Protocol of the Session on May 14, 2009

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank. – Frau Kollegin Pauly-Bender.

Herr Staatsminister Grüttner, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte unsere Donnerstagnachmittagssitzung nicht verlängern, aber ich möchte doch richtigstellen, dass das gilt, was ich hier gesagt habe. Die SPDLandtagsfraktion ist selbstverständlich bereit, mit allen Fraktionen dieses Hauses

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Zu koalieren!)

darüber zu sprechen,wie die Hessische Verfassung am Leben erhalten werden kann, wie sie modernisiert werden kann, wie sie mit Leben erfüllt werden kann und wie sie besser verstanden werden kann, wenn sie heute gelesen wird.

Wir haben uns damals an der Verfassungsenquetekommission beteiligt und hatten einen Katalog von Anliegen, die wir gerne in eine Fortschreibungsdebatte eingebracht hätten. Allerdings ist für die Sozialdemokraten in diesem Haus die Fortschreibung der Verfassung kein Selbstzweck, sondern wir wissen um die besondere soziale Substanz der Hessischen Verfassung, die Eigenart des großen Kapitels zu den sozialen Grundrechten, in denen beispielsweise die Bildung erwähnt wird. Deshalb haben wir in Hessen über dieses Thema so sehr gestritten.Wie stark beispielsweise das Recht auf Bildung in den Köpfen verankert ist, haben Sie daran gesehen, wie auf die Abschaffung der Studiengebühren in der hessischen Bevölkerung reagiert wurde. Deshalb halten wir an der sozialen Substanz der Hessischen Verfassung fest, die in unserer Kultur fest verankert ist und die Hessen stark gemacht hat.

Das Gleiche gilt für den demokratischen Geist.Wir hatten schon damals – gemeinsam mit den GRÜNEN – den Wunsch, die demokratischen Elemente der Hessischen Verfassung zu stärken, allerdings nicht zu dem Preis, dass man den Charakter einer Volksverfassung schleift. Wir bestehen weiterhin z. B. darauf, dass das Volk das letzte Wort bei einer Änderung der Verfassung hat.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Herr Minister Grüttner, wenn akzeptiert wird, dass die SPD-Fraktion in diesem Hause diese Besonderheiten, diese einzigartige Kultur unserer Verfassung bewahrt sehen möchte, wenn wir darangehen, die Verfassung fortzuschreiben, dann kommen wir sicher in ein Gespräch über eine gemeinsame Überarbeitung der Hessischen Verfassung. Da können Sie auf uns zählen. Aber noch einmal: Eine Modernisierung um jeden Preis und unter Schleifung der besonderen Eigenheiten der Hessischen Verfassung wird es mit unserer Fraktion nicht geben.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 18/226.Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist DIE LINKE. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Enthaltungen? – SPD und GRÜNE. Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Scheitern der Visa-Warndatei – Drucks. 18/262 –

Jede Fraktion hat siebeneinhalb Minuten Redezeit. Das Wort hat der Kollege Greilich, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Scheitern der Visa-Warndatei ist unser heutiges Thema. Ich will für die, die nicht so genau im Thema sind,

hervorheben, worüber wir reden. Wir reden über eine Verhinderung des Visamissbrauchs. Wir reden über den Entwurf der Bundesregierung für ein Visa-WarndateiGesetz, das, wenn es irgendwann einmal käme, erhebliche Bedeutung für Hessen hätte – für Hessen als Reiseziel wie auch für unsere hessischen Sicherheitsbehörden.

Zu Ihrer Erinnerung: Anlass für die Diskussion über die Regelungsnotwendigkeit war die sogenannte Visaaffäre des grünen Teils der letzten rot-grünen Bundesregierung, die Schleuserbanden die Tür nach Deutschland öffnete.

(Beifall bei der FDP – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ziemlicher Unsinn!)

