(Beifall bei der CDU und der FDP – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das hat niemand gesagt! Hören Sie auf damit, Sie verdrehen alles!)
Herr Schaus, je lauter Sie schreien, desto mehr habe ich recht – das ist meine Lebenserfahrung. Schreien Sie also ruhig lauter, das ist am Ende des Tages immer ein gutes Zeichen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung wird für die Sie betreffenden Handlungsempfehlungen einen Lenkungsausschuss unter Leitung von Staatsminister Rentsch einrichten. Wir werden alle Ressorts einbinden. Wir werden uns insbesondere auf die Themen konzentrieren, die für die Landesregierung von besonderer Bedeutung sind.
Ich finde es auch interessant, dass sich in diesem Kommissionsbericht zum ersten Mal ein Plädoyer für eine längere Lebensarbeitszeit findet. Es sollte doch auch der SPD in Hessen zu denken geben, die die Rente mit 67 rückabwickeln will, dass sich die Gewerkschaften zu einer längeren Lebensarbeitszeit bekennen. Was haben Sie denn dagegen, dass wir in einer demokratischen Gesellschaft auch den Älteren die Möglichkeit geben, erwerbstätig zu bleiben?
Ich komme zum letzten Satz. Die Bundesregierung hat die Hinzuverdienstgrenzen für Rentner abgeschafft. Das heißt, auch Rentner können in Zukunft über das 65. Lebensjahr hinaus hinzuverdienen, ohne dass ihnen etwas abgezogen wird. Das ist ein fulminanter Erfolg, gerade in Bezug auf eine längere Lebensarbeitszeit.
Herr Bocklet, nehmen Sie zur Kenntnis: Wir sind längst an der Umsetzung dessen, was Sie hier fordern. Wenn Sie sagen, wir seien aus der Zeit gefallen, muss ich Ihnen sagen: Schauen Sie einmal, was die Zeit Ihnen zeigt.
Damit ist der Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Dem Fachkräftemangel entgegenwirken – Potenziale am Arbeitsmarkt nutzen: Fachkräfte haben in Hessen hervorragende Chancen), Drucks. 18/6216, behandelt worden.
Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Initiative für den Erhalt kommunaler Klini- ken – Patientenversorgung in Hessen zukunftssicher gestalten) – Drucks. 18/6217 –
Redezeit: fünf Minuten je Fraktion. Als erster Redner hat Herr Dr. Bartelt von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Dr. Bartelt.
Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hessen hat gute Krankenhäuser in kommunaler, frei-gemeinnütziger und privater Trägerschaft. Wir wollen die Vielfalt der Trägerschaften erhalten.
Wir sehen einen Handlungsbedarf, um die kommunalen Krankenhäuser zukunftssicher zu machen. Wir sehen mit Sorge, dass 20 % der kommunalen Kliniken insolvenzgefährdet sind, während dies nur bei 10 % der frei-gemeinnützigen und bei nur 3 % der privaten der Fall ist. Die Defizite im operativen Geschäft betragen jährlich oft mehr als 10 Millionen €. Die Gesamtschulden erreicht häufig eine dreistellige Millionenhöhe, obwohl gute Medizin von qualifizierten Ärztinnen und Ärzten und motivierten Pflegekräften angeboten wird. Auch die kaufmännischen Leitungen sind meist professionell.
Die wirtschaftliche Schieflage resultiert in erster Linie aus mangelnder fachlicher Schwerpunktsetzung der Häuser und zuweilen auch aus einem zu großen Einfluss kommunaler Gremien.
Um diese Häuser wettbewerbsfähig zu machen, hat die Landesregierung extern ein Konzept erstellen lassen, um einen Verbund der kommunalen Krankenhäuser zu bilden. Dadurch werden Wettbewerbsnachteile zu den anderen Trägerschaftsformen beseitigt, Standorte langfristig gesichert und wirtschaftliche Zukunftsperspektiven für die Häuser eröffnet. Alleine die Kommunen entscheiden, ob sie einem hessischen Klinikverbund beitreten. Wir erwarten aber, dass viele Städte und Kreise dieses Angebot positiv bewerten. Hierfür sprechen folgende Überlegungen.
