Protocol of the Session on November 21, 2012

Vielen Dank, Herr Dr. Wagner. – Herr Dr. Spies hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Herr Dr. Spies, Sie haben zwei Minuten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Kollege Wagner, ich habe allerdings mit großem Interesse festgestellt, welche Heiterkeit die CDU in Marburg auszulösen bereit ist.

(Zurufe von der CDU)

Wir stellen fest: Es gelingt mir, einen Wissenschaftler von internationalem Rang für eine Veranstaltung nach Marburg zu holen. In einer Universitätsstadt ist es nicht nur üblich, sondern meines Erachtens auch dringend geboten, in einer Frage, die die Gesellschaft insgesamt betrifft, auch den sich mit dieser Frage beschäftigenden Fachwissenschaftlern die Gelegenheit anzubieten, sich an dieser Debatte zu beteiligen.

Verehrter Herr Kollege Wagner, eine Vorschrift, die vorschreibt, dass Briefe von der Biegenstraße 33 in andere Gebäude in der Biegenstraße in Marburg ausschließlich durch Verwendung der Post oder eines anderen Unternehmens transportiert werden und keinesfalls von Hand in einen Briefkasten gebracht werden dürfen, eine solche Vorschrift wäre mir neu. Deswegen habe ich mit großer Irritation zur Kenntnis genommen, welche Aufregung es bei der CDU auslöst, dass man Briefe in einen Briefkasten einwerfen kann, ohne die Post zu beschäftigen.

Wenn Sie hier kundgetan hätten, dass die schwierige Lage der Deutschen Post es erforderlich gemacht hätte, Porto zu verwenden, um einen Brief in ein Gebäude der Universität zu befördern, so hätte ich Ihr Argument zwar nicht geteilt, aber nachvollzogen. Herr Kollege Wagner, dass Sie aber hieraus einen Skandal machen wollen, dass ich Briefe bei der Universität von Hand einwerfe, das ist allenfalls Gegenstand von Heiterkeit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Spies. – Herr Dr. Wagner, Sie haben die Möglichkeit, zwei Minuten zu erwidern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es kurz machen: Erstens bedanke ich mich bei Herrn Dr. Spies dafür, dass er meinen Vorwand eingestanden hat. Zum Zweiten muss ich feststellen: Er hat nichts, aber auch gar nichts begriffen. Sie sind offensichtlich weiter bereit, die Hauspost der Universität Marburg für Ihre parteipolitischen Veranstaltungen zu nutzen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Vielen Dank, Herr Dr. Wagner. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist der Einzelplan 02 gelesen.

Es wurde vereinbart, dass wir eine Stunde Mittagspause einlegen. Wir sehen uns um 14 Uhr wieder.

(Unterbrechung von 13:00 bis 14:03 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.

Ich rufe jetzt den

Einzelplan 01 – Hessischer Landtag –

auf. Es wurde vereinbart, dass zu diesem Einzelplan keine Aussprache stattfindet.

Ich rufe jetzt den

Einzelplan 03 – Hessisches Ministerium des Innern und für Sport –

auf. Ich erteile das Wort in der vorgesehenen Reihenfolge zuerst Frau Faeser für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe, dass die Einzelpläne in der Haushaltsdebatte wie immer „große“ Aufmerksamkeit genießen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei gibt es doch vieles zu bereden. Herr Innenminister, dazu haben zumindest wir jetzt Gelegenheit.

Eines will ich vorweg sagen. Der Haushaltsplanentwurf für das hessische Innenministerium dient einem sicher nicht, nämlich der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit.

(Beifall bei der SPD)

Von Jahr zu Jahr – das muss man leider so sehen – werden die Produkte immer mehr zusammengefasst. Es wird immer intransparenter. Eines ist dabei leider sicher – deshalb sollte man sich dieses Themas einmal annehmen –: Das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik gewinnt man so mit Sicherheit nicht zurück, weil die Menschen nämlich wissen wollen, was für ihre innere Sicherheit getan wird, wofür das Geld ausgegeben wird, wie hoch die Mittel für den Sport sind, wie viel Geld für die Feuerwehren aufgebracht wird. Insofern appelliere ich an Sie, diesen Haushalt endlich transparenter zu gestalten.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ein sehr schwieriges innenpolitisches Jahr liegt hinter uns. Im November vergangenen Jahres kam die Wahrheit über eine mordende rechte Terroristengruppe ans Licht. Im Zuge der Aufklärung der Taten des Nationalsozialistischen Untergrundes wurde eine Reihe von Aufklärungspannen und unzulässigen Vernichtungen von Akten offenbar, die leider kein gutes Licht auf die Sicherheitsbehörden in der gesamten Bundesrepublik werfen. Der Deutsche Bundestag leistet mit seinem überparteilich arbeitenden Untersuchungsausschuss zum NSU – ich glaube, das können wir hier gemeinschaftlich feststellen – eine sehr gute Aufklärungsarbeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Untersuchungsausschuss hat sehr große Defizite in der Aufklärung der Fälle festgestellt – unter anderem bei dem furchtbaren Mord an Halit Yozgat in Kassel. Auch hier sind Fehler geschehen, wie der Untersuchungsausschuss herausgefunden hat. Bedauerlich ist in diesem Zusammenhang insbesondere – das beschäftigt uns heute –, dass die Hessische Landesregierung nach wie vor die Haltung hat, dass sie, obwohl sie mit einem der Fälle befasst war, als einzige der Landesregierungen keine Fehler gemacht hat. Das ist ein sehr fataler Weg, denn es gilt für uns alle, gemeinsam daran zu arbeiten, das verloren gegangene Vertrauen in die Sicherheitsbehörden zurückzugewinnen. Dazu gehört aber auch das Eingestehen von Fehlern.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte hier einen Satz von Thomas Carlyle zitieren, der hier, wie ich finde, in ausgezeichneter Weise passt und der uns allen – damit meine ich insbesondere den Ministerpräsidenten, der dieser Debatte leider nicht zuhört – zu denken geben sollte:

Der schlimmste aller Fehler ist, sich keines solchen bewusst zu sein.

