Protocol of the Session on May 14, 2009

Zu den Kosten der Krisenbewältigung. Die englischen Finanzplätze werden das Problem haben, dass die Kosten für ihre Krise wegen des höheren Spekulationsanteils dort deutlich höher sind. Das heißt, wenn wir jetzt die Chance nutzen, dann müssen wir die Frage beantworten: Was tun wir für Frankfurt?

Der eine Teil der Antwort ist die Aufsicht. Da reicht aber nicht nur BaFin, sondern da müssen wir den deutschen Standortvorteil umsetzen: In Frankfurt ist die Europäische Zentralbank, und neben der Europäischen Zentralbank gehören auch das Committee of European Securities Regulators, das Committee of Banking Supervisors und das Committee of Insurance Supervisors, außerdem das European Systemic Risk Council dazu. Drei solcher Institutionen haben wir in Deutschland in der BaFin zusammengeführt. Auf europäischer Ebene muss sie jetzt die EU zusammenführen, und wir müssen dafür arbeiten, dass sie dorthin kommen, wo die Europäische Zentralbank ist. Denn die Ballungs-, die Konzentrationswirkung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt hat sich deutlich ausgezahlt – und das gilt auch für den Aufsichtsbereich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist aber Bundespolitik.

Es gibt einen weiteren Punkt, an dem die Hessische Landesregierung gefordert ist. Wir erinnern uns vielleicht an eine alte Forderung der FDP. Früher hat die FDP einmal gefordert, es sei klug, angesichts der deutlichen Ungleichgewichte der Börsen in Deutschland auch die Börsenaufsicht aus dem föderalen System herauszunehmen und in Frankfurt zu bündeln. Das wäre eine Aufgabe für einen freidemokratischen Wirtschaftsminister: dafür zu sorgen, dass die deutsche Börsenaufsicht für alle Börsen am größten Börsenhandelsplatz in Deutschland ist, wo die meisten Geschäfte getätigt werden. Ich glaube, dort können wir die Sachkompetenz bündeln und auch den Standort der deutschen Börse stärken.

FDP, Sie sind gefragt. Herr Wirtschaftsminister, viel Spaß dabei.

(Minister Dieter Posch: Danke! – Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Mein dritter Punkt ist einer, von dem ich glaube, dass Sie das Problem unterschätzen. Die Frage, ob der Finanzplatz Frankfurt gestärkt wird, ist nicht allein die Frage, ob die Banken oder die Aufsicht gestärkt werden, sondern es geht um die Frage, wie sich die Rhein-Main-Region ent

wickelt. Wer immer wieder ungeeignete Modelle für die Organisation dieser Region – wie das Ballungsraumgesetz – vorlegt, wer die ökologische Situation aus dem Blick verliert, wer das Thema Bildung und Kultur in der RheinMain-Region nicht im Blick behält,der wird auch die qualifizierten Arbeitsplätze, die dort gebraucht werden, nicht anziehen können.

Deswegen ist es nötig, zur Stärkung des Finanzplatzes den Ballungsraum besser zu organisieren. Es ist nötig, mit der Internationalen Bauausstellung ein Signal zu geben.

(Unruhe)

Herr Kollege Grumbach, entschuldigen Sie bitte ganz kurz. – Nach wie vor ist in diesem Saal sehr viel Unruhe, es finden sehr viele Nebengespräche statt. Ich darf Sie nochmals bitten, dem Redner hier zuzuhören und die Gespräche, die Sie unbedingt führen müssen, nach draußen zu verlagern. Herzlichen Dank.

Der SPD-Antrag ist an einem Aspekt deutlich stärker als der der CDU – wir können im Ausschuss schauen, was wir Gemeinsames daraus machen können –, und zwar in der Frage:Wie schützen wir die Anleger? Das taucht in Ihrem Antrag außer bei der Aufsicht nicht auf.

Die Frage lautet schlicht:Werden die Finanzprodukte alle in die Aufsicht der BaFin einbezogen, also insbesondere Hedgefonds und Private Equity? Es geht um die Lizenzierung der Ratingagenturen und um das Austrocknen des grauen Marktes.

Wir erleben, dass ein Großteil der Produkte, über die wir reden, nie an einer Börse gehandelt worden sind, sondern anderswo, und sich dadurch der Kontrolle entzogen haben, übrigens auch der Börsenaufsicht.

Die Frage ist auch, ob wir in Deutschland anfangen, ein paar Lehren des Jahres 1929 zu wiederholen. Wer sich in der Wirtschaftsgeschichte auskennt, erinnert sich vielleicht: Nach der großen Weltwirtschaftskrise wurden bestimmte Produkte und eine bestimmte Art der Geschäfte des Finanzsektors verboten, weil sie nur der Spekulation dienten und realwirtschaftlich – wie Leerverkäufe – überhaupt keine Funktion hatten. Ich glaube, an dieser Stelle kneifen Sie.