Aufgrund des Volmer-Erlasses – des wahrlich liberalen Ludger Volmer, Ihres Parteifreunds – wurden nach dem Motto „Im Zweifel für die Reisefreiheit“, das die GRÜNEN groß verkündet haben, von der Behörde des Joseph Martin Fischer in Kiew, in der Ukraine, im Jahr 2000 210.000 Visa, im Jahr 2001 300.000 Visa und im Jahr 2002 ca. 230.000 Visa ausgestellt. In der Folge konnten wir ein sprunghaftes Ansteigen der Kriminalität, insbesondere in den Bereichen Menschenhandel und Zwangsprostitution, feststellen, weil die Türen entsprechend aufgemacht worden waren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Immerhin hat man daraus etwas gelernt. Im Jahre 2004 war man so weit, den Erlass wieder aufzuheben, aber die geschaffenen Probleme blieben. Noch im Jahr 2007 stieg die Zahl der Ermittlungsverfahren im Bereich des Menschenhandels zu Zwecken der Prostitution um 29 %. Deshalb ist es weitgehend unstreitig – ich weiß,dass es in manchen Fraktionen, zumindest im Bundestag, noch Widerstände gibt –, der mit der Visaerteilung geförderten Schleuserkriminalität zu begegnen, und dass eine VisaWarndatei das angezeigte Mittel ist, um weitere Fälle zu verhindern oder begangene Straftaten schneller aufzuklären.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Seit Jahren wurde uns ein solches Gesetz angekündigt. Jetzt ist die Bundesregierung leider auch in diesem Bereich auf den letzten Metern ihrer Stillstandskoalition. Zuletzt Anfang 2009 wurde der Gesetzentwurf auf Bitten der SPD von der Agenda genommen. Ihre Hausaufgaben hat die federführende Ministerin, Bundesjustizministerin Zypries, nicht gemacht. Sie will sie offenkundig auch nicht mehr machen.

Dabei war bei diesem Gesetzentwurf sehr schnell und für jedermann klar, was die Bundesjustizministerin jetzt erst gemerkt hat. Es gibt massive Bedenken gegen diesen Gesetzentwurf, nicht nur von der Opposition in Berlin, sondern vor allem von Vereinen, Verbänden und Kirchen, und zwar deshalb, weil der Gesetzentwurf, wie so häufig bei dieser Regierung in Berlin, schlecht gemacht ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht keine Warndatei vor, wie sich angesichts des Gesetzestitels vermuten lässt, sondern – das muss man klar sagen – eine von Datensammelwut geprägte Datei, in der die Daten eines jeden Bürgers, der

eine Einladung an einen visumpflichtigen Besucher ausspricht, ohne jeden konkreten Anlass, und ohne dass ein Missbrauchsverdacht besteht, gespeichert werden. Die Daten sollen dann zahlreichen Behörden verfügbar gemacht werden.

Falls Sie mir zugehört haben, erinnern Sie sich vielleicht noch daran,dass ich schon gestern im Zusammenhang mit der von der Bundesregierung geplanten Internetkontrolle über den Umgang mit und den Generalverdacht gegen Bürger gesprochen habe. Das ist hier nicht anders. Das, was vorgesehen ist, geht am Zweck des Gesetzes vorbei und ist schlicht ein Beispiel für öffentliche Sammelwut.

(Beifall bei der FDP – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Aber Sie kritisieren doch gerade, dass nichts geschieht! Sie müssen sich entscheiden! Man muss sich entscheiden, in welche Richtung man will!)

Herr Kollege Frömmrich, ich komme ganz schnell wieder auf Sie zurück. – Es ist schon peinlich, dass die Bundesregierung überhaupt so lange gebraucht hat, um einen Gesetzentwurf anzufertigen. Herr Frömmrich, der Volmer-Erlass stammt aus dem Jahr 2000. Die Fälle, in denen es um die großzügige Visavergabepraxis ging, wurden in den Jahren 2000 bis 2002 evident. Schon im Oktober 2004 nahm die Bundesregierung ihren Erlass zurück, und gleichzeitig war allen klar, dass Handlungsbedarf besteht.

(Zurufe von der SPD)

Jetzt, im Jahr 2009, ist das Problem nicht nur nicht gelöst, sondern der Punkt wird abermals von der Tagesordnung genommen, weil sich die sogenannte Große Koalition nicht einigen kann.

