Herr Merz, ich will Sie wirklich nicht persönlich attackieren. Das ist nicht mein Anliegen. Deshalb habe ich auch gewürdigt, dass Sie sich am Ende über Prioritäten unterhalten. Das akzeptiere und respektiere ich.
Es ist aber nicht in Ordnung – da stehen Sie leider in einem Zusammenhang mit der Bundes-SPD –, wenn von dort und von Ihrem gewählten Kanzlerkandidaten gesagt wird
natürlich steht das in einem Zusammenhang –: „Das Betreuungsgeld ist schwachsinnig“, und wenn Sie das mit Ihren Formulierungen unterlegen, es sei bildungspolitisch, integrationspolitisch, frauenpolitisch, arbeitsmarktpolitisch und sonst wie politisch falsch. – Sie machen einen Rundumschlag mit einer inhaltlichen Logik,
die bedeutet: Es ist nicht richtig, wenn Kinder über das erste Lebensjahr hinaus der Bildung ferngehalten werden. Bildung kann am besten und am sichersten in vermeintlich professionellen Kinderbetreuungseinrichtungen stattfinden. – Das ist das, was Sie insinuieren.
Sie stellen implizit all diejenigen Eltern als potenziell verantwortungslos dar, die einen anderen Weg beschreiten.
(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Unsinn! Frechheit!)
Das ist die Konsequenz aus Ihrer Argumentation. – Ich muss leider zum Schluss kommen. Ich akzeptiere auch, dass zehn Minuten nie ausreichen, um eine Debatte in aller Differenziertheit zu führen. Ausdrücklich erkenne ich Ihr persönliches Bemühen dazu an. Aber Ihre Anträge müssen Sie schon so stehen lassen, wie Sie sie formulieren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Wiesmann, Sie bringen hier doch jedes Mal dieselbe Leier, wenn wir dieses Thema haben.
Sie sagen: Wir wollen Wahlfreiheit. Die garantieren wir mit den 100 €. Wir tun ganz viel für Kinder. – Nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, dass sich die CDU mitsamt der CSU in dieser Frage gesellschaftlich vollständig isoliert und komplett ins Abseits gestellt hat.
Das ist überhaupt kein Quatsch. Sie sind offensichtlich des Hörens nicht mehr mächtig. Denn es gibt keine relevante gesellschaftliche Kraft außer der CDU und der CSU,
die uns erklärt, es sei eine tolle Idee, 100 € Herdprämie zu bezahlen. Jetzt können Sie wieder sagen: „Na, Sie haben mit der GEW geredet, und die schreiben Ihnen die Rede.“ Nein, fragen Sie doch einmal die, für die Sie meistens in diesem Land stehen, für die Sie immer wieder Politik machen. Es gibt im Wirtschaftsforum Mittelstand einen Artikel. Den könnte man hier als Rede zu dem Thema halten. Darin wird Ihnen dezidiert auseinandergesetzt, warum das Betreuungsgeld absolut kontraproduktiv ist.
Darin wird Ihnen dezidiert erklärt, dass wir damit einen gesellschaftlichen Rückschritt machen, dass wir damit weder die Fragen auf dem Arbeitsmarkt lösen noch die Fragen der Chancengleichheit unserer Kinder in der Zukunft, dass es sich in jedem Fall rechnet. Das sagt das Wirtschaftsforum Mittelstand.
Ich kann Ihnen gerne auch noch den Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertags zitieren. Der erklärt es Ihnen nämlich auch noch einmal. Er ist nun wahrhaftig nicht im Verdacht, uns nahezustehen oder wir ihm. Finden Sie eine gesellschaftlich relevante Kraft, die sagt, das, was Sie da machen, ist eine gute Idee? Nein, Sie gehen mit dem Kopf durch die Wand,
ohne ein bisschen beratungsfähig zu sein, vollkommene Resistenz. Jeder sagt Ihnen: Lassen Sie es, lassen Sie es, lassen Sie es. Es bringt nichts. Wir wollen es nicht.
