Protocol of the Session on May 14, 2009

In der Warndatei sollten unter anderem die Daten von einschlägig verurteilten Straftätern, z. B. wegen Menschenhandels, gesammelt werden.

Ich komme jetzt zum problematischen Teil des Gesetzentwurfs. In der Einladerdatei sollten die Daten jener Personen gespeichert werden, die für einen Visum-Antragsteller eine Einladung ausgesprochen bzw. sich verpflichtet haben, die Lebensunterhaltskosten für den Antragsteller während der Zeit seines Aufenthalts in der Bundesrepublik zu übernehmen, bzw. die Daten der Personen, die den Zweck des Aufenthalts des Antragstellers bestätigen. Bei einer Datenabfrage durch eine Botschaft sollten die Daten der Einlader übermittelt werden, wenn diese mindestens fünf Einladungen innerhalb von 24 Monaten ausgesprochen hatten. Sowohl die Daten der Einlader wie auch die Daten der Warndatei sollten unter bestimmten Voraussetzungen an Sicherheitsbehörden, Strafverfolgungsbehörden und die Nachrichtendienste weitergegeben werden.

Gerade die Wirtschaftsverbände, aber auch Kirchen,Vereine und Hilfsorganisationen hatten sehr starke Bedenken gegen dieses Gesetzesvorhaben. Das ist richtig. Ihre Mitarbeiter wären damit nämlich unter einen Generalverdacht geraten, weil sie häufig ausländische Gäste einladen. Ihre Sorge richtete sich insbesondere darauf, dass die verdachtslose Speicherung der Daten unbescholtener Bürger und der Daten der Vertreter der Unternehmen und Verbände die Möglichkeit des Reisens und des freien Austauschs erheblich einschränken würde. Herr Greilich, das alles sind schwerwiegende Gründe, die in der Tat einen Schnellschuss bei diesem Gesetzesvorhaben nicht erlaubten.

So weit zum sachlichen Teil des Gesetzesvorhabens. Schauen wir uns nun einmal an, was die FDP hier beantragt. Sie stellen heute den Antrag, der Landtag solle feststellen, dass die Bundesjustizministerin die Schuld dafür trage, dass der Gesetzentwurf zurückgezogen wurde. Schauen wir uns jetzt einmal an, wie es wirklich war. Meine Damen und Herren der FDP und der CDU, ich sage Ihnen: Das wird Ihnen nicht gefallen.

Wie bereits ausgeführt, ging es in dem Gesetzesvorhaben zum einen um die Warndatei und zum anderen um die Einladerdatei. Ich bitte, das zu unterscheiden. In der Warndatei sollten die Daten der straffällig Gewordenen stehen, also beispielsweise derjenigen, bei denen Menschenhandel erwiesen war.

Daneben sollten wir die Einladerdatei haben, bei der das Problem besteht, dass in ihr die verdachtslose Speicherung der Daten unbescholtener Bürger vorgenommen werden sollte.Da besteht ein riesiges rechtliches Problem. Denn da haben wir einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen.

(Wolfgang Greilich (FDP):Wer hat das denn eingebracht?)

Ich sage Ihnen gleich, wie es war, Herr Kollege Greilich. Dies war einer der Hauptkritikpunkte der bereits genannten Verbände und Institutionen und der FDP.

(Wolfgang Greilich (FDP): Frau Faeser, wer hat das denn eingebracht?)

Ich sage Ihnen, wie es war. Herr Kollege Greilich, der Gesetzentwurf wurde von der Bundesregierung eingebracht.

(Wolfgang Greilich (FDP):Wer ist da zuständig?)

