Protocol of the Session on November 22, 2012

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Ausführung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und zur Änderung des Hessischen Altenpflegegesetzes – Drucks. 18/6388 zu Drucks. 18/6066 –

Berichterstatterin ist Frau Kollegin Klaff-Isselmann. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen folgende Beschlussempfehlung vorzutragen: Der Sozialpolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der Fraktionen der SPD und DIE LINKE bei Enthaltung der Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung unter Berücksichtigung des Änderungsantrags Drucks. 18/6143 anzunehmen.

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Ich eröffne die Aussprache bei einer vereinbarten Redezeit von jetzt fünf Minuten.

Die erste Wortmeldung stammt von Herrn Dr. Spies. Er spricht für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem Teil des Gesetzentwurfs, bei dem es um die Änderung des Altenpflegegesetzes geht, werde ich mich im Folgenden nicht weiter äußern, auch wenn es nicht einer gewissen Pikanterie entbehrt, dass sich die Landesregierung mit hohem Nachdruck dagegen gewehrt hat, dass die in den anderen europäischen Staaten üblichen Standards für die Ausbildung in der Krankenpflege auch in Deutschland

Recht werden. Kurz danach müssen wir nun eine solche Regelung treffen. Das ist schon eine interessante Koinzidenz.

Die Ausführungsregelungen zum SGB V sind es, die an dieser Stelle unsere besondere Aufmerksamkeit verlangen. Denn entgegen dem ausdrücklichen Wunsch vieler Anzuhörender ist die Mehrheit nicht willens, die Frage der Zusammensetzung einem öffentlichen Diskurs zuzuführen. Das ist bei der Frage der Zukunft der ärztlichen Versorgung insbesondere im ländlichen Raum zwar bezeichnend, aber gleichermaßen unangemessen.

Wir erinnern uns: Im Jahr 2009 gab es einen Antrag zur Frage der Zukunft der ärztlichen Versorgung. Der Landtag wünschte sich von der Landesregierung ein Konzept. Es gab eine Debatte im Ausschuss.

Er ist jetzt leider nicht da. Der heutige überaus verehrte Wirtschaftsminister hat seinerzeit ausdrücklich erklärt, dass er auf gar keinen Fall eine Anhörung des Ausschusses oder des Parlaments wolle. Das machen wir alleine, war sein Ausruf.

Gemacht wurde gar nichts. Bis ins Jahr 2011 hinein gab es keine Vorlage zum angekündigten Konzept der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum. Die Landesregierung murkelte seinerzeit still und leise vor sich hin. Sie kam nicht zu Potte. Es waren die Oppositionsfraktionen, die dazu Konzepte vorlegen mussten. Die Landesregierung blieb zurück.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dann fiel der Landesregierung mit der Übernahme des Vorsitzes in der Gesundheitsministerkonferenz das Ergebnis umfangreicher Beratungen der Vorjahre sozusagen in den Schoß. An der Stelle muss man anerkennen: Die Hessische Landesregierung hat den richtigen Schritt gewagt, auch wenn er im Ergebnis weit weniger konsequent war, als man sich hätte wünschen können. Dabei ging es um die Frage der Rechte der Länder bei der Sicherung der Versorgung im medizinischen Bereich.

Allein, das lange versprochene Konzept kam auch nicht. Im Sommer 2011 kam es dann doch. Was stand darin? – Fast nichts, denn alle wesentlichen Zukunftsaufgaben waren Gegenstand weiterer Erörterung. Sie waren in dem so hoch gelobten Hessischen Pakt zur Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung gar nicht erörtert worden. Sie waren alle noch zu klären.

Das betraf die spezifischen vertragsärztlichen Fragen, wie z. B. den Notdienst. Fahren Sie einmal durchs Land, und schauen Sie, was Sie da erzählt bekommen, wie die Probleme bei der Versorgung mit dem ärztlichen Notdienst aussehen. All das hat der hessische Pakt nicht geklärt, sondern in die Zukunft verschoben.

Die Änderung des Bundesrechtes hat zur Folge, dass das Land ein eigenes Gremium schaffen kann, mit dem man die Fragen der Bedarfsplanungen und der Regelungen mit den kleinen Stücken, die inzwischen erreicht wurden, tatsächlich angehen könnte. Was macht die Landesregierung? – Die Zusammensetzung wird wieder zu einer Geheimveranstaltung, obwohl in der Anhörung gerade diejenigen, die selbstverständlich mit dabei zu sein hätten, ausdrücklich eingefordert haben, dass das im Gesetz geregelt werden solle und dass das Gegenstand einer öffentlichen Auseinandersetzung werden solle. Das betrifft z. B. die Landesärztekammer oder die Kassenärztliche Vereinigung. Aber

da gehören auch die Krankenkassen und die Kommunalen Spitzenverbände mit hinein. Denn die Frage der regionalen Versorgung ist eine, die die Region betrifft.