Die Eltern, die Gewerkschaften, die Arbeitgeberverbände, alle sagen Ihnen unisono: Es ist rückwärtsgewandt und nicht sinnvoll. – Aber Sie machen es doch. Ich sage Ihnen auch, warum. Sie machen es doch, weil Sie sich selbst in eine Situation gebracht haben, dass Sie ein Gesetz geschaffen haben, das ich erst einmal gut finde, das Sie aber nicht erfüllen können. Da Sie feststellen, dass Sie es nicht erfüllen können, suchen Sie verzweifelt nach einem Notausgang. Ich sehe im Moment zwei Notausgänge. Der eine ist
Der andere ist aber ein noch viel schlimmerer. Der andere ist nämlich der, dass die Kommunen in der Zwischenzeit aufgrund ihrer Finanzlage nicht mehr in der Lage sind, für Kindergarten-, Kinderbetreuungs- und Krippenplätze zu sorgen, und deswegen die Gebühren in die Höhe schnellen. Wer kann sich bei den Preisen denn in Zukunft überhaupt noch eine Kinderbetreuung leisten? Da kommen Ihre 100 € natürlich recht. Denn wenn ich rechne, ich brauche 500 € für einen Betreuungsplatz – das ist keine unrealistische Zahl –, und ich bekomme 100 €, wenn ich zu Hause bleibe, dann sind das unter dem Strich 600 €, die es mir einbringt, wenn ich mein Kind selbst betreue und es nicht in eine Krippe gebe. Das kann doch nicht die Argumentation sein. Das kann doch nicht der Weg sein, wie wir für die Bildung unserer Kinder sorgen. Das kann auch nicht der Weg sein, wie wir für die Emanzipation unserer Frauen sorgen.
Da schlagen Sie mit den Händen auf den Tisch und verdrehen die Augen. Das ist die Realität. Gehen Sie doch einmal los und schauen Sie sich an, was in Fulda los ist – da wird über Krippenpreise diskutiert –, was in Bad Vilbel los ist – da waren die Eltern schon auf der Straße. Sehen Sie sich die Diskussion an, die in Kassel geführt wird.
(Bettina Wiesmann (CDU): Elternarbeit hat einen Wert! – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE): Aber mehr als 100 €!)
In Hessisch Lichtenau sind wir in der Zwischenzeit so weit, dass die Kommune sagt: Wir müssen die Kindergärten privatisieren, weil wir das überhaupt nicht mehr gestemmt bekommen. – Das ist das, was bei der Politik herauskommt, wie sie hier gemacht wird. Denn die Förderung ist eben nicht so, wie sie notwendig ist. Die Kommunen werden damit alleingelassen, weil Sie sich zurücklehnen. Ich möchte hier gar nicht im Detail an unserer Große Anfrage erinnern, weil Sie sich zurücklehnen und sagen: „Es geht uns eigentlich nichts an. Es ist eine Sache der Kommunen.“ Das ist verantwortungslos. Sich dann hierhin zu stellen und zu sagen, wir hätten ein Bild, dass Kinder grundsätzlich öffentlich erzogen werden müssten, und wir sprächen Familien, Eltern, Müttern, Vätern die Fähigkeit und den Willen ab, das zu tun, das ist eine unverschämte Verdrehung.
Ich höre bei den Diskussionen, die wir hier zu dem Thema führen, sehr genau zu. Ich habe noch von niemandem auch nur eine einzige Äußerung in die Richtung gehört, die da sagt: Wir müssen dafür Sorge tragen, dass Kinder früh in Einrichtungen kommen, weil die Eltern das nicht können. – Das hat hier niemand gesagt. Im Gegenteil, es ist Ihnen immer wieder gesagt worden, dass das nicht unsere Position ist. Das ignorieren Sie aber schlichtweg. Die Ignoranz in dieser Diskussion ist unerträglich.
„Das Betreuungsgeld ist eine überflüssige Ausgabe und setzt falsche Anreize.“ Die Maßnahme werde „dazu führen, dass gerade Familien aus bildungsfernen Schichten die Möglichkeiten einer Kinderbetreuung und damit einen ersten Baustein frühkindlicher Bildung nicht in Anspruch nehmen“, …
Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat gezeigt, dass sich Investitionen in die Kinderbetreuung auch für den Staat rentieren. Durch die zusätzlichen Steuereinnahmen der dann arbeitenden Mütter, geringere Sozialausgaben sowie sinkende Kosten für die Nachqualifizierung des Nachwuchses aufgrund der frühkindlichen Förderung werden die Mehrausgaben bis zum Jahr 2035 gedeckt sein. Langfristig könnte sogar eine Bildungsrendite von mindestens 5 % erzielt werden. – Nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, was Ihnen die Institute, die Fachleute und die Menschen darum herum sagen.
