Protocol of the Session on December 12, 2012

(Beifall bei der LINKEN – Alexander Bauer (CDU): Man muss Unsinn auch Unsinn nennen dürfen! – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Jetzt möchte ich noch zwei Anmerkungen zu den Abstrusitäten machen. Ich habe mit großer Verwunderung zur Kenntnis genommen, dass sich die anderen Fraktionen in diesem Hause darüber streiten, wie der Verfassungsschutz besser zu kontrollieren sei: über ein Gesetz oder über eine Geschäftsordnung.

Entschuldigen Sie bitte, nehmen Sie zur Kenntnis, ein Geheimdienst ist nicht zu kontrollieren. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass, wenn bei einem Auto der Motor streikt, es nicht hilft, wenn ich die Warnblinkanlage austausche. Nehmen Sie bitte – das ist mein letzter Gedanke – bei den Abstrusitäten auch zur Kenntnis, dass der Streit darüber, dass ich ein Telefon nicht mit in einen Raum nehme, weil darüber eventuell abgehört wird, dieser Raum aber nicht abhörsicher ist, nun wirklich eine der größten Abstrusitäten in dieser Diskussion darstellt.

Meine Damen und Herren, so geht das nicht. Der Verfassungsschutz gehört abgeschafft. Er kann nicht kontrolliert werden. – Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Dr. Wilken. – Zur Geschäftsordnung, Herr Rudolph.

Frau Präsidentin, wir bitten, das Protokoll auch im Hinblick auf die vermeintlichen Äußerungen des Ministers gegenüber Parlamentariern auszuwerten, ob diese den parlamentarischen Regeln und Gebräuchen entsprechen.

Herr Kollege Rudolph, das werden wir tun. Das habe ich vorhin auch so verstanden. Danke schön.

Als nächster Redner hat sich Herr Kollege Al-Wazir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort für fünf Minuten.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir die ganze Debatte aufmerksam angehört. Ich habe mich während dieser Debatte daran erinnert, dass wir uns vor einem Jahr in diesem Parlament in einer, wie ich damals empfand, leider etwas späten, aber dafür immerhin guten Debatte Gedanken über die Frage gemacht haben: Was muss unsere Lehre aus der Mordserie durch Neonazis und dem offensichtlichen Versagen aller Sicherheitsbehörden über einen Zeitraum von zehn Jahren sein?

Herr Staatsminister Rhein, Sie haben recht: Sie haben gesagt, wir müssen daraus Lehren ziehen. Herr Kollege Greilich, selbst Herr Hahn hat bei der Eröffnung des Halitplatzes gesagt, er entschuldigt sich für das offensichtliche Unvermögen der staatlichen Stellen, diese Mordserie zu stoppen. Ich wundere mich, dass wir in diesem Hause ausgerechnet vom Kollegen Fraktionsvorsitzenden der FDP dreimal hintereinander gesagt bekommen: In Hessen war alles in Ordnung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Günter Rudolph (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nein, auch in Hessen war nicht alles in Ordnung. Kassel liegt übrigens in Hessen.

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Betrachten wir uns die Rückschau. Herr Rhein, Sie haben gesagt, man soll Ihnen an einem Punkt sagen, wo irgendetwas nicht funktioniert hat. Das kann ich Ihnen ziemlich genau sagen, nämlich an dem Mordfall in Kassel, Herr Staatsminister Rhein.

(Günter Rudolph (SPD): Vielleicht können wir die Mitarbeitergespräche dort unterbinden!)

Einen Moment, bitte. – Bitte auf der Seite links von mir an der Regierungsbank etwas mehr Ruhe und bitte keine Gespräche.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist eine Unverschämtheit!)

Herr Rhein, Sie haben vorhin gesagt, man solle Ihnen sagen, an welchem Punkt die parlamentarische Kontrolle nicht funktioniert hat. Das kann ich Ihnen sagen: an genau dem Punkt. Genau darüber reden wir auch.

Ich war damals Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission. Günter Rudolph war der Vorsitzende. Wir haben damals aus der Zeitung erfahren, dass gegen einen hauptamtlichen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes ein

schwerwiegender Vorwurf erhoben wurde und ein Ermittlungsverfahren läuft. War das aus Ihrer Sicht in Ordnung? Das war damals ein Punkt, über den sich sogar Herr Hahn gegenüber dem damaligen Innenminister richtig aufgeregt hat, nach dem Motto, wann aus Sicht der Regierung ein schwerwiegender Punkt erreicht sei, wo man die Kontrolleure informieren muss: „Wir haben da ein Problem“. Darauf wurde mir gesagt: Du hast ja nicht gefragt.