(Beifall bei der FDP)

Die Dringlichkeit des Themas duldet keinen weiteren Aufschub. Deshalb ist es richtig, wenn der Hessische Landtag heute einen deutlichen Aufruf nach Berlin sendet, damit ein entsprechendes Gesetz beschlossen werden kann. Das muss dann aber richtig erfolgen.

Danach – das ist der Inhalt, der in dem Gesetz geregelt werden muss – muss es möglich sein, Personen und Organisationen, die im Visaantragsverfahren vorsätzlich falsche Angaben gemacht haben,Personen und Organisationen, die übernommenen Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, und Personen, die schwere Straftaten im Zusammenhang mit Menschenhandel und Terrorismus begangen oder gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen haben, zentral zu erfassen, um vor allem die Behörden, die Visa erteilen, zu sensibilisieren.

Diese Datei darf aber nicht zu einem allgemeinen Register irgendwie verdächtiger Menschen werden, das Verstöße gegen sämtliche Straf- und Ordnungsvorschriften umfasst. Sie darf nur zweckgebunden dazu dienen, die illegale Einwanderung und die mit dem Visamissbrauch typischerweise verbundenen schweren Straftaten zu verhindern.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist aber nicht das, was die CDU will!)

Vor allen Dingen ist kein Grund vorhanden, die Daten eines jeden Einladers nur aufgrund der Tatsache, dass er eine Einladung ausgesprochen hat, und ohne jeden Missbrauchsverdacht zu speichern. Die übermittelten Daten dürfen ausschließlich für den Zweck verwendet werden, zu dem sie auch erfasst wurden: für die Bekämpfung von Schleuserkriminalität und Visamissbrauchsfällen.

(Beifall bei der FDP)

Für die Strafverfolgungsbehörden – das wissen wir alle – sind Dateien natürlich immer hilfreich. Es können gar nicht genug sein, meint man dort. Aber mit der VisaWarndatei darf kein neues generelles Instrument zur Überwachung der Bürger geschaffen werden. Hier – mit dem zurückgezogenen Gesetzentwurf – schießt die Bundesregierung deutlich über das Ziel hinaus.

Meine Damen und Herren, all das macht deutlich, dass es unproblematisch möglich ist, die notwendige Regelung für eine Visa-Warndatei in Gesetzesform auf den Weg zu bringen. Den angesprochenen Bedenken einiger Fraktionen sowie von Vereinen, Verbänden und Kirchen kann ganz einfach begegnet werden, indem man den Gesetzesinhalt auf die tatsächlich notwendigen Regelungen reduziert.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Frau Kollegin Faeser, ich freue mich über Ihre Zustimmung und hoffe, dass Sie das auch Ihrer Kollegin Zypries demnächst vermitteln können.

(Beifall bei der FDP – Nancy Faeser (SPD): Ich erkläre gleich, warum das mit der Datei nicht geht!)

Entschuldigen Sie, Frau Faeser, da lasse ich Sie nicht raus. Frau Zypries ist die Ministerin, die diesen Referentenentwurf hat erstellen lassen, die ihn ins Kabinett eingebracht, zu verantworten und jetzt zurückgezogen hat.

(Beifall bei der FDP)

Wenn wir es geregelt bekämen,ein Gesetz vorzulegen,das sich auf die Notwendigkeiten beschränkt, wäre das seit dem GRÜNEN-Erlass von Ludger Volmer und Joseph Martin Fischer aufgerissene Loch geschlossen.Dann kann dem evidenten Problem der Schleuserkriminalität bzw. dem Visamissbrauch wirkungsvoll Rechnung getragen werden, und eine exzessive Datenspeicherung kann vermieden werden.

Lassen Sie uns heute diese klare Botschaft nach Berlin schicken: Der Hessische Landtag hält eine Visa-Warndatei für notwendig und sinnvoll. Bei Beachtung der Verhältnismäßigkeit wird er die rasche Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes mit Augenmaß unterstützen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Enslin.