Dann kommt immer diese Geschichte mit den Erzieherinnen, die wir nicht haben und die nicht ausreichend vorhanden sind. Auch darüber haben wir hier schon mehrfach gesprochen. Sie haben vorhin gesagt: „Wir sind losgegangen, und wir haben das Ziel noch nicht erreicht.“ Ich finde, das machen Sie sich ziemlich einfach. Denn das Ziel ist schlicht und ergreifend ein Gesetz. Das ist zu erfüllen. Ende der Ansage. Dann muss man doch auch ein bisschen vorher losgehen und über die Richtung nachdenken. Das war in den vergangenen Jahren aber eine ganz andere Richtung.
Jetzt sind Sie losgegangen und haben das Ziel noch nicht erreicht. Wenn ich mir anschaue, dass wir nach wie vor die Situation haben, dass junge Menschen Schulgeld bezahlen, damit sie Erzieherin oder Erzieher werden können, dann zeigt das doch, dass die ein so hohes Interesse an diesem Beruf haben, dass sie sogar dazu bereit sind. Dass wir noch mehr junge Menschen finden würden, wenn wir mehr Ausbildungsplätze hätten, die nicht auch noch gebührenpflichtig wären, wäre auch nicht ganz außer der Welt. Tatsache ist, dass wir jedes Jahr 20 % gut ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher verlieren, weil die Arbeitsbedingungen so sind, dass sie im ersten Jahr nach der Ausbildung gehen. Das müssen wir uns einmal überlegen: Da verlieren wir so viele gut ausgebildete junge Menschen, die wir dringend brauchen. Das heißt, Sie als Regierung müssten doch an erster Stelle einmal darüber nachdenken: Wie kann ich das verhindern, und was muss ich dafür tun?
Ich kann nicht sehen, dass Sie an irgendeiner Stelle einmal gesagt haben: Wir haben dies und jenes getan, um die Arbeitsbedingungen von Erzieherinnen und Erziehern, dazu gehört auch ihr Einkommen, so zu beeinflussen, dass die möglicherweise nicht schon im ersten Jahr gehen. – Dann wären wir einen ganzen Schritt weiter. Genau das geschieht eben nicht. Ich finde, sich hierhin zu stellen und immer nur mit dem Finger auf andere zu zeigen und zu sagen: „Wir sind auf einem guten Weg“, ist, wenn es einen Rechtsanspruch gibt, ein Gesetz, das zu erfüllen ist, verdammt wenig. Ich erwarte von einer Regierung deutlich mehr.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich die Redebeiträge heute Vormittag höre, gerade die der Opposition, dann muss ich mich schon entspannen, um mich nicht über das aufzuregen, was hier zum Teil gesagt wor
Ich glaube, diese Landesregierung, FDP und CDU, und dieser Sozialminister sind Garanten dafür, dass die Familienpolitik in Hessen im absoluten Zentrum aller Überlegungen steht.
Wenn Sie sich den Haushalt anschauen und einfach nur einmal die Zahlen zur Kenntnis nehmen, dann müssten Sie doch festgestellt haben, dass der Sozialetat für 2013/2014 um 20 % angewachsen ist. Sie müssen doch auch einmal zur Kenntnis nehmen, dass 100 Millionen € als Förderung für U-3-Plätze in diesem Haushalt zu finden sind. Sich dann aber hierhin zu stellen und zu sagen, das Land Hessen mache zu wenig, es würde diese Aufgabe nicht ernst nehmen, wir hätten die Probleme nicht erkannt, und wir würden niemanden unterstützen, ist doch absurd, Herr Merz. Das ist wirklich absurd.
Wenn ich mir einfach einmal anschaue, was wir in dieser Legislaturperiode bei dem Thema Familie gemacht haben, von der Familienkarte, den Familienzentren und den Familienhebammen