Die Bedenken, die Sie mit uns gemeinsam teilen, wurden zwischen dem Bundesjustizministerium, dem Auswärtigen Amt und dem Bundesinnenministerium diskutiert. Das Bundesjustizministerium und das Auswärtige Amt haben Bedenken gegen die verdachtslose Speicherung der Daten angemeldet. Wie ich Ihnen heute schon gesagt habe, taten sie das zu Recht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Greilich und Herr Kollege Beuth, Sie haben das Innenministerium, das, wohlgemerkt, von der CDU geführt wird, darum gebeten, diesen Teil aus der VisaWarndatei herauszunehmen. Das ist leider unterblieben. Damit ist es so, dass der eigentliche Verhinderer des Gesetzes für eine Visa-Warndatei, die wir hier eigentlich in Gänze, bislang mit Ausnahme der GRÜNEN, haben wollen, der Bundesinnenminister war. Denn er war nicht bereit, die verdachtslose Speicherung unbescholtener Bürger aus dem Text des Gesetzentwurfs herauszunehmen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Greilich, ich kann es auch mit Ihren Worten formulieren. Sie haben das so schön für die Bundesjustizministerin formuliert. Ich formuliere das jetzt einmal für den Bundesinnenminister. Bundesinnenminister Schäuble wollte auf die verdachtslose Speicherung der Daten unbescholtener Bürger nicht verzichten und verhinderte dadurch eine verfassungsrechtlich einwandfreie und rechtsstaatliche Möglichkeit, der Bedrohung der inneren Sicherheit Deutschlands durch illegale Einreise und Schleuserkriminalität wirksam zu begegnen.

So ist es wirklich gewesen. Das hat Ihr Antrag heute zum Vorschein gebracht. Darüber sind wir einigermaßen froh. Ich glaube, es ist nämlich genau so, wie Sie es auch gesagt haben: Wir brauchen eine Visa-Warndatei. Wir brauchen eine Erfassung dieser Straftäter.

Herr Greilich, wir wären längst so weit, dieses Gesetzesvorhaben auf den Weg zu bringen, wenn es ohne diese problematische Einladerdatei gehen würde, die Sie genauso wie wir kritisieren.Herr Greilich,tun Sie heute deshalb nicht so, als ob die Bundesjustizministerin etwas verhindert hätte, was Sie eigentlich in der genau derselben Art wollen. Schauen Sie auf Ihren Koalitionspartner. Der hat das verhindert. Der Innenminister hätte genau dies bewirken können. Dann hätten wir jetzt eine Visa-Warndatei ohne eine problematische Einladerdatei.

(Beifall bei der SPD)

Meine Kollegen von der FDP, seien Sie beim nächsten Mal bei der Auswahl Ihres Setzpunktes etwas sorgfältiger. Aber wir haben mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass Sie auch Ihren Koalitionspartner ein wenig ärgern wollten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Faeser. – Das Wort hat der Abg. Schaus, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Vorhaben von Bundesinnenminister Schäuble, eine Datenvorratsspeicherung aller Unternehmen, Privatpersonen, Verbände und Kirchen mit regelmäßigen

internationalen Kontakten einzurichten, um das es hier geht, könnte am Widerstand des SPD-geführten Justizministeriums scheitern. Wir als LINKE begrüßen ausdrücklich, dass sich Frau Zypries zwar spät, aber inhaltlich richtig entschieden hat und einen weiteren Schritt in Richtung schäubleschem Überwachungsstaat zumindest an dieser Stelle nicht mitgehen will.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Herren von der FDP, es wundert uns nicht, dass Sie an dieser Stelle den andauernden Spagat zwischen Bürgerrechtspartei – – Das steht in meinem Manuskript in Anführungszeichen,

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Wir haben es gesehen!)

weil ich mir gerade, Herr Greilich, bei Ihrer Rede vorhin vorgestellt habe, ob der ehemalige Bundesjustizminister Baum in Hessen zu mehr Parteiwürden als zu einem Kreisvorsitz gekommen wäre. Ich glaube nicht – vielleicht noch weniger, bei den Positionen, die Sie mittlerweile vertreten. Sie als angebliche Bürgerrechtspartei biedern sich momentan dem CDU-Überwachungsminister an.

Schauen wir doch einmal kurz, worum es eigentlich geht, und darauf, was Sie unter dem Eindruck der anstehenden Bundestags- und Europawahlen daraus machen.

Richtig ist, dass beispielsweise zur Bekämpfung von Menschen-, Waffen- oder Drogenhandel für die Auslandsvertretungen als Visa ausstellende Behörden eine Datenbank existieren sollte, in der festgestellte Fälle gewerbs- und bandenmäßiger Schleusung erfasst werden müssen. Natürlich muss ein Visamissbrauch verhindert werden, wenn damit – wohlgemerkt – nachweislich menschenverachtende Geschäfte verbunden sind.