Erstens. Die Übernahme von einem Drittel der Verbindlichkeiten durch den Verbund entlastet die kommunalen Haushalte dauerhaft. Bei der Berechnung der Verbindlichkeiten werden notwendige Investitionen zum Substanzerhalt ausdrücklich einbezogen.
Zweitens. Diskussionen über einen Trägerschaftswechsel bei in Not geratenen Kliniken oder auch nur einer Minderheitsbeteiligung eines privaten Trägers werden auf kommunaler Ebene oft kontrovers und sehr emotional geführt.
Drittens. Es wäre ein Beitrag zur langfristigen Standortsicherung des Klinikums, nicht unbedingt für alle Abteilungen – das müssen wir den Bürgern offen und ehrlich sagen –, aber für eine qualifizierte Versorgung in der inneren Medizin, in der Chirurgie und insbesondere in der Notfallversorgung. Dies ist ein Anliegen der Bürger und ein Standortfaktor für viele Kommunen.
Bei der Bewertung der Konzeption für die Zukunftssicherung eines Klinikstandorts ist auch zu berücksichtigen, dass es künftig gar nicht sicher ist, bei wirtschaftlichen Problemen eines kommunalen Krankenhauses einen privaten Partner für eine Beteiligung zu finden.
Viertens. Durch eine Schwerpunktsetzung gibt es Spitzenmedizin mit internationaler Reputation künftig vermehrt auch in Klinken in kommunaler Trägerschaft.
Fünftens. Es gibt bereits erfolgreiche Vorbilder von Klinikverbünden, auch im Bereich der nicht privaten Trägerschaften, im freigemeinnützigen Bereich. Es sei der Klinikverbund Agaplesion der Diakonien genannt. Im kommunalen Bereich nenne ich die Gesundheitsholding Nordhessen. Sehr gute Perspektiven hat auch der neu gegründete Frankfurter Stiftungsverband, bestehend aus Krankenhaus Nordwest, Hospital zum Heiligen Geist, Bürgerhospital und Clementine Kinderhospital.
Die ersten Reaktionen sind durchaus positiv, und zwar unabhängig von der Parteizugehörigkeit des jeweiligen Gesundheitsdezernenten. Auch die kommunalen Spitzenverbände und sogar ver.di haben sich positiv geäußert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ein Verdienst dieser Landesregierung, insbesondere unseres Sozialministers Grüttner, dass sie durch innovative Konzepte – im ambulanten Bereich durch den hessischen Pakt zur medizinischen Versorgung, im stationären Bereich durch das Angebot an die Kommunen, eine Verbundstruktur von kommunalen Krankenhäusern zu schaffen – die Vielfalt der Trägerschaften sichert.
Dies gibt den Bürgerinnen und Bürgern die Sicherheit, langfristig, dauerhaft medizinisch qualifiziert und wohnortnah versorgt zu werden.
Danke schön, Herr Dr. Bartelt. – Als nächster Redner hat sich Herr Dr. Spies von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Staatsminister, herzlichen Glückwunsch, dass Sie ein Konzept, ein Modell, eine Idee umsetzen, die Armin Clauss, früherer Hessischer Sozialminister, danach Vorsitzender der hessischen SPD-Landtagsfraktion, schon vor 15 Jahren propagiert hat.
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das war im letzten Jahrtausend! – Peter Stephan (CDU): Warum hat er es nicht umgesetzt?)
Das erkläre ich Ihnen gerade. – Herzlichen Glückwunsch, dass ein Konzept, das Armin Clauss, ehemaliger hessischer Sozialminister, im Bereich der kirchlichen Krankenhäuser umgesetzt hat – wie vom Kollegen gerade eben dargelegt –, endlich auch im Bewusstsein der Landesregierung angekommen ist. Armin Clauss hat das Konzept nämlich schon umgesetzt. Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie haben endlich verstanden, dass es hierfür eine Notwendigkeit gibt. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Erkenntnisfortschritt.