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Soll ich denn jeden Tag da anrufen und fragen: Ist gerade jemand von euch verhaftet worden?

(Günter Rudolph (SPD): Gibt es etwas Neues?)

Ist das Ihre Vorstellung, wie die parlamentarische Kontrolle funktionieren soll?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wir haben im Nachhinein erfahren – auch das im Nachhinein –, dass offensichtlich zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Polizeipräsidium eine Art Kleinkrieg über die Frage geherrscht hat, wer wann welche Aussage macht, wer vernommen wird, wer Zeuge wird oder wer nicht. Herr Greilich, ist das aus Ihrer Sicht alles in Ordnung? War das alles in Ordnung, was wir da erfahren haben?

(Günter Rudolph (SPD): Bei ihm ist immer alles in Ordnung!)

Schauen wir uns einmal an, wer welche Sicherheitseinstufung verloren hat. Da war selbst Herr Rhein nachdenklicher als Sie, Herr Greilich. Er hat nämlich die Frage gestellt: Wie bilden wir eigentlich Verfassungsschützer aus?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Ul- rich Wilken (DIE LINKE))

Wie wählen wir die eigentlich aus? – Ist denn aus Ihrer Sicht jetzt alles in Ordnung in Hessen? – Herr Greilich, nein, es ist leider nichts in Ordnung.

Eine Frage generell. Schauen wir uns an: Gegen wen wurde da ermittelt? Wie hieß diese Mordserie intern? Wie hießen die Sonderkommissionen? Welche Vorurteilsstruktur hat bei den ermittelnden Beamten bestanden? – Auch das ist eine Frage, die müsste alle, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, umtreiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Da kann man sich nicht hierhin stellen und sagen: „Es war alles in Ordnung“.

Wenn dann im Ergebnis unter anderem herauskommt, dass man hier allen Ernstes in ein paar Minuten ein Gesetz verabschieden will, wonach Abgeordnete ihre Notizen nicht mehr mitnehmen dürfen, sondern bei der Landtagskanzlei abzugeben haben – immerhin müssen sie nicht mehr vernichtet werden; das war Ihre erste Idee –, dann muss ich Ihnen sagen: Was ist bloß aus der FDP geworden?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Al-Wazir. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Faeser von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin Faeser.

Danke schön, Frau Präsidentin. – Ich möchte daran anknüpfen. Es war nicht nur Herr Greilich, der heute in der Debatte gesagt hat, dass in Hessen keine Fehler gemacht wurden, sondern es war auch der Ministerpräsident.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vor dem Untersuchungsausschuss!)

Der Ministerpräsident dieses Landes hat vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin vor wenigen Wochen gesagt: Wir haben in Hessen keinerlei Fehler gemacht.

(Günter Rudolph (SPD): Was für eine Selbstgefälligkeit!)

Was ist das für eine selbstgefällige Einschätzung bei diesem Thema? Der Innenminister hat sich hierhin gestellt, sich entschuldigt und gesagt: „Natürlich haben auch wir Fehler bei der Aufklärung gemacht.“ Was führt eigentlich dazu, dass der Ministerpräsident bis heute sagt: „Es wurden keine Fehler gemacht“?

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Wie wirkt das auf die Familie der Opfer, dass der Ministerpräsident dieses Landes sich mit seiner Arroganz hinstellt und behauptet, hier wären keine Fehler gemacht worden, obwohl jahrelang nichts aufgeklärt wurde, auch in Hessen nicht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da wäre etwas Demut angebracht. Herr Innenminister, vielleicht sollten Sie mit Ihrem Ministerpräsidenten einmal darüber reden, was alles falsch gemacht wurde.

(Günter Rudolph (SPD): Der Kontakt ist nicht mehr so eng!)

Ich finde es mittlerweile auch nicht mehr lustig – Herr Innenminister, das sage ich Ihnen auch ganz offen –, wenn Sie sich hierhin stellen und dem Kollegen Frömmrich sagen, er hätte hier die Unwahrheit behauptet.

(Minister Boris Rhein: Das habe ich nicht gesagt!)

Ja, Sie haben gesagt, es wäre auch gut, wenn es protokolliert wird. Dann könne Herr Frömmrich nicht mehr falsche Sachen daraus zitieren.

(Minister Boris Rhein: Das habe ich anders formu- liert!)