Wenn wir die kommunale Seite nicht frühzeitig einbinden, werden wir auf Dauer keinen Millimeter weiterkommen. Denn die Einzigen, die gerade in Hessen flächendeckend medizinische Versorgung nach strengen Qualitätskriterien sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag sicherstellen, sind, man höre und staune, die Landkreise und die kreisfreien Städte. Denn beim Rettungsdienst klappt das. Wenn Sie sich in den Regionen umschauen, sehen Sie, dass das inzwischen weitaus besser als beim ärztlichen Notdienst klappt. Genau deshalb, weil sie nämlich nicht nur kompetent, sondern regional ganz anders verankert sind, ist z. B. die kommunale Seite ein wichtiger Partner.

Wir hätten uns gewünscht, dass die Landesregierung die öffentliche Debatte über die Frage, wer sich bei diesem wichtigen Thema einbringen soll, nicht scheut. Denn sie hat inzwischen gesehen, dass die Debatte fruchtbar ist, wenn sie öffentlich und gemeinsam geführt wird. Seit 2009 lagen immer wieder Angebote, gemeinsam vorzugehen, auf dem Tisch. Leider ist es auch jetzt so, dass sie das nicht will.

Wir finden es richtig, dass das Gremium kommen wird. Aber man hätte das besser machen können. Deshalb werden sich die Mitglieder der SPD-Fraktion bei der Abstimmung der Stimme enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat Frau Abg. Klaff-Isselmann für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute haben wir die Gelegenheit, ein sehr nützliches und umsichtig gestaltetes Gesetz auf den Weg zu bringen. Dieses Gesetz nutzt denjenigen, die eine Ausbildung in der Altenpflege beginnen möchten. Es nutzt Menschen, die sich im Ausland qualifiziert haben und in der Altenpflege arbeiten möchten. Es nutzt Unternehmen in der stationären und in der häuslichen Altenpflege; und nicht zuletzt nutzt es denjenigen, die der Pflege bedürfen, denn es ist ein Baustein, der dem drohenden Fachkräftemangel in der Pflege entgegenwirkt.

Im Grunde könnte ich es damit auch schon bewenden lassen, denn auch die schriftliche Anhörung ergab vielfache Zustimmung. Aber ich möchte doch noch einige mir wichtige Aspekte benennen.

Der Sozialminister hat eine Vielzahl von Maßnahmen auf den Weg gebracht, um den Anforderungen des demografischen Wandels zu entsprechen und einem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die Deckelung der Anzahl der Schulplätze in der Altenpflegeausbildung ist aufgehoben worden.

(Beifall bei der CDU)

Konnten früher keine Auszubildenden für die Altenpflege motiviert werden, wuchs die Zahl von kürzlich noch 3.500 auf jetzt 4.800 Auszubildende an. Das Land investiert hier

erhebliche Mittel, nämlich gut 21 Millionen € alleine im nächsten Jahr.

Im Übrigen ist die Anhebung der Pauschale für die Altenpflegehelferausbildung bereits in der Vorbereitung.

Eine weitere Maßnahme zur Abwendung des drohenden Fachkräftemangels ist das Anwerben spanischer Altenpflegekräfte. Ich nenne das praktiziertes Europa und praktizierte Solidarität.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich nenne es so, denn es gibt Menschen, die nun in Hessen eine Perspektive bekommen, die sie derzeit in ihrer Heimat nicht haben können. Diese Menschen erhalten eine materielle Lebensgrundlage und werden in den Stand versetzt, weiter selbstbestimmt ihr Leben zu gestalten. Daher begrüßen wir diese Maßnahme außerordentlich.

Die Änderungen im Hessischen Altenpflegegesetz tragen ebenfalls dazu bei, einem Fachkräftemangel in der Altenpflege entgegenzuwirken. Endlich werden im Ausland erworbene Berufsqualifikationen in der Altenpflege anerkannt – sofern natürlich der Ausbildungsstand als gleichwertig anzusehen ist. Auf diese Weise können wir Menschen aus dem europäischen Wirtschaftsraum oder auch aus Drittländern eine qualifizierte Beschäftigung in der Altenpflege ermöglichen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Den Asylbewerbern!)

Das ist eine längst fällige Maßnahme.

Die Altenpflegehelferausbildung kann aufgrund von Berufserfahrung verkürzt werden. Allerdings darf die Berufspraxis nicht länger als zwei Jahre zurückliegen.