Meine Damen und Herren, die hessische SPD-Landtagsfraktion hat 2004 zum ersten Mal in diesem Haus eingefordert, dass wir kommunale Krankenhausketten schaffen, dass wir die kommunalen Krankenhäuser in größere Verbünde zusammenführen. Während Sie im Privatisierungsrausch das Universitätsklinikum Gießen/Marburg verscherbelt haben, haben wir ein Modell für eine Verbindung der beiden Universitätsklinika mit den kommunalen Krankenhäusern in der Region vorgelegt, mit den Landräten sogar schon abgesprochen. Leider haben Sie es damals nicht verstanden. Deshalb noch einmal meinen herzlichen Glückwunsch, dass jetzt auch die Landesregierung dieses Konzept nachvollzogen hat. Leider kommt es reichlich spät. Die Not ist inzwischen viel zu groß.
Gerade der perpetuierte Wettbewerbswahn in der Krankenhausversorgung bei stabilen Patientenzahlen und verkürzten Liegezeiten – weshalb gerade die Krankenhäuser in den Ballungsräumen verzweifelt versuchen, ihre Betten wieder voll zu bekommen – hat dazu geführt, dass die Krankenhäuser mit dem Rücken zur Wand stehen. Das hat gar nichts damit zu tun, dass es kommunale Einrichtungen sind. Kommunale Krankenhäuser arbeiten wirtschaftlicher als andere.
Das ist jedenfalls der Stand der Wissenschaftler der Frankfurt School of Finance & Management. Es sind doch die Wissenschaftler der Frankfurt School of Finance & Management, die publizieren, dass die kommunalen Krankenhäuser genauso gut oder sogar besser sind als die privaten.
Aber natürlich funktioniert das nicht, wenn nur die großen Krankenhäuser im Ballungsraum kommunale sind und sie nicht über eine ordentliche Krankenhausplanung vernünftig koordiniert werden. Das ist doch das Problem: Jedes Krankenhaus ist im Wettbewerb mit den anderen allein und muss selbst sehen, wo es bleibt. Eine vernünftige Landeskrankenhausplanung hätte dafür gesorgt, dass es im Rhein-Main-Gebiet ein Gleichgewicht zwischen den großen Krankenhäusern mit großen Problemen gegeben hätte.
Leider hat dieses Haus mit Ihrer Mehrheit die Krankenhausplanung so weit zurückgefahren, dass genau diese Strukturierung schon längst nicht mehr möglich ist. Das ist eine wichtige Ursache für die Probleme der Krankenhäuser im Rhein-Main-Gebiet.
Weiterer Punkt. Als in Nordhessen, nämlich im WerraMeissner-Kreis und in Kassel, Krankenhäuser genau das vorhatten, was hat die Landesregierung gemacht, um ihnen in der Auseinandersetzung mit dem Kartellamt zu helfen? Nichts. Sie saß da, legte die Hände in den Schoß und schaute zu, wie genau dieser Vorschlag nicht umgesetzt werden konnte, weil das Kartellamt das Konzept der Daseinsvorsorge nicht verstanden hat.
Ein Problem ist, dass die Landesinvestitionen zu gering sind. Deshalb, meine Damen und Herren, beglückwünsche ich Sie noch einmal herzlich dazu, dass Sie sich jetzt auf diesen Weg begeben.
Aber es gibt noch viel zu tun; denn das vorliegende Konzept, das uns der Herr Sozialminister freundlicherweise überlassen hat – ich weiß es ausdrücklich zu schätzen, dass er mir und den anderen Sprechern der Fraktionen in diesem Haus vorab eine Zusammenfassung hat zukommen lassen –, zeigt, dass es noch viel zu tun gibt. Es wird dort nämlich die Logik des Unternehmenscharakters des Einzelkrankenhauses auf den Gesamtkomplex übertragen, statt die Bedeutung der Daseinsvorsorge als des Primats von Versorgung – sie kommt vor der Wirtschaftlichkeit – angemessen zu würdigen.