Wir wollen ein Vergabegesetz, das den Mittelstand entlastet, das für den Mittelstand transparent ist, das durch die Vergabestellen umsetzbar ist und die Entscheidungen nicht mit Dingen befrachtet, die nicht dazugehören.
Wir haben in einem ersten Gesetzentwurf, dem Gesetzentwurf für ein Hessisches Mittelstandsförderungsgesetz, wichtige Grundsätze geregelt: die Definition des Mittelstandes, einen Mittelstandsbericht mit Förderprogrammen, den hessischen Innovationstag, den hessischen Außenwirtschaftstag, ein Mittelstandsmonitoring, die Festschreibung eines ordnungspolitischen Grundsatzes: „privat vor Staat“. Darüber können wir uns gerne noch in der Anhörung und der Ausschusssitzung unterhalten.
Aber ich möchte vor allem auf die Schwerpunkte eingehen, die in den anderen drei Gesetzentwürfen einen breiten Raum einnehmen, nämlich die Tariftreue und ein Mindestentgelt. Wir haben mit Bezug auf die Tariftreue in Art. 2 § 3 die Tarifvertragsbindung in sehr breitem Umfang gesetzlich und europarechtskonform geregelt. Danach hat jedes Unternehmen, das in Hessen öffentliche Aufträge erhält, klar einzuhalten – ich zitiere aus dem Gesetz –, ihren mit dem Auftrag befassten Arbeitnehmern „die für sie geltenden gesetzlichen, aufgrund eines Gesetzes festgesetzten und unmittelbar geltenden tarifvertraglichen Leistungen zu gewähren“. Frau Kollegin Waschke, damit ist nicht nur ein schmales Band, sondern eine außerordentlich breite und klare Vorgabe für Tariftreue gegeben.
Es ist beileibe nicht so, dass wir in Hessen und Deutschland keine Mindestlöhne haben. Der Bund hat in ganz breiter Form von seiner Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch gemacht und hat im Bundes-Tarifvertragsgesetz, im Betriebsverfassungsgesetz, im Arbeitnehmerentsendegesetz für mittlerweile sieben Branchen, im Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen, im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und in allgemein verbindlichen Tarifverträgen wie dem Rahmentarifvertrag im Bauhauptgewerbe ganz klare Regelungen getroffen.
Wenn auf einer Baustelle wie in Fulda Arbeitskolonnen aus dem Ausland Dumpinglöhne zahlen, die nicht unserem Arbeitnehmerentsendegesetz und auch nicht dem für allgemein verbindlich erklärten Rahmentarifvertrag im Bauhauptgewerbe entsprechen, dann ist das gegen das Gesetz, und dann muss das entsprechend geahndet werden. Aber es ist nicht so, dass es kein Gesetz gäbe. Also tun Sie nicht so, als ob es dort einen weißen Fleck in der Landschaft gäbe, sondern wir haben in vielerlei Bundesgesetzen klare Regelungen, die einzuhalten sind.
Jetzt richte ich mich an die Kollegen von den Oppositionsfraktionen mit ihren Gesetzentwürfen. Es ist sehr spannend, dass wir zum gleichen Rechtskreis vier Gesetzentwürfe haben. Das wird eine spannende Anhörung. Da gebe ich Ihnen recht. Ich möchte Ihnen ganz deutlich sagen, dass wir die Festsetzung eines Mindestlohns im Hessischen Vergabegesetz – wie von Ihnen vorgesehen –, das sich nur an kommunale Stellen, an das Land, an Eigenbetriebe der Kommunen richtet, also solche Betriebe, die dem Haushaltsrecht unterliegen, keine privaten Unternehmungen, für nicht EU-rechtskonform einschätzen. Ich möchte Ihnen auch sagen, warum.
Wir als CDU – das haben Sie uns vorgeworfen, Frau Waschke; das will ich Ihnen deutlich sagen – stehen unverändert zu einer Tarifautonomie mit starken Sozialpartnern. Niemand kann besser gerechte Löhne festlegen als die Tarifpartner für die einzelnen Branchen.
Wir sind gemeinsam mit unserem Koalitionspartner der festen Überzeugung, die Politik solle sich zunächst grundsätzlich aus der Lohnfindung heraushalten.
Leider – da gebe ich Ihnen recht – kommt es in verschiedenen Branchen zu sozialfeindlichem Lohndumping, vor allem durch Unternehmen, die nicht mehr tarifgebunden sind. Das finden auch wir nicht gut. Deswegen gibt es Maßnahmen, damit jeder Arbeitgeber einer Branche den gleichen tariflich festgelegten Lohn zahlt. Damit wurden Mindestlöhne entweder im Arbeitnehmerentsendegesetz für bestimmte Branchen vereinbart oder durch Gesetz von den Tarifpartnern ausgehandelte Lohntarifverträge für allgemein verbindlich erklärt, wie im Bauhauptgewerbe. Das sind im Übrigen auch die Kernaussagen und Forderungen im Rüffert-Urteil des Europäischen Gerichtshofs.