Wir als LINKE hoffen allerdings, dass hiermit die EUGrenzen nicht auch für Flüchtlinge noch undurchlässiger werden, als sie es ohnehin jetzt schon sind. Entscheidend, weil an dieser Stelle richtig, ist, dass Bundesinnenminister Schäuble das Notwendige und Sinnvolle natürlich nicht reicht und er die Sache bis ins Übermaß und Schädliche toppen muss.

Nach dessen Vorstellung sollen jede Privatperson, jedes Unternehmen,jede Kirche,jeder Verein,der mehr als fünf Einladungen in zwei Jahren ausspricht oder auch nur an Visaverfahren beteiligt ist, vorsorglich erfasst werden. Diese höchst sensiblen Daten vollkommen unbescholtener Personen, Unternehmen und Vereine sollen dann den Sicherheitsbehörden,Geheimdiensten,Arbeitsagenturen, Staatsanwaltschaften, Ausländerbehörden usw. ohne gesetzlich geregelte Zweckbindung zur Verfügung stehen.

Im Gesetzentwurf Schäubles ist nämlich nicht geregelt, wer warum und wozu auf diese Daten zugreifen soll. Diese Visa-Warndatei – ich nenne sie eher Visa-Wahnsinnsdatei – erfährt damit eine Zwecköffnung, die weit über die aufenthaltsrechtliche Zielsetzung hinausgeht.Sie ist mit sicherheitsbehördlichen Aufgaben befrachtet, die ebenso wenig beschrieben werden wie die Rechte der Bürger, sich über diese umfassende Datensammlung und Pseudoverdachtsmomente zu informieren.

Um das noch einmal verständlich zu beschreiben: Wenn eine Kirchengemeinde im Rahmen eines Austauschprogramms, eine Universität mit einer internationalen Partneruniversität oder ein international tätiges Unternehmen regelmäßige Kontakte halten, dann landen handelnde Personen und Unternehmen zwangsläufig in einer

Datei und können zweck- und verdachtsunabhängig und ohne jegliche weitere Konkretisierung von allen möglichen Behörden durchleuchtet werden.

(Peter Beuth (CDU): Na und?)

Sie erfahren davon noch nicht einmal etwas. Das kann nie und nimmer Ihr Ernst sein. Hiergegen gibt es völlig zu Recht breiten Widerstand.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren der CDU, Frau Merkel fordert von mir und meiner Partei, wir sollten uns mit der DDRVergangenheit auseinandersetzen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Mit der Parteivergangenheit!)

Das ist in seiner Pauschalität natürlich Unfug und Polemik, weil Frau Merkel wohl größere Anknüpfungspunkte daran hat, als z. B. ich habe. Wenn wir aber gemeinsam eine Lehre aus der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts insgesamt ziehen wollen, dann ist es doch so, dass übermächtig werdende Geheimdienste, die ihre Bürger unkontrolliert bespitzeln, der Demokratie und den Menschen größten Schaden zugefügt haben.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wir leben in der Demokratie und nicht in der Ostzone!)

Ich bin deshalb skeptisch, ob Demokratie und geheimdienstliche Gesinnungsspitzelei zueinander passen

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das ist unglaublich!)

oder sich nicht ausschließen, Herr Irmer. Fakt ist, meine Partei will keine umfassenden Überwachungsapparate,

(Zurufe der Abg. Peter Beuth und Volker Hoff (CDU))

will die Freiheit des Individuums und die Achtung des Privaten.Was Herr Schäuble in den letzten Jahren veranstaltet, hinterlässt bei mir und vielen Menschen

(Zurufe der Abg. Volker Hoff und Hans-Jürgen Ir- mer (CDU))

nicht den Eindruck, dass diese Werte für Ihre Partei eine höhere Bedeutung hätten und Sie die notwendigen Lehren aus dieser Geschichte gezogen hätten.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie sollten sich schämen!)

Das will ich noch einmal belegen. Die Vorstellungen von Herrn Schäuble sind im EU-Parlament auf Ablehnung gestoßen,weil völlig am Thema vorbei.Deshalb versuchte er dann den deutschen Alleingang mit der Konsequenz der Ablehnung in der Wirtschaft, bei den Kirchen, bei Verbänden, in der Wissenschaft und nicht zuletzt blanken Entsetzens bei den Datenschützern.