Es kommen neue Ausbildungskonzepte zur Nachqualifizierung und zur Erschließung neuer Zielgruppen zur Anwendung. Auch das begrüßen wir ausdrücklich.

Es bleibt zu resümieren, dass auch mit diesem Gesetz die wichtigen Weichen für eine zukunftsfähige und qualitativ hochwertige Altenpflege in Hessen gestellt sind. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat Frau Abg. Schulz-Asche für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sprechen hier über zwei unterschiedliche Problemkreise, und die möchte ich nacheinander abarbeiten.

Zunächst geht es um ein Problem, bei dem wir uns alle einig sind, was seine Brisanz angeht: Das ist die dauerhafte und nachhaltige Struktur unserer Krankenversorgung. Ich begrüße es ausdrücklich – das möchte ich hier einmal sagen –, dass die Landesregierung aus der Kannbestimmung des § 90a des Sozialgesetzbuchs V die Möglichkeit ergriffen hat, auf Landesebene ein Gremium zu schaffen, das folgende Aufgaben hat: Empfehlungen für die sektorübergreifende Versorgung zu erstellen, die Feststellung von Unter- und Überversorgung zu treffen sowie die Aufstel

lung und Anpassung der Bedarfspläne zu entwickeln. Das sind zentrale Aufgaben, und ich halte es auch für richtig, dies nicht nur mit Blick auf die stationäre Versorgung zu bewerten, sondern auch den ambulanten Bereich einzubeziehen. Daher begrüßen wir dieses Gremium.

Meine Damen und Herren, allerdings haben in der Anhörung praktisch alle Anzuhörenden kritisiert, dass Sie bei einem solchen wichtigen Gremium nicht in der Lage sind, in Ihrem Gesetz auch die Mitglieder dieses Gremiums zu benennen. Es geht hier tatsächlich um massive wirtschaftliche Fragen, um entscheidende Versorgungsfragen – und meines Erachtens gehören die Mitglieder, die in ein solches Gremium berufen werden, in ein Gesetz und können nicht nachträglich durch eine Verordnung benannt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, dieses Gremium wird dafür wesentlich sein, ob es in Zukunft gelingt, eine wohnortnahe und vor allem patientenorientierte Krankenversorgung in Hessen aufrechtzuerhalten. Da Sie dieses Gremium nicht im Gesetz vollständig regeln, werden wir uns in der Abstimmung der Stimme enthalten.

Beim zweiten Bereich geht es um die Regelungen im Altenpflegegesetz. Wir alle haben in dieser Woche die neue Studie der Bertelsmannstiftung zur Kenntnis genommen. Dort wird nochmals gesagt, dass beispielsweise für Hessen für das Jahr 2030 eine Versorgungslücke in der Pflege von 7.083 Vollzeitstellen zu erwarten ist. Das zeigt, in welcher Situation wir uns befinden, denn schon heute haben wir einen Pflegenotstand. Wenn sich diese Zahlen weiter bis zu einem Mangel von über 7.000 Vollzeitkräften aufbauen, dann wissen wir, welche Katastrophe das gerade für die älteren Menschen bedeutet, die pflegebedürftig sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin voll bei Ihnen, dass man in einer solchen Situation sämtliche Möglichkeiten der Mobilisierung von Menschen nutzen muss, die bereit sind, in diesem Bereich zu arbeiten. Ich finde es auch richtig, auf Menschen zurückzugreifen, die bereits über Erfahrung in diesem Bereich verfügen. Wir haben etliche Familienangehörige, die zehn, 15 Jahre lang in ihren Familien – zum Teil unter professioneller Anleitung oder Begleitung – zu Hause gepflegt haben. Man muss sehen, dass diese Menschen einen qualifizierten Abschluss machen, damit sie nach dieser Pflegetätigkeit auch beruflich in diesem Bereich arbeiten können. Ich halte das für einen unter vielen und auch für einen richtigen Schritt.

Das Problem ist nur, dass die Altenpflegehilfeausbildung in Hessen einjährig ist. Auch bei der Anhörung wurde gesagt, dass es gar nicht klar ist, wie man die Qualifizierung dieser Familienmitglieder oder anderer, die in ähnlichen Bereichen gearbeitet haben, in die einjährige Ausbildung integrieren will. Im Moment kann das niemand erklären. Die theoretischen und die praktischen Anteile sind auf das Jahr verteilt. Wie will man es erreichen, dass hier ein schnellerer Zugang möglich wird? In der jetzigen Organisationsform der Altenpflegehilfe ist mir das nicht klar, und deswegen werden wir uns auch hier der Stimme enthalten. – Das wars.