(Beifall bei der SPD)

Bei meinem letzten Punkt geht es darum, dass man nach meiner Meinung das Risiko bei den Banken lassen sollte. Wenn die Banken Produkte ausgeben, dann müssen das erstens solche sein, die auch in Deutschland zugelassen wären, und zweitens müssen sie einen Teil in ihrem eigenen Portfolio halten, damit sie an den Risiken auch beteiligt sind.

Da die Redezeit zu Ende geht, will ich einen letzten Satz sagen. Es gibt da noch einen Punkt, an dem zwei Entscheidungen zu treffen sind: Durch die staatlichen Zuschüsse an Geschäftsbanken werden plötzlich die Banken, die die Krise am stabilsten durchgestanden haben – weil sie ein anderes Geschäftsmodell haben –, Sparkassen und Volksbanken, in der Kapitalbeschaffung benachteiligt. Es ist Aufgabe gerade auch des Hessischen Landtags, dafür zu sorgen, dass das geändert wird und die Chancen

gleichheit für Sparkassen und Volksbanken hergestellt wird.

Mit Verlaub,mit der Europäischen Union wird darüber zu diskutieren sein, ob die Abschaffung von Gewährträgerhaftung und Anstaltslast eine kluge Lösung war. Nach unserer Auffassung war das eine Fehlentscheidung.Wir müssen die Sparkassen und die öffentlichen Banken stärken, dann bleibt unser Bankensektor auch stabiler. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Grumbach. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Dorn für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Francis Fukuyama, der spätere Berater von George Bush, rief Anfang der Neunzigerjahre „The end of history“ aus. Er war der Überzeugung, dass mit dem damaligen Stand des Neoliberalismus die ideale Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung erreicht sei.

Heute erkennen wir: Die Geschichte ist keineswegs am Ende. Im Gegenteil, sie muss neu geschrieben werden: von den entfesselten Märkten des Neoliberalismus hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft, mit umfassender ökologischer, ökonomischer und sozialer Regulierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Situation erfordert entschlossenes und vorausschauendes Handeln und – als GRÜNE betonen wir das – nachhaltiges Handeln,damit wir nicht in die nächste Krise rennen.

So wie in der Wirtschaftspolitik muss auch auf dem Finanzmarkt eine nachhaltige Umgestaltung erfolgen. Wir brauchen eine neue Finanzmarktverfassung mit verlässlichen Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer.

Die globale Krise zeigt, dass die Politik der Liberalisierung und Deregulierung auf den Finanzmärkten zwar kurzfristige Profite für wenige geschaffen hat, aber letztendlich zu katastrophalen Ergebnissen für alle geführt hat.

Meine sehr geehrten Herren von der FDP-Fraktion, auch ich gratuliere Ihnen zu Ihrer – wenn auch späten – Einsicht in die Notwendigkeit, dass wir kontrollierte und transparente Märkte brauchen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Leif Blum (FDP): Ihr GRÜNEN wohl nicht?)

Aus grüner Sicht sind drei wesentliche Eckpunkte für eine neue Finanzmarktordnung zu nennen.

Zum Ersten.Wir brauchen mehr Transparenz im Bankgeschäft durch eine umfassende Finanzmarktaufsicht.

Hier kann ich viele Gemeinsamkeiten mit dem Antrag der SPD-Fraktion und auch gewisse Übereinstimmungen mit dem Antrag von CDU und FDP feststellen. Auch wir stimmen mit Ihrer Bewertung der Zweckgesellschaften überein.Auch wir fordern vernünftige Ansätze bei den Bilanzvorschriften zur Vermögensbewertung.Auch wir wollen die Einrichtungen zur Finanzmarktaufsicht stärken.

Auch wir wollen,dass diese Einrichtungen am Finanzplatz Frankfurt verzahnt werden.Auch wir denken, die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen sollte endlich umgesetzt werden.

Aber, meine Damen und Herren, gerade von der CDU und der FDP, die besten Aufsichtsinstitutionen sind ohne Kontrolle und ohne Sanktionsmöglichkeiten wirkungslos.

Deswegen reicht es eben nicht, wenn die Aufsichtsbehörden der Bundesrepublik den Banken auf Augenhöhe begegnen, wobei mir durchaus bewusst ist, dass dies eine Forderung der BaFin selbst ist. Aber es drängt sich die Frage auf:Waren die Aufsichtsbehörden bisher unterhalb des Bankenmanagements angeordnet? Haben sie sozusagen ehrfurchtsvoll zu den Bankenmanagern hinaufgeblickt?

