Ob es Ihnen etwas nutzt, die Union zu einem Rechtsruck zu bewegen, sei dahingestellt. Roland Koch war es, der uns mit der Aussage beglückt hat, dass Konservative in der Union zwar nicht heimatlos, aber planlos seien. Das haben wir bei den Vorstellungen der Konzepte des Berliner Kreises auch gemerkt.
Meine Damen und Herren, wer die Großstädte verliert, wer eine innere Debatte darüber führen muss, ob er überhaupt noch dort vorkommt, wo man den Puls der Zeit spürt, und wer eine Landeshauptstadt nach der anderen und auch die Oberbürgermeisterpositionen verliert – die letzte Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt war außerordentlich „erfolgreich“; ich spreche dem Herrn Innenminister noch einmal mein herzliches Mitgefühl aus –, müsste anfangen, darüber nachzudenken, an welcher Stelle der gesellschaftlich-kulturellen Auseinandersetzungen er sich befindet. Das allerdings hat die Union verpasst.
Meine Damen und Herren, ich könnte mich jetzt darüber freuen, auf welchem Weg ins Abseits sich die Union befindet.
Aber der Verlust großer konservativer Volksparteien ist nicht ungefährlich. Das haben wir am Beispiel der Democrazia Cristiana in Italien gesehen.
Deshalb wünscht man sich eine Regeneration der konservativen Parteien. Man hofft, dass sie sich zusammenraufen und sich regenerieren. Die Opposition ist eine gute Zeit dafür. Ab dem nächsten Jahr haben Sie dazu Gelegenheit. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wünschen Ihnen eine gute Genesung.
(Beifall bei der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Das sagen Sie seit zehn Jahren! – Holger Bellino (CDU): So ein Clown! – Weitere Zurufe von der CDU)
Schönen Dank, Herr Kollege Spies. – Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Schott das Wort. Bitte schön, Frau Schott.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe hier heute mehrfach, insbesondere bei Frau Ravensburg, in einem Atemzug Ehe und Familie gehört, und dass sie unter dem besonderen Schutz stehen. Ich denke, historisch ist das begründet. Es gab eine Zeit, in der Familien so begründet waren, dass es überwiegend einen Familienernährer gab und in der Regel die Frau für die Erziehung der Kinder zu Hause zuständig war. Aus dieser Zeit stammt dieses Bild.
Aber dieses Bild hat mit unserer Gegenwart nur noch bedingt etwas zu tun. Es gibt doch neben dieser Form viele andere Formen. Es gibt, Gott sei Dank, in Familien jede Menge Frauen, die Kinder haben und trotzdem erwerbstätig sind. Es gibt jede Menge Menschen, die in anderen Lebenszusammenhängen als in Familien leben und trotzdem Kinder haben, und es gibt Menschen, die miteinander verheiratet sind und keine Kinder haben, klassisch Ehe.
Es wird definiert: Die Ehe ist eine Wirtschaftsgemeinschaft. – Das ist sicherlich richtig. Denn wo auch immer ich hingehe und etwas einkaufe, was ich für das tägliche Leben brauche, und sei es eine Dose Gemüse, kaufe ich eine große Dose preiswerter als zwei kleine. Das heißt, die Wirtschaftsgemeinschaft Ehe ist in vielerlei Hinsicht schon im Vorteil. Warum die Wirtschaftsgemeinschaft Ehe auch
noch steuerlich bevorteilt werden muss, erschließt sich mir nicht. Ich habe auch noch keine Begründung dafür gehört.
Ich sehe Ihr Kopfschütteln und Ihr Lachen. Aber Sie haben es mir bislang nicht erklärt. Sie haben immer Ehe und Familie in einem Atemzug genannt und gesagt, 70 % der Kinder werden in Familien großgezogen. Das bestreite ich gar nicht. Aber wie viel Prozent der Ehen sind über lange Jahre kinderlos, entweder vor dem Kinderhaben, oder wenn die Kinder erwachsen sind, oder während der gesamten Ehezeit? Warum sollen wir diese Ehen steuerlich begünstigen? Das erschließt sich mir nicht.
Da steht, dass die Ehe unter einem besonderen Schutz steht. Da steht nicht: „Die Ehe ist steuerlich zu begünstigen“, um auf den Zwischenruf von der Regierungsbank zu antworten. Es steht nicht in unserem Grundgesetz, dass wir die Ehe schützen müssen, indem wir sie steuerlich begünstigen.
Dann habe ich im Zusammenhang mit dieser Diskussion solche Worte gehört, wie: Es muss ein Abstandsgebot zwischen Familie und anderen Lebenspartnerschaften geben. – Warum haben wir denn andere Lebenspartnerschaften – ich sage in Anführungszeichen – erfunden?