Wir als CDU sagen – dazu gibt es einen entsprechenden Parteitagsbeschluss –, dass in den Branchen, in denen kein tarifvertraglich festgelegter Lohn besteht, durchaus eine allgemein verbindliche Lohnuntergrenze durch Bundesge
setz eingeführt werden kann und soll. Diese Lohnuntergrenze soll dann durch eine paritätisch besetzte Kommission festgelegt werden. Der Unterschied zu dem, was Sie sagen, ist, dass wir als CDU eine durch Tarifpartner bestimmte und damit marktwirtschaftlich organisierte Lohnuntergrenze vorsehen und keinen politischen Mindestlohn; denn das vernichtet Arbeitsplätze, und das ist nicht gut für unsere Wirtschaft.
Ich wiederhole sehr deutlich – wir werden dem auch in der Anhörung entsprechenden Raum einräumen –: Wir haben erhebliche Zweifel, ob der von Ihnen in den Entwürfen von SPD, GRÜNEN und LINKEN vorgesehene Mindestlohn in einem Hessischen Vergabegesetz nicht gegen die tragenden Gründe dieses Rüffert-Urteils des Europäischen Gerichtshofs verstößt; denn dieses Urteil sieht vor, dass nur ein flächendeckender allgemein verbindlicher Tariflohn europarechtskonform ist.
Letzter Satz. – Das scheint nicht der Fall zu sein, wenn dieser gesetzliche Arbeitnehmerschutz nur für Hessen, nur für die Ausführung von öffentlichen Aufträgen, nicht aber im selben Unternehmen auch für die Ausführung von privaten Aufträgen gilt. Meine Damen und Herren, das werden wir diskutieren.
Letzter Satz. Herr Kollege Schäfer-Gümbel ist im Moment nicht da. Sie haben in Ihrem Wahlprogramm ein europarechtskonformes Mittelstands- und Vergabegesetz angesprochen. Das ist der Entwurf von FDP und CDU; aber Ihr Gesetzentwurf entspricht dieser Vorgabe ausdrücklich nicht. – Herzlichen Dank.
Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Kollege Arnold, der letzte Teil Ihrer Rede war besonders witzig. Das muss ich sagen.
Ich möchte auf zwei Punkte eingehen. Sie haben in Ihrer Rede darauf abgezielt, dass auch Sie in Ihrem Gesetzentwurf die Tariftreue festgeschrieben haben. Ja, das haben Sie rein deklaratorisch getan. Wir haben es festgeschrieben, und wir haben auch Kontrollen vorgeschlagen. Bei Ihnen im Gesetz steht nämlich: „Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass gegen diese Regelung“ – nämlich die tariftreue
Entlohnung – „verstoßen wird, ist auf Anforderung dem öffentlichen Auftraggeber die Einhaltung dieser Verpflichtung nachzuweisen.“
Erst wenn es Anhaltspunkte gibt, dass gegen die Tariftreue verstoßen wird, wollen Sie kontrollieren. Bei uns ist das im Gesetzentwurf ganz anders vorgesehen. Wir wollen den Nachweis der Tariftreue schon im Verfahren haben, und bevor der Auftrag erteilt wird. Was mir in dem Zusammenhang auch wichtig ist: Rein deklaratorisch in einen Gesetzentwurf die tariftreue Entlohnung hineinzuschreiben, nutzt überhaupt nichts, wenn auf der anderen Seite die Kontrollen fehlen. Das ist doch unser Problem.
Zum Thema Mindestlohn. Sie beziehen sich darauf, dass die Tarifpartner den Mindestlohn auszuhandeln haben. Ja. Aber schauen Sie sich in der Welt um, Herr Dr. Arnold. Die Tarifpartner sitzen nicht mehr an einem Tisch und verhandeln miteinander. Sie wie ich, wir kommen aus der Region Fulda. Ein erheblicher Teil der Unternehmen in Fulda ist überhaupt nicht mehr in einem Arbeitgeberverband organisiert. Da fängt das Problem nämlich an. Deswegen sagen wir, wir wollen einen gesetzlichen Mindestlohn haben, und dabei bleiben wir auch.