Das trifft hier leider sehr deutlich zu. Was leider auch stimmt: An keiner Stelle in diesem Doppelhaushalt ist zu erkennen, was aus diesen Vorgängen für Folgerungen gezogen wurden. Es ist kein Geld für eine verstärkte Arbeit gegen den Rechtsextremismus vorgesehen. Ich halte das angesichts der Vorfälle, die wir auch hier in Hessen zu beklagen haben, für skandalös.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden deshalb beantragen, die Mittel für lokale Hilfen gegen rechts und für das „Beratungsnetzwerk Hessen – Mobile Intervention gegen Rechtsextremismus“ aufzustocken. Es gibt in Hessen – auch das muss man leider festhalten – für diese Bereiche viel zu geringe Mittel aus dem originären Landeshaushalt; man verlässt sich viel zu sehr auf Bundeszuschüsse.

(Ulrich Caspar (CDU): Dann wird es demnächst also einen Erhöhungsantrag geben?)

Das wird es. – Wir wollen auch das Netzwerk gegen Gewalt stärker fördern. Ich glaube, dass das auch in Ihrem Interesse liegt, denn das Netzwerk gegen Gewalt bekämpft sehr frühzeitig und präventiv jegliche Formen der Gewalt, d. h. auch in linksextremistischen und islamistischen Er

scheinungsformen. Ich glaube, dass wir hier gemeinsam sehr viel früher und sehr viel mehr Mittel einsetzen sollten, um den Ausbruch von Gewalt rechtzeitig zu verhindern.

(Beifall bei der SPD)

Wir beantragen, hierfür zusätzlich 240.000 € im Haushalt vorzusehen. Das sollte uns diese enorm wichtige Arbeit vor Ort wert sein. Es wäre ein gutes und verbindendes Zeichen dieses Hauses, wenn Sie sich dazu entschließen könnten, diese Anträge zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Innenminister, einen falschen Weg gehen Sie leider weiterhin in der Personalentwicklung bei der hessischen Polizei. Es werden 2013 erneut zu wenige, nämlich nur 460 Polizeianwärter ausgebildet. Erst 2014 wird es wieder 530 Anwärterstellen geben. Das reicht aber längst nicht aus, um das in der „Aktion düstere Zukunft“ abgebaute Kontingent von 1.200 Stellen auszugleichen. Ich erinnere noch einmal daran, dass in den Jahren 2004, 2005 und 2006 lediglich 200 neue Anwärter eingestellt wurden – statt der tatsächlich benötigten 850 Anwärter. Das ist übrigens ein Grunddefizit, das aus den Jahren 1999 und 2000 stammt, also aus der Zeit Ihres Vorgängers Volker Bouffier. Es ist also ein hausgemachter Personalmangel, dem Sie sich stellen müssen. Da hilft auch die Umverteilung bei der Bereitschaftspolizei nicht, und da helfen auch Pressekonferenzen nicht.

(Beifall bei der SPD)

Frau Faeser, ich will darauf hinweisen: Die vereinbarte Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme gleich zum Schluss. – Die innere Sicherheit hat bei Ihnen offensichtlich nicht den Stellenwert, den Sie immer nach draußen darstellen. Deswegen werden wir hier eine Aufstockung der Mittel beantragen.

Sparvorschläge machen wir bezüglich der Stellen, die Sie bei den Regierungspräsidien aufstocken wollen. Wir finden es nämlich sehr spannend, dass plötzlich neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Aufgaben des Schutzschirms und mit der Umsetzung der Beschlüsse des Energiegipfels befasst werden sollen. Herr Finanzminister, beim Schutzschirm sind wir bislang davon ausgegangen, dass die Verhandlungen schon sehr weit fortgeschritten sind. Eine Frage an die Kommunalaufsicht: Was sollen die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eigentlich tun?

Herr Innenminister, Sie haben auch im Ministerium selbst viel zu viel Personal. Die Stellenzahl des Jahres 1999 ist inzwischen verdreifacht worden. Zu Ihrem Einsparpotenzial darf ich Ihnen etwas aus dem „fuldainfo“ vom heutigen Tage vorlesen. Auch Ihr Koalitionspartner scheint damit nämlich nicht ganz einverstanden zu sein. Die Jungen Liberalen haben heute Folgendes veröffentlicht – ich darf Elias Knell, den neuen Vorsitzenden, zitieren –:

„Die CDU benimmt sich dabei wie Hänsel und Gretel. Überall schmeißt man mit leeren Versprechungen mal einen Brocken hin, steht auf der Suche zum Ziel aber am Ende vor der Hexe mit dem Namen

Neuverschuldung. Es liegt jetzt auch an der FDP, die Union nicht den Versuchungen der süßen Verschuldung erliegen zu lassen, sondern die Neuverschuldungshexe in den Ofen zu stecken und den Haushalt fit für ein freies Hessen zu machen“, Knell weiter. „Es scheint, als habe sich die CDU vom Arbeiten verabschiedet. Sie präsentiert bisher nur leere Versprechungen, aber nur wenig Konzept...“

Dem haben wir nicht viel hinzuzufügen.