Meine Damen und Herren, nein,Aufsichtsbehörden können – wie es der Name schon sagt – nur dann sinnvoll arbeiten, wenn sie die Aufsicht haben, also nicht auf Augenhöhe, sondern oberhalb der Banken angeordnet sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb reicht es auch nicht, auf das G-20-Finanzministertreffen zu verweisen, so wichtig die Willensbekundungen dort waren. Wir brauchen ganz konkrete Ergebnisse und Beschlüsse.Aus dieser Motivation heraus liegt Ihnen unser Änderungsantrag vor, meine sehr geehrten Damen und Herren der Koalition. Denn neben der Verzahnung der Einrichtungen in Frankfurt ist es ebenso von großer Bedeutung, dass die Aufsichtsbehörden ihre Kompetenzen erweitert bekommen. Setzen Sie sich daher ganz konkret auf Bundesebene für die Erweiterung der Kontrollkompetenzen auf dem grauen Kapitalmarkt ein, wie es schon mein Vorgänger erwähnt hat.

Außerdem brauchen wir eine ausreichende Qualifizierung der Aufsichts- und Verwaltungsratsmitglieder.Für all das braucht die BaFin auch eine personelle und finanzielle Ausstattung. Auch dafür müssen wir uns konkret einsetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir nun zum zweiten Eckpunkt einer neuen Finanzordnung. Wir fordern eine persönliche Verantwortlichkeit des Führungspersonals und des Managements von Aktiengesellschaften. Wer bewusst und gewollt Risiken eingeht, sollte dann auch die Konsequenzen persönlich tragen, und zwar nicht nur im Erfolgs-, sondern eben auch im Misserfolgsfall.

Als Drittes ein Thema, das mir besonders wichtig ist und das in dieser Debatte und auch sonst leider häufig fehlt: der explizite Blick auf den Verbraucherschutz.Wir haben deswegen unseren Dringlichen Antrag eingebracht, der den Schutz der Verbraucher auf den Finanzmärkten aufgreift. Es gibt eine Studie des Bundesverbraucherministeriums. Dort wurde festgestellt, dass jährlich durch falsche Finanzberatung Verluste in Höhe von 20 Milliarden c entstehen. Das ist ein Skandal. Hier ist die Politik gefordert.Wie bei Lebensmitteln müssen die Verbraucher eben auch wissen, aus welchen Bestandteilen Finanzprodukte bestehen und welche Risiken sie mit sich bringen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Zum Glück gibt es da keine Gentechnik!)

Wenn Sie das so sehen, ja. – Um dieses einfache Prinzip durchzusetzen, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Einmal müssen die Institutionen der Finanzmarktaufsicht den Verbraucherschutz zu einem ihrer zentralen

Anliegen machen. Dieser Bereich wird bisher noch völlig nachrangig behandelt. Dann ist es sehr wichtig, dass im Finanzsektor die provisionsunabhängige Beratung ausgebaut wird. Da teilen wir auch die Einschätzung der Sozialdemokraten, dass gerade die hessischen Sparkassen während der weltweiten Finanzmarktkrise einen stabilisierenden Einfluss hatten.Wir sagen aber auch ganz deutlich: Auch die Sparkassen müssen ihre Beratungsqualität ausbauen, denn ich erinnere daran, dass auch hessische Sparkassen Lehman-Zertifikate ohne eine ausreichende Aufklärung über die Risiken verkauft haben. Da müssen wir etwas tun. Lassen Sie uns gemeinsam mit den Sparkassen – dort haben wir den Einfluss – und auch anderen interessierten Banken eine Initiative für eine faire Finanzmarktberatung starten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Besonders wichtig ist, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Anlageprodukte besser verstehen und beurteilen können. Dafür haben wir bereits eine sehr gute und unabhängige Verbraucherberatung, die hessische Verbraucherzentrale.Sie ist zwar sehr beliebt und wird oft gelobt,doch leider ist sie völlig unzureichend mit Personal und Geld ausgestattet. Die Kürzungen der CDU im Zuge der „Operation düstere Zukunft“ waren und sind ein Skandal. Sie sind ein Affront gegen den Schutz von Verbrauchern. Frau Lautenschläger, denken Sie um.Stimmen Sie unserem Haushaltsantrag zu. Wir möchten, dass die Verbraucherzentrale Hessen besser ausgestattet ist, und haben deswegen 1,5 Millionen c mehr vorgesehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Insgesamt müssen Finanzprodukte wieder einfacher und verständlicher gestaltet sein. Es gilt der ganz einfache Lehrsatz der Ökonomie: je höher die Rendite, desto höher das Risiko. In den letzten Jahren wurden leider viele sogenannte Finanzinnovationen auf den Markt gebracht, die genau diesen Zusammenhang durch merkwürdigste Konstruktionen verschleiern sollten. Nicht zuletzt muss die zivilrechtliche Haftung für Anlagen auf dem grauen Kapitalmarkt verbessert werden, sodass der Anleger seine Ansprüche auch im Falle einer Insolvenz oder Vermögensveruntreuung geltend machen kann.