Danke sehr, Frau Waschke. – Dann darf ich Frau Wissler für die Fraktion DIE LINKE das Wort erteilen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass wir heute erneut über das Thema öffentliche Vergabe diskutieren. DIE LINKE hat bereits 2009 dazu einen umfangreichen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht. Aber das Problem ist heute so aktuell wie eh und je. Sehr viele Bundesländer haben das mittlerweile erkannt und haben entweder bereits Vergabe- und Tariftreuegesetze erlassen, oder sie arbeiten zumindest daran, das in Zukunft zu tun. Hessen ist unter schwarz-gelber Regierung auch in diesem Bereich wieder einmal Schlusslicht.
Der Niedriglohnsektor breitet sich aus. Immer mehr Beschäftigte arbeiten zu Löhnen, von denen sie nicht leben können, auch in Hessen. Die Bindekraft von Tarifverträgen lässt nach. Immer mehr Berufseinsteiger wissen gar nicht mehr, was ein sogenanntes Normalarbeitsverhältnis ist, weil sie nur noch befristete Verträge bekommen und keine gesicherten Arbeitsverhältnisse mehr haben.
Ich will an der Stelle noch einmal sagen – auch das kann man der SPD nicht ersparen –: Das sind Probleme, die natürlich auch auf der gesetzlichen Grundlage der sogenannten Arbeitsmarktreform der Agenda 2010 entstanden sind. Die Einzelheiten lassen sich unter anderem in den Stellungnahmen des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu den Hartz-IV-Reformen nachlesen. Auch damals wurde davor gewarnt, dass die Hartz-Gesetze dazu beitragen werden, die Bindekraft von Tarifverträgen zu unterlaufen, dass die
Wir haben jetzt eine Situation, in der es notwendig geworden ist, über so etwas wie gesetzliche Mindestlöhne zu reden, darüber zu reden, wie die Landesregierung und Gemeinden durch ein Vergaberecht auch gewerkschaftliche Anliegen staatlicherseits unterstützen können.
Wenn jetzt auf der Regierungsbank behauptet wird oder wenn Herr Arnold gerade lange darüber gesprochen hat, dass das alles vergabefremd sei, wenn man in Vergabegesetzen beispielsweise eine Ausbildungsquote, eine Frauenquote oder einen Mindestlohn fordert, dass das Probleme seien, die doch anderweitig angegangen werden müssten, dann frage ich Sie einmal: Wo gehen Sie diese Probleme denn an? Das ist doch die ganze Krux bei Ihrer Argumentation. Sie haben doch nichts gegen die Frauenquote, weil Sie sagen, das sei vergabefremd, und schreiben sie deswegen nicht ins Vergabegesetz. Nein, Herr Arnold, Sie lehnen die Frauenquote grundsätzlich ab, und es ist Ihnen doch vollkommen wurscht, ob das im Vergabegesetz oder in einem anderen Gesetz geregelt ist.
Die Frage, ob das vergabefremd ist, ist doch überhaupt nicht der Punkt. Sie lehnen Mindestlöhne ab, und das tun Sie, ob man das ins Vergabegesetz schreibt oder einen gesetzlichen Mindestlohn festlegt.
Sie können sich gleich noch einmal zu Wort melden, Herr Arnold, und das richtigstellen, dass Sie ein absoluter Befürworter der Frauenquote sind. Das fände ich gut, wenn Sie sich an das Rednerpult stellen und sich zur Frauenquote bekennen würden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Walter Arnold (CDU): Aber nicht im Vergabegesetz!)
Herr Arnold, das fände ich wirklich ein starkes Statement von Ihnen. Ich würde Ihnen sogar applaudieren.
(Dr. Walter Arnold (CDU): Darauf kann ich verzichten! – Gegenruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn: Vorsicht, Vorsicht!)
Herr Arnold, ich will Sie einmal fragen: Wer definiert eigentlich, was vergabefremd ist und was nicht?
Genau, der Gesetzgeber. Sehr gut, dass Sie das sagen, Herr Arnold. Der Gesetzgeber definiert das. Wenn man Vergabekriterien in ein Vergabegesetz hineinschreibt, dann sind sie auch nicht vergabefremd. Sie sagen es gerade sehr richtig, dass man die Dinge natürlich auch im Vergabegesetz regeln kann.
Wenn ich als Kunde Wert darauf lege, dass meine Lebensmittel nicht genmanipuliert sind, wenn ich als Kunde Wert darauf lege, dass meine Lebensmittel fair produziert und nicht in Kinderarbeit hergestellt werden, dann frage ich Sie: Warum hat die öffentliche Hand nicht auch das Recht, genau auf diese Fragen zu achten? Warum hat die öffentliche Hand nicht geradezu die Pflicht, darauf zu achten, dass bei der Produktion von Gütern grundlegende Arbeitsnormen eingehalten werden?
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Walter Arnold (CDU): Wie will ein Handwerker das kontrollieren?)